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Ausgabe:

1984

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 2

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schon die Wurzeln der folgenden „scharfen traditionskritischen Wen- christologisch begründeten Erkenntnisprozessen orientiert (Vergewis-

dung" (41) nachweist, und eine ausführliche, differenzierte Behand- serung der Nähe Gottes, Gericht und Verheißung einer universalen

lung der unterschiedlichen Aspekte eines thematisch-problemorien- Versöhnung) und als solche als „Wirken des Heiligen Geistes" (151)

tierten Religionsunterrichts (42 ff), die auch kritische Ansätze wie zu begreifen sind. Daß die viel beschworene Spannung zwischen

etwa den des „therapeutischen Unterrichts" von D. Stoodt mit ein- „Tradition und Situation" für die Aufgabenbestimmung des

bezieht, merkwürdigerweise allerdings nicht die auch aus dem hessi- Religionsunterrichts zu wenig präzis ist, leuchtet ebenso ein wie die

sehen Raum kommenden intensiven Bemühungen um einen strikt Orientierung des Religionsunterrichts an der „Wirklichkeit des Mög-

lernzielorienticrten Unterricht (Vierzig, Heinemann). liehen" (1630, der Verheißung und Hoffnung also. Die Sprache

Als ein Angelpunkt der Argumentation erscheint mir das folgende erreicht hier freilich zuweilen einen solchen Abstraktionsgrad, daß sie
Kapitel (IV: Religiöse Erziehung in der säkularen Welt), das die Mög- mehr auf das Gespräch unter Experten als auf das mit Lehrern zuge-
l'chkeiten des Religionsunterrichts im Blick auf die veränderten Ein- schnitten scheint. Die Sorge vor einer „unreflektierten neuen Bibel-
stellungcn der Schüler reflektiert. Empirische Untersuchungen lassen renaissance" (160) kann ich so nicht teilen; es scheint mir vielmehr
bei Jugendlichen und Erwachsenen das Entstehen von so etwas wie auch didaktisch gar nicht mehr möglich, daran vorbeizugehen, daß
einer „säkularen Religiosität" erkennen, die auf Ich-Erweiterung und biblische Themen und Perspektiven, etwa die der Feindeshebe. der
individuelle Glückserfahrung angelegt ist. Unter dem Vorzeichen Schöpfung und des Lebens, heute in der öffentlichen Diskussion der
dieser Religiosität verwandelt sich auch die Rolle der Schule: unter großen Übcrlebensfragen der Menschheit nachdrücklich zu Worte
den Rahmenbedingungen einer Gesellschaft, die sie als Selektions- kommen und dabei auch durchaus sachgemäß verstanden werden,
»istrument benötigt, verliert die schulische Leistung für den Schüler Eindrucksvoll sind auch die beiden letzten Kapitel, die angesichts
den Charakter der Sachauseinandersetzung; sie wird vielmehr zu fjer vorliegenden Fülle divergenter Pläne und Modelle ein Gefüge von
einem Mittel, im Kampf um die Vergabe von Lebenschancen Gelände Zielen und Inhalten des Religionsunterrichts in didaktisch und theo-
zu gewinnen. „Aber Gesellschafts- und Menschheitsentwicklung logisch stringenter Argumentation (nicht als Mittelwert der vorlie-
weisen auf das Scheitern solcher Haltungen. Lebenssteigerung im her- genden Pläne und Entwürfe) neu zu erstellen versuchen. Ziele und
gebrachten Sinn wird zukünftig für immer weniger Menschen möglich Inhalte lassen sich drei Schwerpunkten zuordnen, in denen jeweils
sein" (82). Deshalb ergibt sich die „Veränderung von Lcbensperspek- anthropologisch und theologisch bezeichnete Erfahrungsbereiche auf-
l'ven als Aufgabe der Erziehung" (ebd.), jedenfalls einer Erziehung, einander bezogen sind: Identität und Rechtfertigung, Gerechtigkeit
d'e vom christlichen Glauben bestimmt ist. Mir scheint, daß der Reli- uncj Rejch Gottes, Wahrheit und Glaube. In diesem Zusammenhang
gionsunterricht sich ip der Konsequenz dieser Überlegungen noch erfolgt eine ebenso sachkundige wie erfrischende Auseinandersetzung
nachdrücklicher als Anleitung zum Umdenken verstehen muß, als mit den Aporien der Lernzieltheorie. Die Art der Zuordnung anthro-
Eröftnung von Alternativen gegenüber Entwicklungen, die nur ins pologisch-gesellschaftlicher und biblisch-theologischer Erfahrungs-
Verhängnis führen können. bereiche wird aus dem Ansatz der kategorialen Bildung entwickelt;

Ich folge dem Verfasser umso bereitwilliger, wenn er die Alternative die Diskussion um das „exemplarische Lernen" wird wieder aufge-

a's „Wahrnehmung des Lebens" beschreibt (86), als „Umkehr zum n0mmcn, die Frage nach dem Elementaren wird verwandelt in die

Leben" also, und wenn in diesem Sinne der „Glaube als erzieherische Frage nach paradigmatischen Lerninhalten.

