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Ausgabe:

1985

Spalte:

199-201

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Gilmont, Jean-François

Titel/Untertitel:

Jean Crespin 1985

Rezensent:

Koch, Ernst

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199

Theologische Literaturzcüung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 3

200

lieh konnte um diese Zeit von einer möglichen Versöhnung zwischen
Rom und Wittenberg keine Rede mehr sein.

Ein knapper Arbeitsbericht von Heinz ßluhm „Die Indices zu
Werken Martin Luthers im Boston College, Chestnut Hill, Massachusetts
" belaßt sich mit den seit Jahrzehnten laufenden und vorerst wohl
abgeschlossenen Arbeiten zu Wortindices von Werkgruppen Luthers.
Es handelt sich um Luthers deutsche Schriften von 1516 bis 1525 und
von 1543 bis 1546 (Wortindices nach WA), um die im gesamten
deutschsprachigen Schrifttum Luthers enthaltenen Bibelzitate im
vollen Wortlaut (nach den Randnachweisen in WA) im Vergleich mit
den entsprechenden Texten in Luthers Bibelübersetzungen zwischen
1522 und 1546, um Wortindices zu sämtlichen. Übersetzungen des
Neues Testaments durch Luther sowie zur Niederschrift der Psalter-
Übersetzung von 1523/24 (nach WADB) sowie um ein Register der
lateinischen und deutschen Klassikernachweise in WA Br. Alle diese
Indices liegen handschriftlich in mehr als 100 verschiedenen studentischen
Handschriften vor. Die erstgenannte Gruppe wird z. /,. im
Blick auf eine eventuelle Veröffentlichung maschinenschriftlich übertragen
. Nützlich ist eine angeführte Bibliographie von Arbeiten von
Heinz ßluhm. die besonders mit diesem Indices zusammenhängen
und von ihnen profitiert haben und deren hervorzuhebende Schwerpunkte
der Einfluß von Luthers Bibelübersetzung auf die englische
Bibel des 16. Jahrhunderts und die Erforschung von Luthers Septembertestament
von 1522 sind (vgl. dieses Jahrbuch 39, 1972,55-79).

Als Dokumentationsorgan für neu entdeckte Quellen zu Luther
erweist sich das Lutherjahrbuch mit dem vorliegenden Jahrgang
durch Bernhard Fischs Hinweis auf das Autograph des Lutherbriefs
vom 15. August 1530 an seine Frau. Es befindet sich in der Leningrader
Abteilung des Institutes Für Geschichte der UdSSR der Akademie
der Wissenschaften der UdSSR.

Erwartungsgemäß bringt die diesjährige Lutherbibliographie die
bibliographische Haupternte des Lutherjahres 1983 ein. Sie umfaßt
1998 Titel, die freilich nicht ausnahmslos durch das Lutherjubiläum
veranlaßt sind, das seinerseits sich aber auch noch in den Bibliographien
der nächsten Jahrgänge bemerkbar machen dürfte. Somit dürfte
das Lutherjahrbuch sich als eine der bibliographischen Dokumentationsstellen
des Jubiläumsjahres erweisen.

Leipzig Ernst Koch

Gilmont, Jean-Francois: Jean Crespin. Un editeur reforme du
XVI siede. Genf: Droz 1981. 289 S. gr. 8" = Travaux d'Humanisme
et Renaissance. 86.

Das Buch ist aus einer Doktordissertation entstanden, die im
Februar 1977 an der Katholischen Universität Louvain eingereicht
worden ist. Es befaßt sich mit einem der großen Buchdrucker des
16. Jahrhunderts im französischen Sprachbereich, der zwischen 1550
und 1572 mehr als 250 Editionen produziert hat.

Eine knappe Einführung skizziert die Forschungsgeschichte, die
Quellenlage und die Probleme einer Bibliographie der Editionen von
Crcspin. Die Darstellung selbst beschreibt zunächst die Frühzeit des
Druckers von seiner Geburt in Arras um I 520 bis zum Einzug in Genf
1548. Die Gesellschaft in seiner Geburtsstadt und die Familienverhältnisse
und -bezichungen. soweit sie zu klären sind, werden in ihren
Zusammenhängen erhoben. Dabei kommt zutage, daß Crespin u. a.
mit Francois Bauduin eng befreundet war. Über die Studienzeit in
Louvain und Paris zwischen 1533 und 1542 sind nur die Umrisse
bekannt. In Arras, wo Crespin als Anwalt arbeitet, kommt es 1545 zu
einem Prozeß wegen Häresie, in den auch Bauduin verwickelt ist.
Crespin flieht und gelangt über verschiedene Zwischenstationen nach
Genf. Sein Freundeskreis zeigt, daß er sich in diesen Jahren im
Bereich des ..Nikodemismus" bewegt.

