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Ausgabe:

1984

Spalte:

68-71

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Handbuch zur Predigt 1984

Rezensent:

Winter, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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kehren. Das Nebeneinander oder gar Gegeneinander zwischen kirchlichen
Mitarbeitern einschließlich der ehrenamtlichen Mitarbeiter
soll zu einer partnerschaftlichen, arbeitsteiligen Zusammenarbeit
gefugt werden. Auf der Ebene der praktischen Theologie geht es um
den Zusammenhang der verschiedenen pädagogischen Wissensgebiete
einschließlich der angrenzenden Humanwissenschaften und ihre
gegenseitige Durchdringung. Versucht man den allgemeinsten Nenner
zu finden, der dann auch für das Leben des einzelnen Christen seine
Bedeutung hat, so geht es um den „Zusammenhang von Leben, Glauben
und Lernen". Der Titel der vorliegenden Empfehlungen hätte
nicht besser gewählt werden können. Er ist Motto wie roter Faden und
läßt sich auf allen angesprochenen Ebenen durchbuchstabieren.

Es entspricht dem integrativen Ansatz, daß die vorliegenden
„Empfehlungen zur Gemeindepädagogik" nicht an einer wissen-
schafts-theoretischen Zergliederung oder Differenzierung interessiert
sind. Wer Definitionsklarheit sucht, ist hier an der falschen Adresse.
Hier wird nicht differenziert, sondern integriert. Zunächst einmal
haben sich die Mitglieder der Kammer für Bildung und Erziehung
selbst diesem Integrationsvorgang zu stellen gehabt. Hinzu kamen die
Meinungen derer, die bei einigen Konsultationen Gelegenheit hatten,
sich zu äußern. Herausgekommen ist keine Kampfschrift, die Schlagzeilen
macht, sondern gewissermaßen ein mildes, mittleres Produkt.
Insofern fürchte ich, daß diese Empfehlungen trotz des Willens der
Verfasser und der Empfehlungen des Rates der EKD zu wenig gelesen,
verarbeitet und befolgt werden. Das Comenius-Institut in Münster hat
zwar inzwischen die Weiterarbeit gefordert, aber die Adressaten:
„Mitarbeiter, Gremien und Arbeitsgruppen in den Gemeinden"
(S. 23) dürften in vielen Fällen nicht erreicht werden. Das ist bedauerlich
, denn es steckt in den Empfehlungen ein hoher Anspruch: es sind
Hoffnungen auf eine stille Reformation der Gemeindearbeit in der
Bundesrepublik. Hoffnungen, die durchaus reale Gründe haben, wie
die Praxisberichte zeigen. Dabei geht es um nichts spektakuläres
Neues, sondern um Erkenntnise, die schon lange vorhanden sind, die
aber hier in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden.

Zum Inhalt der Empfehlungen: Nach einem Geleitwort vom Ratsvorsitzenden
Bischof D. Lohse wird im Vorwort beinahe nebenbei
gesagt, es handele sich darum, „die reformatorische Einsicht vom
Priestertum aller Gläubigen zu verwirklichen" (S. 12). In einem ersten
Abschnitt wird die Ausgangslage, der Gemeindebegriff und der grundlegende
Zusammenhang von Glauben, Leben und Lehren behandelt
(S. 17-24). Es folgt ein zweiter Abschnitt (S. 25-42), in dem die
„Dimensionen des Menschseins" durchschritten werden. Es ist ein
Musterbeispiel für die gelungene Zusammenfassung von psychologischen
, altersspezifischen Kenntnissen mit theologisch-kirchlichen
Überlegungen. Hier wird Pädagogik als umfassender ganzheitlicher
Lernvorgang verstanden. Ein dritter Teil (S. 43-60) erläutert die
gemeindlichen Beziehungsfelder, in denen sich das Ganze zu bewähren
hat. Hier rückt Gemeindepädagogik ganz eng zusammen mit den
Begriffen Gemeindeaufbau, Gemeindeentwicklung, Gemeindebildung
. Der letzte Abschnitt (S. 61-66) versucht die Konsequenzen für
Aus- und Fortbildung zu ziehen. Er ist äußerst wichtig, weil die Kluft
zwischen neuen Entwicklungen in den Gemeinden und ihrer Berücksichtigung
im akademischen Ausbildungsbereich in unseren Breitengraden
nach wie vor groß ist (bei der Fortbildung ist dies glücklicherweise
besser!). Andrerseits kann auf diesen sechs Seiten natürlich nur
ein Impuls gesetzt werden. Ich vermute, daß kaum eine Ausbildungseinrichtung
oder die entsprechenden Verantwortungsträger sich von
hier aus bemühen werden, ihre Lern- und Lehrverfahren kritisch zu
überprüfen, obwohl das bitter nötig wäre.

