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1984

Kategorie:

Judaistik

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115

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 2

I 16

len bei antiken Autoren, und zwar einschließlich der Sachparallelen
in der rabbinischen Literatur" (174).

Jeder, der sich mit Josephus beschäftigt, wird dem Autor dafür
dankbar sein, daß er die Wirkungsgeschichte des Josephus samt den
hier erkennbaren Tendenzen untersucht hat und daß er in Auseinandersetzung
mit den Prinzipien der letzten Joscphusausgabcn zu gut
begründeten Ergebnissen hinsichtlich der Wertung der Zcugcn-
gruppen und der Prinzipien der Examinatio gelangt ist. Die Joscphus-
forschung wird sich darum künftig verstärkt der Erforschung des
Sprachgebrauchs dieses jüdischen Schriftstellers zuwenden müssen,
um in möglichst gesicherter Weise Textverderbnisse festzustellen und
zu überwinden. Da leider „eine grundsätzlich neue Kollation der
gesamten Überlieferung als Basis einer umfassenden Rccensio und
Examinatio nicht in Sicht" ist (71), wird Nieses Joscphus-Ausgabe
weiter benutzt werden müssen, allerdings unter Berücksichtigung der
kritischen Hinweise von S., die fortan zu beachten sind.

Berlin Günther Baumbach

Baumann, Arnulf H.: Was jeder vom Judentum wissen muß. Im Auftrag des
Arbeitskreises Kirche und Judentum der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen
Kirche Deutsehlands und des Deutschen Nationalkomitces des Lutherischen
Weltbundes hrsg. Gütersloh: Gütersloher VcrlagshausGerd Mohn 1983. 206 S.
8'=GTB/Siebenstern 1063. Kart. DM 12.80.

Grote, Heiner: Luther und die Juden (MdKI 34,1983 S. 63-68).

Jacob, Edmond: Le dialogue judeo-chretien d'apres quelques etudes recentes
IRHPhR 63.198.3 S. 311-322).

Kusche. Ulrich: Das Verständnis des Judentums in der neueren alttcstamcnt-
lichen Forschung(Diss. thcol. Heidelberg 1983).

Lapide, Pinchas: Ist das nicht Josephs Sohn? Jesus im heutigen Judentum.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 198.3. 167 S. 8'* = GTB/Sic-
benstern 1408. DM9,80.

Neues Testament

I rilling. Wolfgang: Mit Paulus im Gespräch. Das Lebenswerk des
großen Völkerapostels-cinc Hinlübrung. Graz-Wien-Köln: Styria
1983. 176 S. 8". Kart. ÖS 178.-.

Trilling versucht, das nicht zu tun, was die Flut theologischer
Bücher oft tut, „das erregendste Buch, die Bibel, zum langweiligsten
aller Bücher zu machen", sondern „ein Gespräch mit ihm (Paulus)
anzuknüpfen" (S. 90 und ihn sich selbst und dann Lesern ohne
theologische Vorbildung liebzumachen. Hindernd sind nicht nur
schwierige, verkrampfte Passagen - neben großartigen, beschwingten
-, beißende Polemik neben warmer Herzlichkeit, emotional verständliche
Sätze über seine Christuszugehörigkeit neben rabbinischen
Tüfteleien, nicht nur uns fremde Begrifflichkeit („Fleisch"), sondern
auch die Zähmung des Paulus in kirchliche Lehrsystemc, die den
Dcuteropaulinen ([Kol, 2Thess?] Eph, Past) näher stehen als dem
Apostel selbst (13-37). Entscheidend ist das Damaskuserlebnis, der
Bruch im Leben des Paulus, damit aber auch in der Geschichte überhaupt
. Auferstehung, erst für die Endzeit erhofft, gab es ja nicht vorher
. Klarer als die Apostelgeschichte, die keine Gleichstellung mit
dem den Zwölfen Widerfahrenen suggerieren will, spricht Paulus vom
..Sehen des Herrn" selbst. Es ist also der himmlische, nicht der irdische
Herr, der ihm die „neue Gerechtigkeit", den neuen „Lebensentwurf
" schenkt (38-55). Das ist „prinzipielle Veränderung für das
Ganze", „Zeitenwende", freilich so, daß die neue Welt mitten in der
alten lebt (56-63). Verständlich wird das, wenn man an so etwas wie
eine „Überperson" denkt, in die die Menschheit wie „eine kollektive
Person" eingeschlossen ist. Daß „geistige .Großmächte'... eine Art
Eigenleben entwickeln" und ganze Völker bestimmen können, wissen

