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Ausgabe:

1985

Spalte:

193-194

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Mußner, Franz

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Epheser 1985

Rezensent:

Bethge, Hans-Gebhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 3

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mit denen das Leben Marias in Beziehung gesetzt wurde, und der
liturgischen Daten.

Das Buch schließt mit einer allgemeinen Bibliographie und kurzen
Angaben über Inhalt. Texte, Ausgaben und Übersetzungen der Akten
des Andreas. Johannes. Paulus. Petrus. Philippus und Thomas; auch
wird die wichtigste Literatur über diese Akten genannt.

Die Aufsät/c dieses Bandes sind sehr anregend. Man bekommt den
Eindruck, daß die Schweizer Gruppe ein neues Kapitel der Forschungsgeschichte
der aA zu schreiben begonnen hat. Jeder, der sich
mit der apokryphen Literatur beschäftigt, tut wohl daran, sich mit der
..Association" in Verbindung zu setzen.

Utrecht R. van den Brock

Mußner. Franz: Der Brief an die Kpheser. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn; Würzburg; Echter 1982. 182 S. 8- =
ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament.
IO.GTB/Siebenstern509.

Der vorliegende Kommentar erschließt mit dem Eph. für Mußner
eine der ..theologisch bedeutsamsten Schriften des Neuen Testaments
-' (S. 9). zum ersten Mal eine Schrift des Paulinismus Tür den
1977 begründeten ÖTK.

Zunächst legt M. in einer „Einführung" (S. 17-36) seine Grundauffassungen
zum Eph dar, die dann in der Auslegung der einzelnen
Abschnitte näher entfaltet werden. Der Eph wird als ..theologisches
Lehrschreiben" (S. 17) charakterisiert. Bei der Erörterung der „Tradi-
tions- und Abhängigkeitsverhältnisse" beschreibt M. den doppelten
Zweck des Paulusbildes: die Autorität des Paulus soll bewußt gemacht
und dem Eph eben diese Autorität verliehen werden. Hinter dem
»teilaspektierten Paulusbild" (S. 18) wie der Eschatologie stehe Traditionswissen
. Die Gemeinsamkeiten des Eph mit Kol werden einerseits
mit literarischer Abhängigkeit, andererseits als „durch die gesamt-
urkirchlichc Situation bedingt" (S. 18) angesehen, während bezüglich
des I Petr „gemeinsame Topoi urkirchlichcr liturgischer bzw. paräne-
tiseher Tradition" (S. 19) angenommen werden. Bei der Beurteilung
möglicher Verarbeitung von liturgischem Traditionsgut ist M.. mit
Ausnahme von 1.3-14; 5.14, zurückhallend. Gründe für die Rezeption
werden dabei hinterStellen wie 2,20; 3,5; 4.11 gesehen. Unter der
Uberschrift „Lexematik, Sematik, Stil" hätte man sich gern etwas ausführlichere
Ausführungen gewünscht, weil vermutlich ein großer Teil
derer, die mit diesem Kommentar arbeiten werden, mit diesem wichtigen
Aspekt exegetischer Arbeit noch nicht in genügendem Maße
vertraut sein dürfte.

Bei der Behandlung der Theologie des Eph geht M. zunächst auf das
Tür Christologie und Ekklesiologic wichtige Weltbild - fünf Bereiche
konstituieren das All - ein und wendet sich dann der Christologie
selbst, speziell der Messianologie, zu, die er als „hermeneutischen
Schlüssel" (S. 24) ansieht. Die von der Christologie nicht zu trennende
Escha tologie (entscheidende Partie: 2,11-22) sei nicht triumphali-
stisch, weil der Ursprungsort der Kirche im Krcuzcsgeschchcn liege.
Pauli nisches Erbe wird sichtbar bei der „Einlcibung" der Heiden in
den Leib des Messias Jesus, der Gesamtkirehc. Auf die in der Forschung
bisher vernachlässigte und doch so wichtige Pncumatologic
W|rd ausdrücklich hingewiesen; sie ist bei Diskussionen um Raum
und Zeit zu berücksichtigen. In den Bemerkungen zur Tauf- und
Rechtfertigungslehre wie auch zur Eschatologie wird vor allem auf das
Wr Eph typische Heilspräsens bzw. die Dominanz der realisierten
Eschatologie aufmerksam gemacht. Bei der Beantwortung der schwierigen
Frage nach dem religionsgcschichtlichen Hintergrund geht M.
von der Christologie. besonders von der Erhöhungs- und Herrschafts-
ehristologie bzw. dem Haupt-Leib-Modell mit seinen kosmischen
Implikationen aus und verweist auf Analogien in politischen Texten.
Parallelmatcrial zu vielen Gedanken des Eph wird in der Qumranlitc-
ratur gesehen, wie auch in der Kommentierung immer wieder deutsch
wird (z. B. zu 2,19-22; 3.1-13; 6,10-17), während andererseits
der Stellenwert möglicher Parallelen aus der Gnosis für M. offenbar

