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Ausgabe:

1984

Spalte:

134-135

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Brenz, Johannes

Titel/Untertitel:

Die christologischen Schriften 1984

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 2

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überhaupt, .quidquid est', auf ein höchst Seiendes, .summum
omnium quae sunt'." (92).

Das Problem besteht in der Frage, ob Anselm nicht zu selbstverständlich
davon ausgeht, daß der Denknotwendigkeit (eine Einheit
alles Konkreten wie eine platonische Idee zu postulieren) eine Seinsnotwendigkeit
entspricht. K. vermerkt diesen Einwand, auch von
Kantischer Philosophie her („H. Kimmerle, Gottesbeweise,...: .Seit
Kant ist es nicht mehr möglich, die Ideenkausalität ohne Begründung
als selbstverständlich anzunehmen' 25"). Aber er rechtfertigt Anselm
von dessen Similitudo-Begriff aus, der das Denken als Abbild Gottes
und damit auch des Seins als Gottes Schöpfung versteht (128, 131:
»Das endliche Denken ist wesentlich .similitudo' zum höchsten
Sein"). Das besagt eine Art von Parallclismus zwischen Denkkategorien
und Seinskategorien (was Kant aber für den Bereich außerhalb
möglicher Erfahrungen bestritt. F.) und spricht Anselms ganzen
Denkoptimismus aus.

Auf das Problem der Wahrheit geht K. in Anlehnung an Anselms
Schrift De veritate ein. In dieser Schrift gilt das rechte und gerechte
Tun als Wahrheit und hat .Wahrheit' eine stark ethische Komponente
, ist überhaupt die .praktische Vernunft' das Thema.

3 Rationalität als Programm

Dieses Kapitel bespricht die theologischen Schriften Anselms und
skizziert Anselms Gotteslehre, Anthropologie (Willensfreiheit des
Menschen) sowie die Soteriologie anhand des Cur deus homo. Durchgängiger
Gesichtspunkt ist, zu zeigen, wie Anselm sein sola ratione
zum Prinzip seines Thcologisierens überhaupt erhebt.

Das stellt an der Gotteslehrc die Einheil Gottes heraus und läßt (im
RückgrilTauf das trinitätspsychologischc Modell Augustins) Gesichts-
Punkte finden, mit der Einheit Gottes seine Dreieinigkeit zusammenzudenken
. Kritik an Anselm wird nur in Anmerkungen angedeutet:
»F.Hammer, Genugtuung, 75: ...Die starre Einheitsstatik jenes
absolut welttranszendenten summum bonum schöpft auch nicht annähernd
die Fülle des biblischen Gottesbildcs aus. . . . Einerseits soll
mit logischer Notwendigkeit ein Gottesbild deduziert werden, das
aber andererseits möglichst viel (immer mit logischer Notwendigkeit
sich ergebendes) Christliches enthalten muß. Das Unternehmen geht

nach allen Seiten hin fehl____". Hierzu K.: „Vielleicht hat Anselm

dies aber selbst bemerkt und deshalb nach dem Monologion noch das
froslogion geschrieben (s. unten Kap. 5)." (169)

An der Besprechung des Cur deus homo fällt das Fehlen jeglicher
Kritik auf. Der Gedankengang wird nachgezeichnet, die Denknotwendigkeiten
- das Erwägen der Möglichkeiten (sola misericordia,
satisfactio aut poena) und das Ausschlicßungsverfahren - werden aufzeigt
. Das Prinzip sola ratione, remoto Christo wird wie am klassischen
Modell eindrücklich sichtbar. Aber die hundert Bedenken, die
dem heutigen Theologen nahe liegen, kommen nicht zur Sprache
(allerdings einiges davon - anhand Anselms eigener Reflexionen - im
5. Kapitel).

Das .Argumentum Proslogion

Hier wird der sog. ontologischc Gottesbeweis ausführlich bespro-
chen. K. schließt sich der Richtung an, die ihn bejaht und verteidigt;
freilich kann sich dieses Ja nur auf den philosophischen GottcsbegrifT
ei»es obersten Seins bzw. Gottes als Transzendenz beziehen und nicht
auf den neutestamentlichen GottesbegrifT (Gott als .Vater' Jesu
christi). Daß dieser mit der Formel et hoc es tu, domine deus noster
(prosl. 3) mitbewiesen sei, gesteht K. Anselm nun doch nicht zu, viel-
mchr notiert er an dieser Stelle ein „Ungenügen" (298f, vgl. 305, 323,
325).