wir; bei den biblischen Begriffen Tod und Sünde (z. B. Haß, Feindbilder
) läßt sich das auch nachempfinden. Freilich ist auf der positiven
Seite, in Christus, immerein „Noch viel mehr" festzustellen, weil sein
Leben unter dem Gesetz (Gal 4,4) von Anfang an ein „Leben für . .."
war, das von der Versklavung unter das Gesetz (modern kann die
„Nötigung, in einem sinnlosen Krieg dennoch .gehorsam' seinen
Dienst zu tun", eine Empfindung dafür vermitteln) befreit (64-85).
Jesu Tod am „Schandpfahl" ist nicht nur ein Beispiel dafür, daß
einem Menschen sein Sterben „gelingt". Was es bedeutet, kann Paulus
in sehr verschiedenen Modellen beschreiben. Nur Paulus betont
das Kreuz theologisch (86-91). War für das Judentum Gott der, der
die Toten erweckt, so weiß Paulus, daß Gott dies an Jesus schon getan
hat (22mal neben I mal „auferstehen") und daß er selbst in Todesnot
auf diesen Gott hoffen darf (2Kor 1.9). Konsequent stellt er, wohl aufgrund
der Tradition, Tod und Auferstehung Jesu (verbal nur
!Thess4,14: „gestorben und auferstanden") zusammen. Daß dabei
weder „Kreuz" noch „kreuzigen" erscheint, zeigt, daß Paulus davon
nur im polemischen Kontext spricht (92-106). Beim Thema der Gerechtigkeit
Gottes, das, wenn nicht wörtlich, so doch sachlich, alle
Paul usbriefe bestimmt, „wundern wir uns, daß es darüber hat zu solchem
Streit kommen können", weil darin „heute evangelische und
katholische Paulusdeutung wieder übereinkommen" (116, 124). Wie
im AT ist Gottes Heilsschatfen gemeint, das aber selbstverständlich
Früchte trägt, und zwar „von vornherein in einem universalen, endzeitlichen
, weltumgreifenden Horizont" (107-128). Die Zukunft, die
schon begonnen hat, zeigt sich im Geist, der das „Prinzip" der neuen
„Ethik" ist, die durchaus „deutliche Inhalte, Gebote und Verbote"
einschließt, aber dazu führt, daß wir „uns auch untereinander (auch in
der Kirche!) als .Freie' behandeln können" (139, 134); doch wartet
hier noch viel auf Entdeckung (129-145). „Der Tod Jesu wurde schon
auf eine Gemeinde hingestorben" (147), die also nicht erst die Summe
vieler Einzelner ist. Darum ist die Vorstellung vom Sein-in-ChristuS
für Paulus so zentral (146-153). Gelegentlich erscheint dafür die
Bezeichnung „Leib Christi". In der Eucharistie wird die Gemeinde in
den „Leib Christi", d. h. in seine Selbsthingabe und damit „in eine
Bewegung hingebenden Dienens für die anderen hincingenommen.
. . . nicht als Abschlicßung . . . von den anderen, sondern als Aulschließung
fiir sie!" (162). Eine Ekklesiologie des Leibes Christf wird
erst in Kol und Eph entfaltet (154-162). Im Geist wird Jesu Tod und
Leben in uns gegenwärtig, so daß selbst Leiden Lebensmehrung, ja
Freude bringen können (163-173).

Natürlich bleiben viele Probleme offen, und vielleicht zeigt es dem
Freund, wie beteiligt ich sein Buch gelesen habe, wenn ich meine
Fragen nenne. Bei der „Gerechtigkeit Gottes" kommt es darauf an, ob
man mit Bultmann oder Käsemann, mit G. Klein oder U. Wilckcns
interpretiert, wobei die Frage, wie individuelles Heil und „weltumgreifender
Horizont" (127) zusammengehören, sehr schwierig ist.
Übrigens meine ich, daß I Kor 7,21 schon der Aoristform und der
sonst unbelegtcn Bedeutung des Vcrbums „gebrauchen" wegen den
Sklaven auffordert, die Freilassung anzunehmen, wenn sie möglich
wird (gegen S. 156). Und kann man die These „Glaube allein" nur als
„Anfang des Hcilscmpfangs" verstehen (115)? Gerade der „Glaube,
der in der Liebe wirksam ist" (131), bleibt doch „Glaube allein". So
sehr ich damit einverstanden bin. daß man nicht nur mit Hirn und
Herzen glaubt, sondern auch mit Händen und Füßen, hängt doch alles
daran, daß das neue Leben des Glaubens eine Einheit bildet, die eine
„Frucht des Geistes", wie Gal 5,22 sehr betont formuliert (und eben
nicht „Früchte", wie S. 137 falsch zitiert wird, vgl. 131). Dann ist der
Glaube aber nicht nur „Fundament", sondern umschließt all unsere
Lebensäußerungen, auch unser Versagen. Ich meine darum auch, daß
sich die Auseinandersetzung mit dem Gesetz durchaus emotional
nachempfinden läßt (gegen S. 32), weil uns moralische, „christliche"
Gesetzlichkeit tief in den Knochen steckt. Ob Paulus wirklich voraussetzt
, daß keiner das Gesetz vollkommen erfüllen kann, ist mir neben
Phil 3.6 fraglich. Kann man die spezifisch paulinischc Rede vom
Kreuz nur als Solidarität mit den Niedrigen (9()f) verstehen, ohne