Eindrucksvoll werden die Stadt und ihre Bevölkerung geschildert,
in der Crespin seit 1548 wohnte und arbeitete. Wichtig an diesem

2. Kapitel des Buches ist auch die eingehende Darstellung der Arbeitsweise
und des Produktionsvorgangs in einer Druckerei des 16. Jh. bis
hin zur Aufschlüsselung der Herstellungszcit eines Buches, den
Papierpreisen und ihrer Verrechnung im Buchverkauf sowie den Korrekturarbeiten
und Auflagenhöhen. Für die Genfer Verhältnisse - und
sicher nicht nur für sie - kennzeichnend ist aber auch die Zusammenarbeit
der Drucker, Verleger und Buchhändler. Die Untersuchung
dieser Beziehungen ergibt, daß Crcspin zu den buchdruckerischen
und buchhändlerischen Großunternehmern von Genf gehörte.

Gilmont kann auch die in der Vergangenheit mißverstandenen
Beziehungen zwischen Crespin und seinem Kollegen Conrad Badius
ein Stück weit klarstellen: Crespin muß von I 550 an der Inhaber der
Druckerei gewesen sein, in der die unter den Namen Crespin und
Badius erschienenen Bücher entstanden sind. Freilich bleiben hier
weiterhin offene Fragen, so die nach dem Grund des Endes ihrer
Zusammenarbeit (S. 66).

Als Identifikationsmerkmal für Drucke, die aus Crespins Druckerei
hervorgingen, untersucht Gilmont auch die Druckermarken, die Formen
des Impressums und die Herkunft des von Crespin verwendeten
Papiers. Die Zahl und Auslastung der Druckerpressen sowie die Verteilung
der Arbeit in Crespins Betrieb läßt sich aus dem Vergleich
zwischen bezeugten oder erschlossenen Entstehungszeiten verschiedener
Produktionen ersehen. Weitere Gegenstände der Untersuchung
sind das Problem der Druckaufsicht des Genfer Rates und die statistische
Untersuchung der Gesamtproduktion (vgl. die Tabellen
S. 83-84)(Kap. 3).

Genaueres läßt sich über das Finanzgebaren Crespins im Zusammenhang
seiner Zusammenarbeit, aber auch seiner Konflikte mit
anderen Genfer Druckern ausmachen (Kap. 4).

Die Bedeutung von Crespins Schallen für die Reformation besteht
in seinem Einsatz für den Druck der Bibel, für die Werke Calvins, die
allerdings nur ein Viertel seines Gesamtschaffens einnehmen, für die
Werke von Theodore de Beze und anderer französischsprachiger
Reformatoren, für Arbeiten aus dem Umkreis der Zürcher Reformation
(Bullinger. Erastus u.a.). 6 der 14 zwischen 1552 und 1562
erschienenen französischen Lutherdrucke entstammen der Presse
Crespins. und auch Melanchthon ist unter den Autoren zu linden, die
er verlegt hat. Gilmont vermag anhand der Bibliographie auch zeitliche
Schwerpunkte für den Einsatz Crespins für alle diese Autoren zu
ermitteln. Unter den nichtfranzösischsprachigcn Produktionen des
Cienfer Druckers fallen italienische, spanische und englische Erzeugnisse
auf. Zum Teil sind sie durch Flüchtlinge angeregt worden, die
sich in Genf aufhielten bzw. niedergelassen hatten.

Die Untersuchung der literarischen Genera, die bei Crespin erschienen
sind, zeigt den Vorrang aller für die Zeit typischen Inhaltsbeneiche
. Dabei ist zu bemerken, daß 60 % der Titel und 50 % der insgesamt
von Crespin bedruckten Seiten auf die Theologie entfallen
(Bibeln. Bibelkommentare, katechetische und liturgische Handbücher
, Polemik; wenig vertreten sind Werke dogmatischen Inhalts).
Kirchengeschichtliche Werke (Sleidan). sonstige religiöse Literatur
(Schauspiele. Erbauungsliteratur) und Schul- bzw. Studienbuchliteratur
stellen weitere von Crespin produzierte Literaturgattungen
dar.

Gilmont widmit ein besonderes Kapitel (Kap. 8) der Gattung des
(protestantischen) Martyrologiums. für die Crespin sich besonders
eingesetzt hat. Dieses Kapitel ist für die Entstehungszusammenhänge
dieser Gattung wichtig und erhellend, weil es nicht nur ihr W erden
beschreibt, sondern auch Crespins redaktionellen Anteil bis hin zu
dem 1 570 erschienenen Werk.

Kap. 9 enthält mehr, als seine Überschrift erwarten läßt (La poli-
tique d'edition): Wohl werden die persönlichen Beziehungen Crespins
noch einmal unter dem Gesichtspunkt untersucht, welche Bedeutung
sie für seine Publikationspolitik gehabt haben: wohl ist die buchhändlerische
Vertriebspolitik Crespins Fragegegenstand; wohl werden
Absatz und Leserinteressen u; a. anhand von Bibliothekskatalogen
erkundet: aufschlußreich sind auch weitere Tabellen, die die zeilliche