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Ausgabe:

1984

Spalte:

914-917

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Herausgefordert durch die Armen 1984

Rezensent:

Althausen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 12

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Sinnfrage angesichts des Sterbens erhoben wird, so wenig überzeugt
doch, wie problemlos das Postulat angeschlossen wird, daß Sinn auf
Heil tendiert und daß mit der Frage nach dem Tod die Frage nach
Gott gestellt ist. Freilich meint auch Klein, daß Heil mehr als Sinn
universal ausgerichtet und einen übernatürlichen Bezug hat. Aber ist
das Heil lediglich quantitativ mehr als Sinn? Indem die „Reziprozität
der Todes- und Gottesfrage" festgestellt wird, muß der Theologe Auskunft
über seinen besonderen theologischen Beitrag geben. Klein sieht
ihn richtig in der „hoffnungsvollen Annahme und Verkündigung
dieser offenbarten Heilszusage". Es fehlt aber jeder Hinweis darauf,
was dieser Zuspruch anderes enthält als was der Mensch aus sich heraus
durch sein Fragen und Suchen findet.

Dies nun ausgerechnet angesichts des Sterbens herauszufinden fällt
freilich sehr schwer. Es ist ja keineswegs zufällig, daß die Theologie
wohl dem Tod als dogmatisches Problem, aber weniger dem Sterben
als existentieller Herausforderung ihre Aufmerksamkeit gewidmet
hat. Zwischen der Einsicht, nicht über den Tod reden zu können und
der Notwendigkeit, über ihn sprechen zu müssen, sieht auch Klein
seine Aufgabe darin, „in diesem zentralen Ereignis des Lebens Gott
zur Sprache zu bringen". Im Horizont des christlichen Glaubens
bedeutet dies zu erkennen, wie im Heilsereignis des Todes Jesu als der
-Tod" Gottes der Tod selbst verwandelt wird.

Dies wird im 2. Hauptteil der Arbeit näher beschrieben. Zwar bleibt
das Sterben natürliches Ereignis in der Schöpfungsordnung. Es ist aber
zugleich der unnatürliche Abbruch des Lebens. Der neue Tod, der
-Christustod", der Opfer- und Liebestod für den Vater ist dagegen
•ein Gottescreignis, das den Tod verwandelt" (R. Pesch). Es nimmt
dem Tod seinen Schrecken, erlöst nicht vom Tod, aber im Tod.
Daraus ergibt sich auch eine verwandelte Beurteilung des Sterbens für
den Glaubenden: „Es ist ein Sterben, das nicht im Tod endet, sondern
Trost, Freude und Leben mit sich bringt..."

■ n einer umfassenden neutestamentlichen Erkundung stellt Klein
Christliches Sterben als Mitsterben mit Christus dar. Der evangelische
Leser kann lediglich dem additiven Denken in der Sakramcntslehre
nicht folgen: „Weil jedes Sakrament vom Kreuz des Herrn lebt, wird
der in der Taufe gegen das vergängliche Leben geführte Todesstoß
auch in jedem Sakrament vorangetrieben und verstärkt." Hinzu
kommt, daß gar dem Tod des Christen selbst sakramentale Bedeutung
gegeben wird, wenn Klein schreibt: „Was in der Taufe begonnen, in
den übrigen Sakramenten weitergeführt wird und in den Leiden des
Lebens in den Raum der Geschichte vorstößt, kann dann im leib-
bchen Tod zu seiner letzten Entfaltung und Erfüllung gebracht werden
zur konzentrierten, höchst möglichen Partizipation am Todes-
Lciden Christi."

Nach der Verbindung zwischen Sterben Christi und dem Sterben
des Glaubenden wird die Überwindung des Todes in der Auferstehung
Christi in ihrer Konsequenz für das Sterben der Glaubenden dargestellt
. Die sich daraus ergebende Hoffnung versteht Klein als Bestätigung
des in jedem Menschen angelegten Verlangens nach einer
Zukunft über den Tod hinaus.

Zwischen griechisch-philosophischer Unsterblichkeitsvorstellung
und biblischer Hoffnung auf Neuschöpfung des ganzen Menschen
möchte Klein im Gefolge von Ratzinger vermitteln und die Alternative
auflösen, „um das Tiefere, Gemeinsame und Eigentliche dahinter
zu finden". Man spürt, wie die Spekulation eine bestimmte Tradition
retten soll, die man auch im katholischen Bereich schon überwunden
Raubte. So wird eine „christliche Seelenunsterblichkeit im Korrektiv
der biblischen Auferstehung des Fleisches" behauptet. Daraus folgt
die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung des Fleisches.
F ragt man, worin dann das Besondere christlicher Hoffnung besteht,
50 bekommt man die Antwort: „in der Zuversicht des Stärkerseins der
Liebe gegenüber dem Tod". Allerdings meint Klein hier nicht die
aus dem Tod rettende Liebe Gottes, sondern das, „was der Mensch in
Liebe getan hat und im Tod mit seiner Person zu Gott heimbringt".
Damit ist der Grund christlicher Hoffnung von Christus weg verlegt
auf das, was der Glaubende getan hat. Dies wird in der Auferstehung

