Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1984

Spalte:

151-154

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Grundlagen 1984

Rezensent:

Baldermann, Ingo

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

151

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 2

152

Gesamtgottesdienst der Gemeinde (203-210) und die Einbettung der
liturgischen Feier „in eine Gesamtpastoral derfamilia Dei"(211-215)
dienen. Daß zur Begründung dieser Konzeption gelegentlich auch
evangelische Stimmen (z. B. wiederholt H.-Chr. Schmidt-Lauber in
LJ29, 1979, 95-1 11) herangezogen werden, zeigt die ökumenische
Bedeutung dieses Anliegens.

Abkürzungsverzeichnis (217-228), Quellen- und Literaturverzeichnis
(229-307) und ein umfangreicher Anmerkungsteil (308-455) schließen die
Arbeit ab.

So bleibt das Fazit: Jeder „separate Kindergottesdienst" trägt letztlich
„Züge einer Notlösung" (200). Gesonderte Meßfeiern mit Kindern
müssen in jedem Fall „eine Hinführung zum Gemeindegottesdienst
ermöglichen" (197); alle Kinderliturgie darf nur „Ausgangspunkt
, Durchgangsstadium zum Gottesdienst der Erwachsenen" sein
(194). Deshalb ist es wichtig, daß der Kindergottesdienst sich am
Grundmodell der Gemeindemeßfeier ausrichtet und „Wiedererken-
nungselemente" (193 u. ö.) enthält, die den Kindern den Übergang in
den Gottesdienst der Erwachsenen erleichtern: „Die Meßfeier mit
Kindern soll eine Hinführung zur Gemeindemesse sein. Dies kann
nur geschehen, wenn die Struktur der Kindermesse und auch die
Funktion ihrer Elemente mit denen der Gemeindemesse übereinstimmen
" (191). Freilich: Daß solches Hineinwachsen der Kinder „in
die Hochform-der liturgischen Feier" (189) gleichsam als Einbahnstraße
beschrieben wird, macht die ganze Konzeption problematisch.
B. zeigt auf beeindruckende Weise, wie die überlieferte Liturgie durch
eine Fülle ausdrucksstarker, kommunikativer Gebärden, Haltungen,
Bewegungen, Zeichenhandlungen usw. verlebendigt und so für Kinder
erschlossen werden kann (z.B. 177-183, 184f). Nur Für Kinder?
Diese Frage stellt B. nicht, und das ist zu bedauern: Wenn wirklich der
gemeinsame Gottesdienst der .familia Dei' das Ziel sein soll, muß
auch der Gottesdienst der .Gemeinde sich verändern. Nicht nur
Kinder, auch Erwachsene dürfen und müssen hier in neue Feierformen
.hineinwachsen'. Das von B. gesetzte Ziel des integrierten, von
den Generationen partnerschaftlich (203) gestalteten Gottesdienstes
der Gesamtgemeinde setzt einen gemeinsamen Lernprozeß aller
Beteiligten voraus.

Leipzig Karl-Heinrich Bieritz

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Schmidt, Heinz: Religionsdidaktik. Ziele, Inhalte und Methoden
religiöser Erziehung in Schule und Unterricht. Bd. 1: Grundlagen.
Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer 1982. 310 S. gr. 8' =
Theologische Wissenschaft. Sammelwerk für Studium und Beruf,
16,1. Kart. DM 39,80.

Der Name des Verfassers steht für ungewöhnliche Synthesen: Heinz
Schmidt hat sich in einer Reihe von Unterrichtshandbüchern als kundiger
Praktiker ausgewiesen, wohl vertraut mit den Anforderungen
täglichen Unterrichtens, in seinen „Religionspädagogischen Rekonstruktionen
" aber als scharfsichtiger Analytiker und Systematischer
Theologe. Er hat dort die Kategorie der Dialektik für die religionspädagogische
Diskussion reklamiert; das neue Buch zeigt in überzeugender
Weise die notwendige Dialektik religionspädagogischen Denkens
im Vollzug: Der Vf. erweist sich als gründlicher Kenner der
Diskussion innerhalb der Humanwissenschaften, ohne auch nur in die
Nähe des Verdachts zu geraten, ihnen den Religionsunterricht gänzlich
auszuliefern - so nachdrücklich wird immer wieder die genuin
theologische Position als kritische Instanz ins Spiel gebracht.