Intention" (84) auch des schulischen Religionsunterrichts reklamiert |cn kapn njcnt zustimmen. wenn dem Begriff des Elementaren hier

w'rd (133). Beschwerlich ist mir in diesem Grundlagenkapitcl (V), in (jngeschichtlichkeit angelastet wird; ich halte ihn zudem gerade in

dem auch das Verhältnis des Glaubens zur Rationalität und zur Iden- sejner kritischen Funktion für unersetzlich, den Begriff des Paradig-

htätsproblematik und die Beziehungen zwischen Glauben und Han- matischen dagegen für sehr viel schwächer, gerade weil er völlig

dein und Glauben und Lernen erhellend diskutiert werden, nur die rorrnai ist. Ich empfinde dennoch diese Kapitel als ungemein anre-

unbefangene Verwendung des Begriffs des Religiösen und seine (frei- gend wej| njer gelingt, was über ein Jahrzehnt lang als Desiderat

"eh nur als Sprachregelung im Sinne des herrschenden Sprachge- angCsehcn werden mußte: ein auch theologisch solide durchdachtes

brauchs vorgenommene) unzulängliche Abgrenzung von dem des didaktisches Strukturgittcr für die Gesamtplanung des Religions-

Lilaubens. Mir ist fraglich, ob ein Satz wie dieser: „Gemeinsam unter- unterrichts zu entwerfen.

scheiden sich die christlichen und die nichtchristlichcn Religionen ^ mjndert njcnt den Respckt VOr der großen Leistung, die dieses

v°n a-religiösen Orientierungen" (91) überhaupt einen Sinn hat; ob ^ darstellt (es ist geradezu etwas unbescheiden), wenn ich dennoch

n|cht vielmehr die vital erfahrbaren und ethisch und politisch relc- auf zwcj unerf-unlc Erwartungen hinweise: Wo sich der Verfasser an
ganten Abgrenzungen nicht völlig anders verlaufen. Die Verfänglich- . ' ^ Schü|crn orientiert, hat er fast durchweg die Jugendlichen im

Leu dieser Bcgrifilichkeit wird dort offenbar, wo (dies hat freilich im ^ ^ Kjnder Das mag in dem folgenden angekündigten

Kähmen der Argumentation nur untergeordnete Bedeutung) der Vcr- Band'korrigiert werden; zunächst aber ist ein wesentliches Feld des

such gemacht wird, christliche von „anderen Religionen" zu unter- Unterrjchts weitgehend ausgeblendet, das manche Fragestellungen

scheiden, zu denen auch das Judentum gerechnet wird, das hier - ich ^ ^ modjfizjercn nötigen würde.

pochte sagen: notwendigerweise - völlig unzulänglich charakterisiert einen daß dje kateche.

w'rd. Auf dem Boden einer biblisch begründeten Theologie kann ich '-um ancicrcn cn.p . . . nDR • -i,

<t„ i . . . , r- i tische und rcheionspadagogischc Diskussion in ilu mm nicni nni

das Judentum nicht mehr als „andere Religion" ansprechen. Gerade l'scne uno reiig.onspu g g . ,

h; ■ , ... •infpcnommen wird Natur ich gibt es dort keine Analogie zum senu-

c ,m vorausgehenden Kapitel beschriebene Entstehung neuer saku J^lS doch sind die Probleme, die sich dort

'a r Orientierungen mit religiösem Anspruch schein, es mir für d e untcrrkh, stellen, den hier erörterten in vielerlei

Kcligionspädagogik unabdingbar zu machen, nicht nur die grundsatz- aem Kircmicuc

"che Kritik der Religion im Sinne Karl Barths, sondern auch die Beziehung frappierend ähnlich. .

aktuelle konkrete Kritik des Religiösen, die Dietrich Bonhoeffer in siegen Ingo Baldermann

seinen Gefängnisbriefen entwickelt hat, in ihre Voraussetzungen mit -,-

aufzunehmen. Schinzer, Reinhard: Die Bibel insSpicl bringen. Anregungen fürden Umgang

Der Beschreibung der „Funktionen und Aufgaben des Rehgions- ^ ^ ^ jn 0ruppcn Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht 1983. 142 S„

Unterrichts" (153ff) geht eine kritische Analyse der gegenwärtigen 2 Ktn 8'Karl. DM 16,80.

Schulsiluation voraus, die die Diskrepanz zwischen Anspruch und Schwerin, Eckart: Lernen in Gemeinschaft. Ein Konferenzbericht (Die Chn-

wirklichkeit und die besondere Problematik der Haupt- und Sonder- stCnlehre36,1983 S. 301-305).

suhüler nachhaltig ins Bewußtsein hebt, und eine Verständigung über Weiß, Ruth: Formen der Volkserzählung und deren Verwendung für den

•■Funktionen und Aufgaben kirchlicher Bildungsprozesse", die an Rahmcnplan(DieChristenlehre 36,1983 S. 293-301).