„verendgültigt und vollendet". Für das wirklich neumachende
Handeln Gottes bleibt bei solchem Denken kein Platz. Alles ist auf
Vollendung des schon vom Menschen Getanen aus. Es ist nach allem
nicht einleuchtend, wie Klein am Schluß das im Tod anbrechende
eschatologische Leben doch noch als „Ergebnis der Neuschöpfung
Gottes" bestimmt.

Der 3. Hauptteil nimmt Semmelroths Frage auf: „Wird der Tod
erlitten oder getan?" Klein beschreibt christliches Sterben als
Daseinserfahrung, die der Mensch aktiv handelnd und passiv erleidend
macht. Wie Passivität und Aktivität sich im Sterben verhalten,
ist nur konkret zu entscheiden. Die These von L. Boros. wonach dem
Sterben „als Tat und Entscheidung des Menschen" eine besondere
religiöse Bedeutung zukommt, wird kritisch aufgenommen. Klein
sieht „Sterben als Vollendung christlicher Lebensverwirklichung"
und den Tod „als das auferlegte Werk der eigenen Freiheit". Diese
Freiheit erweist der Mensch darin, wie er stirbt und ob er im Sterben
Glaube, Hoffnung und Liebe bewährt.

Das letzte Kapitel „Vorbereitung auf das eigene Sterben" hat seelsorgerliche
Züge. Es will Mut machen, sich der Wirklichkeit des
eigenen Sterbens zu stellen, um die „ars moriendi" wieder einzuüben.
Der Tod soll hier als Pforte zur Ewigkeit, das Leben nicht als „Sein
zum Tode", sondern als „Sein aus dem Tode" verstanden werden. Die
Kunst des Sterbens ist nicht so sehr im Blick auf den Tod als vielmehr
vom Leben herzu betreiben. Die Kunst des Lebens und die Kunst des
Sterbens sind für Klein aufeinander zu beziehen. Deshalb faßt er die
Aufgabe richtig so zusammen: „Jede Sterbehilfe meint deshalb zuerst
und zunächst Lebenshilfe, eine Hilfe, das Leben zu leben und es zu
vollenden; und Sterben lernen heißt aus dem gleichen Grunde zutiefst
und wesentlich leben lernen."

Das Buch von Wolfgang Klein ist trotz oder gerade wegen der aufgezeigten
sachlichen Kontroversen mit Gewinn zu lesen. Den seelsorgerlichen
Teil wünschte man sich noch praxisbezogener. Neben der
umfänglich verarbeiteten theologischen Literatur wäre eine Berücksichtigung
der modernen belletristischen Literatur noch ergiebig
gewesen. Doch ist die theologische Auseinandersetzung mit den dort
begegnenden Schilderungen des Sterbens der Fachwelt noch als
besonders zu erarbeitendes Thema zu empfehlen.

Halle (Saale) Reinhard Turre

Ökumenik: Allgemeines

Herausgefordert durch die Armen. Dokumente der Ökumenischen
Vereinigung von Dritte-Welt-Theologen 1976-1983. Freiburg-
Basel-Wicn: Herder 1983. 189 S. 8-= Theologie der Dritten Welt,
4. Kart. DM 29,80.

Schöpfer, Hans: Theologie an der Basis. Dokumente und Kommentare
zum theologischen Nord-Sud-Dialog. Regensburg: Pustet
1983. 100 S. 8°. Kart. DM 12,80.

Dritte-Welt-Theologie will ein Sammelbegriff sein. Theologische
Reflexionen der Situation in den südlichen Kontinenten hat es dort
gegeben, solange und wo immer das Christentum angenommen und
verkündigt wurde. Die Missionsgeschichte hat es oft verdeckt. Als
aber die Kirchen um 1960 unabhängig wurden und ein zügiger Aufbau
auch unabhängiger theologischer Institute einsetzte, kamen neue
Entwicklungen ans Tageslicht. Erste Kongresse über kirchenhistorische
und aktuell theologische Fragestellungen fanden noch in den
sechziger Jahren statt. Diedorf beteiligten Männer und Frauen hatten
ihre theologische Bildung natürlich vor i960 empfangen. Jetzt ist eine
neue Generation herangewachsen. Seit 1975 hat sie begonnen, internationale
Konferenzen durchzuführen. Schwarze Theologie, lateinamerikanische
Befreiungstheologie und die im Dialog mit asiatischen
Religionen geprüften theologischen Bemühungen entdeckten