Es entspricht dem Grundansatz dieser Empfehlungen, daß hier
nicht nur theoretische Überlegungen angestellt werden, sondern der
Zusammenhang von Leben und Lernen in dieser Schrift selbst sich
darin dokumentiert, daß die zweite Hälfte des Buches 27 Praxisberichte
enthält. Teilweise sind diese sehr kurz. Sie sind übersichtlich
in fünf Gruppen geordnet und mit einer knappen Einleitung versehen,
in der die Zusammenhänge zu Aussagen des ersten Teiles gezogen

werden. Hier wird ganz deutlich, daß Gemeindepädagogik kein neues
Arbeitsgebiet ist, sondern die bisherige Gemeindearbeit in ihrer vollen
Breite gemeint ist: vom Kirchweihfest bis zur Kindergartenarbeit, von
der Gründung eines Hauskreises bis zu den Kasualien. Natürlich gibt
es auch neue Formen, etwa Aktivitäten für jugendliche Arbeitslose
(S. 90fi. Die Nahtstellen zwischen den Aktivitäten werden deutlich.
„Es geht um die Einheit der Gemeinde trotz der bestehenden Unterschiede
." (S. 69) Dem Leser wird eine aus Erfahrungen gespeiste
Ideenbörse angeboten. Für den Sektor Ausbildung fehlen freilich die
erfreulichen Erfahrungen. Hier wird nur in einem Bericht die Frustration
einer engagierten Christin in einer sich kirchlich nennenden Ausbildung
dokumentiert (S. 1250- Einige der Beispiele sind der Literatur
entnommen (S. 69). Leider fehlen dafür die genauen Quellenangaben
.

Meine Zweifel, ob diese Schrift ihr Ziel erreicht, habe ich angedeutet
. Die sachliche, völlig unpolemische Form, das echte gemeindepädagogische
Engagement verbunden mit verständnisbereiter Milde und
klarer theologischer Grundhaltung - das alles empfindet man wohltuend
und beruhigend. Kommissionen können sicher kaum anders
arbeiten - früher gab es streitbarere Fakultätsgutachten! Sollte nicht
das eine oder andere Mitglied der Kammer sich deutlicher zu Wort
melden? Das Thema Zusammenhang von Leben, Glauben und Lernen
braucht auch Beunruhigung, Provokation!

Die Schrift ist zunächst für die Gemeinden der Bundesrepublik
gedacht. Die Entwicklung der Gemeindepädagogik zeigt von Anfang
an in der DDR charakteristisch eigene Züge, auf die hier nicht eingegangen
werden kann. Trotzdem enthalten die Empfehlungen hilfreiche
Fragen zur Korrektur unserer Entwicklung in der DDR: Wo
wird der Zusammenhang von Leben, Glauben und Lernen bei uns diskutiert
und formuliert? Trotz der unterschiedlichen gesellschaftlichen
Ausgangspositionen der Gemeindearbeit gibt es auch bei uns die
Gefahr der Verselbständigung von Arbeitsfeldern. Wie ist ihr zu
begegnen? Wo werden die durchaus vorhandenen positiven Erfahrungen
gelungener Mitarbeiterkooperation-gesammelt und ausgewertet?
Haben wir das Stichwort Gemeindepädagogik zu schnell und zu einseitig
als Berufsbezeichnung eingeordnet? Delegieren wir damit den
reformatorischen Anspruch auf Verbesserung der Gemeindearbeit -
und das meint Gemeindepädagogik! - auf einen besonderen Berufsstand
?

Potsdam Peter Schicketanz

Praktische Theologie: Homiletik

Schüepp, Guido [Hrsg]: Handbuch zur Predigt. Zürich-Einsiedeln-
Köln: Benziger 1982.496 S. gr. 8*. Lw. DM 63,-.

Es handelt sich nicht um eine Homiletik im klassischen Sinn.
Darum wirkt der Titel etwas irreführend, weil man dahinter ein abgerundetes
Ganzes vermutet. Das ist jedoch nur zum Teil der Fall.
Einerseits enthält das Buch geschlossene Partien, andere wieder fallen
stärker aus dem Rahmen und erwecken den Eindruck, nur zu einer
Aufsatzsammlung zu gehören. Nun ist es nicht zu bestreiten, daß es
zur Zeit schwerfallt, die Homiletik als ein geschlossenes System darzubieten
, weil Voraussetzungen, Inhalt, Gestaltung und Typen der
Verkündigung in der letzten Generation nicht nur einem starken
praktischen Wandel unterworfen sind, sondern auch vielseitiger
Reflexion besonders unter anthropologischem Gesichtspunkt ausgeliefert
worden sind. Es ist das Verdienst des katholischen Herausgebers
, das Ganze durch Übergangsbetrachtungen, aber auch durch
wichtige eigene Beiträge in einem losen, zum Teil sich verdichtenden
Rahmen zu halten.

Überwiegend ist das „Handbuch" kein Lehrbuch für Studenten
und Anfanger. Nun wenige Beiträge sind bemüht, auf eine Erstbegcg-