Zur Verteidigung Anselms (auch gegen dessen Widersacher, den
Mönch Gaunilo) unterscheidet K. zweierlei Arten an Denken: ein
solches, welches bloßes Denken scharf vom Sein selbst unterscheidet,
Se'n und Denken trennt („kategorjales Denken"), und ein Denken,
das aus einer ursprünglichen Entsprechung von .Denken' und ,res
'Psac' (253) (auf Grund einer similitudo des Denkens mit dem Sein

Gottes), kurz: aus einer Einheit von Sein und Denken (270) stammt.
Aber einzig am Begriff Gottes als id quo maius cogitari nequit gelingt
diesem sog. „tranzendierendem Denken" der Schritt vom esse in solo
intellectu auf das esse et in re dieses Begriffes. In gewisser Weise verkörpern
Kant und Hegel die beiden Standpunkte an Denken, wenn
mit dem Stichwort .Hegel' (das bei K. nicht lallt) an eine solche Konzeption
gedacht ist, wonach das Sein seinerseits sieh zu denken gibt
(251,254,284).

5 Glauben und Denken

An den beiden Schwerpunkten von Anselms Werk: dem Proslogion
(ontologischer Gottesbeweis) und dem Cur deus homo wird - abrundend
-die „Einheit und Doppelheit" (300) von Glauben und Denken
gezeigt. Im Proslogion sind es die weiteren Kapitel nach den Anfangskapiteln
, anhand derer vorgeführt wird, wie Anselm nach seinem
.ontologischen Argument' bestrebt ist, den GottesbegrifT zu konkretisieren
, dem philosophischen GipfelbegrifT die Züge des biblisch
geglaubten Herrn und barmherzigen Vaters hinzuzufügen, den
„Überschuß" des Glaubens in den vom Denken erschlossenen Gott
hineinzunehmen. Es sind die Vorgaben des Glaubens, die nun sichtbar
werden, in die aber das Denken einstimmt, besonders indem es die
Struktur des komparativen quo maius variiert: quo melius, quo
iustius, quo potentius (cogitari nequit). „In der .misericordia dei'
kommt dem Denken der bleibend .größere' Gott entgegen." (331)

In einer erneuten Durchmusterung des Cur deus homo wird der
„Überschuß des Glaubens" (3 50) über das Denken herausgestellt. Das
Denken führt nur „zu einer Notwendigkeit. .., wie Erlösung in sich
geschehen muß. um vernünftig zu sein" (364), nicht zur Tatsächlich-
keit der Erlösung in Jesus Christus. Das Denken stößt dahin vor, „daß,
wenn Erlösung durch Gott je geschieht, Gott in sich die Möglichkeit
haben muß, als wahrer Gott und wahrer Mensch sein zu können"
(375). Aber die Tatsäehliehkeit dessen ist das unableitbare maius des
Glaubens.

6 „Concordia" - Der Beitrag Anselms zu einer Religionsphilo-
tophie

Gegen das mögliche Mißverständnis, „als ob es in Anselms Gottes-
und Erlösungslehre darum ginge, die Inhalte des Glaubens aus den
.Notwendigkeiten' des Denkens zu konstruieren", wird als eigentliches
Ziel Anselms herausgestellt „die plausible und rationale Entsprechung
dieser Glaubensvorgabe im Denken" (393). Es sind die
Begriffe iustitia dei und misericordia dei, die Denken und Glauben
repräsentieren und die in eine concordia gebracht zu haben Anselms
Beitrag zu einer Religionsphilosophie darstellt. -

Das Werk Kienzlers reiht sich ein in die Anselm als Klassiker verehrende
Anselmliteratur. Die Sachkritik der protestantischen Dog-
matik und Dogmengeschichte (Harnack: .Anselm denkt wie ein
kluges Kind'), aber auch eines Thomas von Aquino, bleibt außerhalb
der Betrachtung. Aber innerhalb seines Blickwinkels gebührt Kienzlers
Buch sicher ein hervorragender Rang in der Amselmforschung.
Herlin Hans-Georg Fritzsche

Brenz, Johannes: Die christologischen Schriften, 1. Hrsg. v.
Th. Mahlmann. Tübingen: Mohr 1981. XXII, 525 S„ 5 Taf. gr. 8' =
Brenz Werke, Studienausgabe. Lw DM 265,-.

Nachdem Martin Brecht schon auf dem Wiener Theologentag 1966
mitgeteilt hatte: „In Arbeit sind die wichtigen christologischen Spätschriften
" (ThLZ 92, 1967Sp. 332), erschien nun 1981 der erste Band
der auf drei Bände berechneten christologischen Schriften Brenzens
im Rahmen der von M. Brecht und G. Schäfer herausgegebenen Ausgabe
. Der Bearbeiter Theodor Mahlmann bezeichnet seine Arbeit
selbst als „Nebenaufgabe eines historisch engagierten Systematikers"
(S. VIII).

Der erste Band enthält drei nach 1561 entstandene christologische