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Ausgabe:

1984

Spalte:

898-899

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Die evangelische Bewegung in den geistlichen Landesherrschaften und den Bischofsstädten Westfalens bis zum Augsburger Religionsfrieden 1984

Rezensent:

Neuser, Wilhelm H.

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Theologische Lileraturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 12

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schalt erhalt. Aus den historischen Ereignissen der Lutherzeit wurden
besondere Fakten notiert, soweit sie nicht schon im POR, im Personen
- und Ortsregister, erfaßt wurden - also auch in diesem Fall muß
wieder an mehreren Stellen nachgesehen werden. Aus der Naturwissenschaft
wurden Notizen über die naturwissenschaftlichen Vorstellungen
der Zeit. Nachrichten über Naturereignisse oder Naturkatastrophen
, über Acker- und Gartenbau. Tiere und Pflanzen und aus
der Philosophie und Wissenschaftsgeschichte verschiedene Probleme
der Logik, der Hermeneutik, der Universitäts- und Sehulgeschichtc
aufgenommen. Rechtssprachliche Wendungen und Rechtsformcn,
Rechtsgrundsätze wie auch einzelne Rechtsfälle aus dem Strafrecht
oder dem Eherecht werden unter ihrem Rechtsaspekt aufgeschlüsselt,
wie auch aus dem Bereich von Staat und Politik Fragen der Staatsgestaltung
und Staatsverwaltung. Gutachten zur Frage von Krieg und
Frieden. Stellung zur Obrigkeit und zum Widerstandsrecht, Verwaltung
von Kirchengütern usw. Es ist bedauerlich, daß Hinweise auf die
sozialen Verhältnisse, etwa die Hintergründe des Bauernkrieges, sich
nicht in eigenen Stichwörtern ausdrücken. Wenn auch etwa Wucherei
oder Wueherwescn erfaßt wird, so vermißt man doch etwa ein Stichwort
Soziales, soziale Frage o. ä. Hier merkt man die Bejahrtheit der
Konzeption des Registers; neuere Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft
, die heute immer mehr für einen Luthcrlbrschcr zum unabdingbaren
Rüstzeug werden, nämlich Luther nicht nur durch die theologische
Brille zu sehen, werden nicht beachtet. Allerdings werden
Notizen über Zinswesen, Teuerungen. Kauf und Verkauf. Besoldungsfragen
, wenn auch nicht als eigene Stichwörter, aufgenommen
.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß als Stichwörter nicht nur Wörter
benutzt werden konnten, die Luther selbst gebraucht hat. Es wurden
Stichwörter künstlich gebildet, wenn zwar nicht das Wort, aber doch
der Sachverhalt im Text vorkommt. Dadurch entstanden moderne
Begriffe wie etwa Zwei-Reiche-Lehre, Naturereignisse. Homiletik
usw.. die Luther nicht kannte bzw. nicht gebildet hat. Sie wurden
jeweils durch ein Sternchen gekennzeichnet, so daß sie sofort irrtums-
frei als nichtluthersch identifiziert werden können. Auch lexikalisch
unterschiedliche Formen sind als selbständige Stichwörter aufgenommen
, falls nicht ihre zu geringe Belegzahl eine Zusammenfassung
erforderte.

bei den einzelnen Artikeln werden nun lateinische und deutsche
Stichwörter alphabetisch ohne Beachtung der Umlaute gebildet. In
manchen Fällen wurden auch durch die Zusammenfassung mehrerer
Stichwörter unter einem Leitstichwort, das halbfett gedruckt ist,
besondere Artikel gebildet. So findet sich z. B. unter absolutio auch
absolverc. Absolution, Lossprechung, lossprechen, wobei man dann
allerdings Verweise darauf unter lossprechen bzw. Lossprechung -
°as Stichwort taucht unter dem Buchstaben Lgar nicht auf- vergeb-
•ich sucht.

Bei der Artikelbildung wird dann unterschieden zwischen kenntlich
gemachter Subsumtion und nicht weiter gekennzeichneter Subsumtion
, wozu etwa verbale Ableitungen gehören, die unter dem ersten
Stichwort eingeordnet sind. So findet sich z. B. argwöhnen unter dem
Stichwort .Argwohn'.

Die einzelnen Artikel unterscheiden sich durch ihren Umfang und
me inneren Beziehungen des unter einem Leitstichwort gegebenen
Belcgstellenmaterial (S. XIII). Dem Leitstichwort folgen die ihm
zugeordneten Stichwörter und Verweisungen, danach das Belegmaterial
. Umfangreichere Artikel sind nun vielfach noch weiter untergliedert
, in der Regel in drei Abteilungen, doch würde es zu weit führen,
dies hier vorzustellen. Damit sei aber das schon Angedeutete wiederholt
: Es kostet einige Zeit und Mühe, che man das für den täglichen
Gebrauch überflüssig verzwickte System nutzbringend anwenden
kann-für gelegentliche Benutzerist es ein Labyrinth.

