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Ausgabe:

1984

Spalte:

906-908

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

VanRoo, William A.

Titel/Untertitel:

Basics of a Roman catholic theology 1984

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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905 Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 12

tion zu überführen, also zunächst Theologie-Kritik zu treiben. Die
Prüfung der christlichen Tradition auf ihre mögliche Funktion als
Lebensorientierung hin geschieht ausschließlich im Medium menschlicher
Wahrheitsfähigkeit: „Mikrologie will gefährliche Erinnerungen
wachhalten und setzt auf Überraschungen." (9) Die „im Alltag der
Leute" beheimatete mikrologische Denkweise widersetzt sich sowohl
dem Nihilismus als auch den Spielarten des Positivismus, indem sie
als Anwältin der „Revolte der Individualität des Menschen und der
Dinge gegen das Totale" ihrerseits das „Nicht-Identische des
logischen Denkens" gegen die makrologischen = totalisiercnden Vcr-
einnahmungstendenzen bedenkt. „Mikrologie" war in der Romantik
„die Theorie der kleinen Leute", der auch Vormärzler wie Heine oder
auch Jean Paul anhingen (und gleichzeitig ein Schimpfwort für
wissenschaftliche Klcinkrämcrei). Sie verfährt deiktisch; sie spricht
off in Anmerkungen; sie spielt, gezwungenermaßen, die Makrologien
kritisch aus; sie konstruiert nicht, sondern orientiert wandernd und
verfährt nach-dogmatisch. Sie kritisiert die beiden gängigen Theolo-
Üctypcn des immunisierenden OlTenbarungspositivismus (etwa
Luthers oder bei G. Sautcr) und der analogisch-dialektisch vermittelnden
Zwei-Stufcn-Theologie speziell des katholischen Natur-
Gnade/ Wissen-Glauben-Schemas (exemplifiziert an W. Pannenbergs
universaler Geschichtshcrmcneutik und H. Pcukerts Kommunikationstheorie
). Wie aber setzt Mikrologie an?

Die wissenschaftstheoretischen Diskussionen haben ergeben, „daß
aus Vorgegebenem keine Sinnvorgaben abgeleitet werden können.
• • • Sinngebung ist ganz das Geschäft des Menschen . . . Dieses Ent-
werfen-Müssen ist die einzige Vorgegebenheit" (14). Und diese Vorgegebenheit
steht in einer geschichtlich einmaligen „negativen Totalität
", nämlich: „Der mögliche Zusammenbruch unserer Weltwirklichkeitaufgrund
ihrer Zerstörung durch den Menschen" (16). Mikrologie
setzt den „Sinn", „das in seiner Sinnhaftigkeit nicht eindeutige
menschliche Leben zu retten". „An dieser konkretisiertesten Hoffnung
, die nicht auf Transzendenz (ob immanenter oder transzendenter
Konvenienz), sondern nur aufs Überleben des - noch immer
mühseligen - menschlichen Lebens setzt, ist für jeden sinnvolles
Handeln mikrologisch erschließbar" (34). Diese „Aporie" also ist der
Inhalt und die Wahrheit mikrologischer Theologie.

Diese aporetische Situation überspringen Theologen wie Sauter.
Pannenberg und auch Pcukert durch einen „sich makrologisch auf-
lührendcn OlTenbarungspositivismus" (17), indem sie auf das intersubjektive
Konsensusgeschehen der religiösen/theologischen Lebensorientierung
eine außermenschliche Bewahrheitungsinstanz gleichsam
draufsetzen: bei Sauter „Rechtfertigung und Verheißung" (44IT),
bei Pannenberg die ..Sinntotalität der Gesamtwirklichkeit" {53fT) und
m Peukerts kommunikativer Handlungstheoric „das Bekenntnis der
AuferweckungJesu"(l02).

Im Gefolge Peukerts entwirft Vf. eine mikrologischc Gottcs-Lehre:
„•Gotf wäre dann die Wirklichkeit, die wir uns gegenseitig zumuten
und zwar deshalb, weil wir Menschen sind und zugleich doch auch
erst werden, dies aber immer in Mitmcnschlichkcif'. Und als mikrologische
Jesulogie: „Mit seiner Botschaft .Gotf als Mitmenschlichkeit
sich gegenseitig zuzumuten, d. h. mit seinem Versuch, .Reich Gottes"
a's Mitmenschlichkeit zu leben, ist Jesus durch das Versagen der
Kommunikation seitens seiner Mitmenschen gescheitert" (99). Hatte
Jesus Gott für seine Mitmenschen als deren Retter zum Leben
behauptet, so stellt sich die Frage, wie Gott für den unschuldig sterbenden
Jesus in dessen Tod behauptet werden kann! „In der Aufer-
weekung wird Jesus als der. der für die anderen bis zum Tod existierte
and für sie Gott als die reitende Wirklichkeit setzte, endgültig gerettet
und bestätigt.