gering ist. Der „Sprachboden" des Eph sei „nicht in der Gnosis,
sondern in der jüdischen Apokalyptik, wie sie speziell in Qumran
entwickelt worden ist" (S. 107), zu suchen. Kritisch wäre da/u anzufragen
: Ist damit die Frage nach gnostischen Einflüssen schon erledigt
? Zur Abfassungsproblematik wird zunächst die Pscudepigraphie
begründet. Zu „Anlaß und Zweck" wird die „plausible Hypothese"
(S. 34) von K. M. Fischer hervorgehoben. M. weist sodann auf das
Problem des Zusammengehörigkeitsbewußtseins der paulinischen
Gemeinden hin und erwägt, daß Eph den „heidnisch-jüdischen Antagonismus
, der im Zusammenhang des jüdisch-römischen Krieges
von 66-70 n. Chr. erneut aufgebrochen war" (S. 35). überwinden will.
Zur Frage der Adressaten wird, sicher zu Recht, Zurückhaltung geübt,
während als Abfassungsort eine Stadt im ehemaligen paulinischen
Missionsgebiet und als Ablässungszeit 80-90 n. Chr. genannt werden.

Der Kommentar bietet, wie die anderen Bände dieser Reihe, eine
abschnittsweise Auslegung, der jeweils Literaturhinweise vorangestellt
werden. Kap. 1-3 („der heilsdogmatische Teil") erfahren dabei
angemessenerweise eine ausführlichere Behandlung als Kap. 4-6. M.
versteht es. im Rahmen des mit einem Taschenbuchkommentar gegebenen
begrenzten Raumes ein hohes Maß an Informationen zu bieten.
Philologische Erwägungen werden dabei ebenso einbezogen wie die
religionsgeschichtliche Problematik und die Erörterung anderer Meinungen
sowie das Instrumentarium moderner Linguistik. Die Darstellung
ist gut lesbar, anregend und dabei, weil nicht allein an der Exegese
im engeren Sinne interessiert, in einer guten Weise engagiert,
ohne dabei vordergründig Probleme in den Text hineinzutragen (vgl.
u. a. die Ausführungen zu 1,3-14: 2,11-22; 6.10-17). Auf Exkurse,
die sich an manchen Stellen anbieten würden, wird - im Unterschied
zu früheren Bänden des ÖTK - verzichtet.

Ohne hier auf Einzelheiten, etwa auch mit alternativen Erwägungen
zu manchen Äußerungen von M. eingehen zu können, seien noch
einige Schwerpunkte des Kommentars erwähnt. M. sieht in der Ein-
gangseulogie „einen hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der
weiteren Ausführungen des Verfassers. Die letzte Bestimmung der
Kirche wird sichtbar" (S. 51). Im Abschnitt 2,11-22 wird eine tem-
pelthcologische Orientierung gesehen, wobei 2.18 als „das kerygma-
tischc Zentrum des Briefes" (S. 88) angesehen wird. Wichtig ist für M.
auch der Stellenwert der christlichen Ethik in Eph, die er durch Aussagen
wie 4,17; 5,2 bestimmt und durch wichtige Nuancierungen im
Text näherhin charakterisiert sieht, wobei in dieser eschatologischen
Ethik von der Theologie bzw. von der Ekklesiologic her gedacht und
argumentiert wird. Bei der Auslegung der Haustafeln weist M. auf die
Hervorhebung der Liebe hin, betont die christologische Fundierung
und würdigt ihren Beitrag „zur spezifisch christlichen Lebcnsgestal-
tung der Kirche in der Welt" (S. 154).

Der Band schließt mit knappen Ausführungen über „die ökumenische
Botschaft des Briefes" (S. 175-182). „Im Hinblick auf die Una
Sancta" erinnert M. daran, daß „die Einheit der Kirche zum Programm
des Briefes" gehört und daß der Eph bei der ökumenischen
Besinnung helfen kann. „Im Hinblick auf die Juden" wird der heils-
gcschichtlichc Zusammenhang von Kirche und Israel als konstitutiver
Gedanke des Eph betont, so daß „es keine wahre endgültige Ökumene
ohne Israel" (S. 181) geben kann. „Im Hinblick auf die ganze Menschheit
" macht M. auf die kosmisch universalen Dimensionen der Christologie
und Sotcriologie aufmerksam. Daraus ergibt sich die Aufgabe
der Kirche: „Sie sammelt alle Menschen zur Einheit vor Gott und verkündigt
als Hcilsinstrument Christi seinen völkerversöhnenden Frieden
in der ganzen Welt. Das ist ihre besondere Botschaft und ihr
besonderer Auftrag in der heutigen Zeit" (S. 182).

Dieser Kommentar wird dem spezifischen Anliegen des Kommen-
tarwerkes ÖTK voll gerecht und darf als wertvoller Beitrag nicht nur
zur weiteren Profilierung des ÖTK, sondern vor allem zum Verständnis
des Eph angesehen werden. Er wird vielen eine willkommene Hilfe
bei der Arbeit mit diesem neutestamentlichen Text sein.

Mühlcnbcck Hans-Gebhard Bcthgc