Besonders wichtig ist das umfangreiche Verweissystem, bei dem
n'cht nur innerhalb des Theologischen und Sachregisters, sondern
auch auf die anderen Register POR (Personen- und Ortsregister), SRL
ISonderrcgister Luther), ZR (Zitatenregister) und BSR (Bibelstellenregister
) verwiesen wird. Diese Verweise sind teilweise recht umfangreich
, bei dem Stichwort .Gotf sind es rund 450 Verweisstichwörter!
Durch zusätzlich aufgenommene Bezeichnungen L+ (Brief von
Luther und anderen). L? (Verlässerschaft Luthers fraglich) oder auch
oL (Brief nicht von Luther) werden diese Dinge schon ohne Nachschlagen
der Stelle geklärt.

Dennoch, bei allem Umfang: Das Register ist nicht vollständig! Bei
einigen umfangreichen Belegreihen wurde Material weggelassen, was
durch den Hinweis ..u. ö." ausgewiesen wird. Das Restmaterial kann
in Halle bei Bedarf angefordert werden. Hier kommt, bei allem
Respekt vor dieser ungeheuren Kärrnerarbeit der Registermacher,
doch ein gewisses Unbehagen auf, da natürlich das, was weggelassen
wurde, von den verschiedenen Bearbeitern - und damit zwangsläufig
subjektiv - entschieden wurde. Es ist das gleiche Problem, das vor den
Bearbeitern des WA-Gesamtregisters in Tübingen steht, auch hier
wird - und zwar in noch viel stärkcrem Maße - subjektiv ausgewählt
werden, was schon zu erheblichen Register-Diskussionen geführt
hat.

Der Lutherforscher wird dankbar sein, endlich nun auch für die
Briefe ein sehr sorgfältig gearbeitetes, umfangreiches Register zur Verfügung
zu haben, durch das nun erst wirklich Luthers Briefwechsel in
seiner ganzen Fülle benutzbar wird.

Berlin Hans-Ulrich Delius

Schröer, Alois: Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf
einer Landschaft. II: Die evangelische Bewegung in den geistlichen
Landesherrschaften und den Bischofsstädten Westfalens bis zum
Augsburger Religionsfrieden (1555). Münstcr'W.: Aschendorff
1983. XX, 778 S. gr. 8". Lw. DM 118.-.

Der erste Band (1979. vgl. ThLZ 106. 1981 Sp. 428-430) behandelt
: I. Die Grafschaften, 2. die westfälischen Gebiete des Herzogtums
Kleve. 3. die privilegierten Städte und 4. die sog. ..Zweite Reformation
" in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und später. Der
zweite Band wendet sich nun 5. den geistlichen Fürstentümern (bis
1555) und 6. den Bischofsstädten (bis 1555) zu. In der Fortsetzung
wird damit die territoriale und chronologische Reihenfolge des ersten
Bandes durchbrochen. Denn die geistlichen Fürstentümer und
Bischofsstädte sind abgesehen von dem Herzogtum Westfalen, der
Vest Rechlinghausen und den Fürstabteien Corvey, Werden und
Essen identisch. Dem Leser wird dementsprechend die Reformation
in Osnabrück beispielsweise zweimal geschildert, zuerst allgemein
und unter Hervorhebung der Landgebiete, sodann speziell im Blick
auf die Bischofsstadt. Im ersten Durchgang muß notwendig das Überspringen
wichtiger Ereignisse in Kauf genommen werden. Für die
Zweiteilung spricht, daß die Bischöfe und Domkapitel in den
Bischofsstädten einem selbstbewußten Stadtrat gegenüberstanden.
Dieser Teil ist daher erheblich lebendiger und spannender geläßt.
Alles in allem gereicht diese Einteilung des zweiten Bandes der
Gesamtdarstellung zum Nachteil.

Der Bericht über die Reformation in den einzelnen Gebieten ist wie
im ersten Band bemerkenswert klar und übersichtlich, gut lesbar und
sehr instruktiv. Der Leser erhält sowohl einen sachgemäßen Überblick
wie auch viele Informationen über Einzelheiten. Gelegentlich
möchte man noch mehr erfahren. Z. B. wird nicht einsichtig, wie es in
Osnabrück zur Einsetzung evangelischer Pfarrer kommt (S. 487).

Mit besonderer Sorgfalt wird die Wiedertäuferherrschaft in Münster
behandelt. Die entscheidenden Fakten werden herausgestellt und der
Ablauf einsichtig gemacht. Allerdings kommen die apokalyptische
Naherwartung, die sich im Frühjahr 1534 häufenden Himmelszeichen
und der auf ihnen und anderem beruhende Massenwahn nicht
recht zum Tragen. Die Führer erscheinen allzu schnell als ausgemachte
Bösewichter (S. 427 u. ö.). Erst spät wird in Betracht gezogen,
daß auch sie Kinder ihrer Zeit waren (S. 4641). Es bleibt auch unklar,
warum es in der sonst so genauen Darstellung heißt: „Frauen und