Die Erfahrung der Auferweckung Jesu bedeutet für die anderen nun
d>e Eröffnung der Möglichkeit, im Rückgrilfauf seinen Tod und seine
Auferstehung ihrerseits auf Gott in Solidarität zu existieren"
Hl Pcukert). Zerbricht hier nicht die Kommunikationstheorie an der
Erfahrung der anamnetischen Solidarität der Glaubenden mit Jesus
;|L dem Christus? Nach Pcukert ja. weil der Tod der Kommunika-

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tionspartner deren Kommunikation in Frage stellt: nein, weil reale
Kommunikation (im Vorgriff auf die ideale Kommunikationsgemeinschaft
als „Reich Gottes") „mehr" als ihren faktischen Vollzug,
nämlich über Zeit und Tod Hinausreichendes enthält (1071) das aber
lt. Vf. gegen Peukert nicht als eine „selbständige" .wirkende" Wirklichkeit
" gefaßt werden kann (was nämlich einen Rückfall in Anselms
makrologisch-ontologisehen Gottesbeweis auf der Ebene der Schlußfolgerung
vom Glauben über den Glaubensinhalt zur Existenz Gottes
„an sich"" bedeuten würde). Vf. wirft Peukert eine makrologische
Deutung von Solidarität vor. weil Peukert in der Solidarität mit dem
Sterbenden über das Eingcdenken hinaus diesen im Tod nicht vernichtet
sein läßt unter Berufung auf die Auferweckung Jesu durch
Gott. Vf. macht dies nochmals klar am Phänomen des „eschatologi-
schen Vorbehaltes'" (daß nämlich innerweltliche .Vollkommenheiten"
nicht erreichbar sind): Nimmt man die ideale Kommunikationsgemeinschaft
(als regulative Idee bei Habermas/Apel) generell als universale
Idee an, dann wird diese makrologisch ontologisiert - während
doch schon eine einzige (mikrologische) Bestätigung dieser Option
einer Kontingenten Humanität deren Notwendigkeit anzeigen würde
(=mikrologischcr Vorbehalt; I 141). Nur so wird die Option nach dem
Überleben der Menschheit eindeutig (I 15).

Einige Anfragen: Wir teilen die mikrologische Konzentration der
Theologie auf das Leben und Zusammenleben (übrigens auch Sauler
in seiner Rücknahme von Sinn auf kontingente Lebenserfahrungen
und Pannenberg im Ansatz seiner Anthropologie), sehen aber noch
nicht klar, wie das „Eingedcnken der Ahnen und Nachkommen"" als
Kommunikationsgemeinschaft der „Glaubenden" gleichsam ausreicht
. Wir teilen den Anspruch, Theologie in unserer globalen Überlebenskrise
als Lebensorientierung zu formulieren, aber wir vermögen
nicht mehr klar die wirksame Relevanz christlicher Inhalte in der
Mikrologie zu sehen (etwa der Jesulogie; 17/97). Und schließlich:
Lassen sich makrologische Strukturen nicht als regulative Ideen dialektisch
zu mikrologischen Elementen entwerfen, damit Theologie
nicht die Option auf Universalisierung der Überlebensforderung verliert
(ohne diese ontologisieren zu müssen)? Zusammen mit diesen
Anfragen wünschen wir diesem Beitrag mikrologischer Theologie
viele kritisch-aufmerksame Leser.

Rehbunj-Loccum Uwe Gerber

Roo. William A. van: Basics of a Roman Cafholic Theology. Rom:
Grcgorian University Press 1982. 387 S. gr. 8" = Analecta Grego-
riana. 226. Scries Facultatis Theologiae: Sectio B, n. 75. Kart
L 21.000.

Die Aufgabenstellung, die dieses Buch verfolgt, ist auf der einen
Seite bescheidener, auf der anderen aber wiederum durchaus umfassender
, als es der Titel erwarten läßt. Es geht dem Autor nämlich -
und das ist die eine Seite - nicht um einen konfessionellen Entwurf
von Theologie, sondern, wie er im Vorwort betont, um eine durchaus
allgemeine Konzeption "ofwhat theology is". Nur sieht ersieh bei der
Verwirklichung dieses Vorhabens - und das ist nun die andere Seite -
von vornherein praktisch begrenzt. Denn: Was ist das. Theologie?
"As I understand it. theology is the elfort to understand within a lifc of
faith." Etwas sehr eigenes also. Aber wie das Allgemeine, so ist auch
die persönliche Erfahrung nicht ohne ihren konkreten Kontext zu
sehen. Und so bekennt der Verlässer: "I can witness authentically
only to experience within my own Community of believers. and rcflcel
meaninglülly only on theology as it is conditioned by lifc in that
settmg." (alle Zitate S. 9) Und deshalb dieser Titel, im Ernstnehmen
der Möglichkeiten - Theologie kann nur konkret erfahren und getrieben
werden - und doch prinzipiell darüber hinausweisend, "lär from
an arrogant Suggestion that only Roman Catholic theology counts"
(ebd.) Insofern ist von vornherein auch eine ökumenische Option im
Spiel. Und nebenbei bemerkt sind damit ebenfalls schon die Haupt-