„Religionsdidaktik" meint die Didaktik des schulischen Religionsunterrichts
(was der Untertitel noch eindeutiger sagen könnte); der
dezidiert theologische Ansatz aber macht dieses Buch auch fruchtbar

für die Diskussion der Fragen kirchlichen Unterrichts. Das Buch
leistet in der gegenwärtigen religionspädagogischen Diskussionslage
in dreifacher Hinsicht einen wichtigen Dienst:

Zum einen bietet es eine überaus informative Orientierung Für den,
der sich in der unübersichtlichen Diskussion zurechtzufinden versucht
. Er wird auch mit den Details so vertraut gemacht, daß er
dadurch neue Perspektiven gewinnt.

Das hängt damit zusammen, daß dieses Buch zum anderen eine
gelungene Systematik für ein so komplexes Problemfeld anbietet. Die
Für das Denken des Verfassers charakteristische Dialektik erlaubt es,
die unbefangene Wahrnehmung der Vielfalt der Probleme mit einer
sehr energischen theologischen Positionalität zu verbinden.

Dies aber ist zugleich die Voraussetzung dafür, daß das Buch auch
in einer dritten Hinsicht produktiv ist: Es führt die sehr kontrovers
geführte religionspädagogische Diskussion weiter - wenn auch nicht
zu einer Synthese, die alle Positionen neu vereinte, so doch in den
Rahmen eines wieder fruchtbar werdenden neuen Dialogs, in dem
niemandem das Wort abgeschnitten ist, aber auch nicht mehr der Eindruck
entstehen kann, daß alle umherirren wie Schafe und jeder nur
auf seinen Weg sieht.

Am Anfang steht die Erörterung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
des Religionsunterrichts in der Bundesrepublik, die
„international ohne Analogie" (26), in ihrer nach Ländern differenzierten
faktischen Ausgestaltung aber äußerst schwierig darzustellen
sind. Für den Verfasser liegt es biographisch nahe, die Unterschiede
an dem Gegensatz zwischen Baden-Württemberg und Hessen aufzuschlüsseln
; aber auch nördlich der Mainlinie finden sich gravierende
Gegensätze: Offensichtlich sind hier die unterschiedlichen theologischen
Traditionen der betroffenen Kirchen verfassungsrechtlich
prägend wirksam gewesen.

Wohltuend ist, daß die Darstellung über den in den frühen siebziger
Jahren etwas grobschlächtig ausgetragenen Gegensatz zwischen vehementen
Kritikern und des Klerikalismus verdächtigen Verteidigern
der grundgesetzlichen Regelung hinausführt. Die gesellschaftlichen
Veränderungen fordern auch im Sinne der Verfassung neue Konsequenzen
, die die Interessen derer besser schützen, die keiner oder einer
kleinen Religionsgemeinschaft angehören. Mir scheint in diesem
Zusammenhang freilich noch ein anderer Aspekt der Erwähnung
bedürftig: Das Verfassungsrecht, den Religionsunterricht „in Übereinstimmung
mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft" zu
erteilen, wird seine kritische Potenz offenbaren, wenn die Kirchen
noch nachdrücklicher ihre Grundsätze als Anlaß zur Kritik an ständig
wachsenden Rüstungsausgaben oder etwa an einer Wirtschaftspolitik
begreifen, die zu wachsender Verelendung in der Dritten Welt Führt.

Für das Folgende verschafft sich der Verfasser eine stabile Basis
durch die Betonung der „notwendigen Positionalität religiöser Erziehung
" (32fF); er zeigt die Fragwürdigkeit der unterschiedlichen Versuche
, den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen durch das vermeintlich
allgemein menschliche Bedürfnis nach Religion zu legitimieren
, denn bei nähcrem Zusehen „erweist sich die scheinbar unerschütterliche
anthropologische .Konstante' bereits als Produkt einer
idealistischen Anthropologie, die menschliches Bewußtsein auf individuelle
Sinnfindung verpflichtet" (32). Daß fachdidaktische Konzepte
weithin offene oder verdeckte Legitimationsversuche des schulischen
Religionsunterrichts waren, wird unter anderem auch an
einem Gutachten der Theologischen Fakultät Kiel von 1950 zur
„Evangelischen Unterweisung" belegt (3 lß; in der verallgemeinernden
These freilich, daß es sich bei Jeder der bekannten fachdidaktischen
Konzeptionen des Religionsunterrichts" (31) um einen solchen
Legitimationsversuch gehandelt habe, vermag ich einen biblischen
Unterricht, wie ihn in dieser Zeit etwa Gisela Kittel und ich
selbst vertreten haben, nun gerade nicht wiederzuerkennen.

In der folgenden Darstellung der unterschiedlichen konzeptionellen
Ansätze Findet sich (endlich einmal!) eine gerechtere Wertung der
Evangelischen Unterweisung, dann eine hochinteressante dialektische
Würdigung des hermeneulischen Religionsunterrichts, die in ihm