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Ausgabe:

1984

Spalte:

890-892

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bünker, Michael

Titel/Untertitel:

Briefformular und rhetorische Disposition im 1. Korintherbrief 1984

Rezensent:

Lindemann, Andreas

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 12

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Titel des Buches zu verstehen ist: Das ..Recht des Weltenrichters" und
Kriterium im Menschheitsgericht ist das Recht der Art und des guten
Willens(iottes: das Recht der Barmherzigkeit (Ml 9.13; 12.7).

Naumburg (Saale) Nikolaus Walter

NOtzel, Johannes M.: Jesus als Offenbarer Gottes nach den lukani-
sehen Schriften. Würzburg: Echter 1980. V. 307 S. gr. 8" =
Forschung zur Bibel. 39. Kart. DM 48.-.

Es handelt sich um eine Freiburger Habilitationsschrift, die
ursprünglich hieß: ..Jesus als Offenbarer (iottes nach der svndpti-
schen Überlieferung. Studie zur Kontinuität innerhalb der Christolo-
gie der frühen Kirche. Teil I: Die Transparenz Jesu auf CSott hin nach
den lukanischen Schriften". Das war deutlicher. Es geht nicht darum,
was Lukas meint, wenn er ..offenbaren" von Jesus gebraucht, was er
selten genug tut. in Apg nie. Sondern N. untersucht, wieweit Lukas in
Evangelium und Apg Jesus als Stellvertreter Gottes reden und handeln
läßt (das Geschick Jesu klammert er aus). Das gehört in ein
größeres Programm. Es fußt auf der von F. Mußner angeregten Überzeugung
. ..daß die spätere kirchliche Christofogie ihren Ansatz-
Punkt ... in der Erfahrbarkeit (iottes in Jesus" hat (9). genauer in
•.einc(r) bis zur Dcekungsgleichheit gehendc(n) Aktionseinheit Jesu
mit Jahwe", die auch dem Selbstverständnis Jesu selber entspricht
'F. Mußner. Ursprünge und Entfaltung der neutestamentlichen Soh-
neschristologie. in: L. Schcllczyk [Hrsg.]. Grundfragen der C"hristolo-
gie heute. Freiburg 1975. 77-113. hier 97). Daß man dafür bei der
Darstellung der frühesten Autoren einsetzt, die uns Jesusüberlicfe-
rtmg geben, versteht sich Für einen bei A. Vögtle redaktionsgeschicht-
üch promovierten Forseher von selbst (Die Verklärungserzählung im
Markusevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung.
FzB6. Würzburg 1973. vgl. W. Schenk. ThLZ 100, 1975
Sp. 425-427).

Das Buch hat abgesehen von den einleitenden Überlegungen sechs
Kapitel. I: C harakterisierung des Wirkens Jesu nach den lukanischen
Schriften (Sendungsaussagen: w7te.v//;a/-Aussagen; Weiteres): II:
Jesus als Offenbarer Gottes nach der Basileiaverkündigung im Verständnis
des 1 ukas (darin ein langer Paragraph über eschatologische
Gottesherrschaftserwartung als Ausdruck israelitischen Gottesverständnisses
): III: Da* ..johanneischc" Logion Lk 10.22 im Vcrständ-
n's des Lukas; IV: Heilbringende Begegnungen mit Jesus {sözein;
Lk 7.36-50: 19.1-10): V: Die Erfahrung des Heils der Gottcsherr-
schafl in der lukanischen Wunderüberlieferung (Jesuswunder;
Apostelwunder; Überwindung der Satansherrschaft durch beide): VF
Jesu Wirken als Offenbarung von Gottes Handeln nach den Gleichnissen
des Lukasevangeliums (Lk 15: 18.9-14). Schluß: „Lukasevangelium
und Apostelgeschichte stellen somit deutlich die durch den
heiligen Geist hervorgebrachte Einheit zwischen Jesu Handeln und
Gottes Handeln heraus, die durchaus einen Ansatzpunkt bietet für
e,ne Formulierung wie diese: .Wer mich (handeln) sieht, sieht den
Vi»ter(handcln)'" (270). Literaturverzeichnis, keine Register.

N. schreibt also wesentlich Exegesen, nicht alle gleich ausführlich,
methodisch ohne Neuigkeiten, aber kompetent und mit Durchblick
<vgL zur Vokabelstatistik. 243). Die exegetische Sekundärliteratur ist
gGesen. wird aber nicht üppig zitiert. Hier nimmt N. einem kaum
Al"bcit ab.

Das eigentliche Interesse liegt beim Programm. Das sehe ich noch
n,cht ganz. Kontinuität in der frühen Christologic. Jesus cingcschlos-
7*°. ist ein folgerichtiges und aktuelles Thema. Folgerichtig, weil wir
ln den letzten Jahrzehnten zu viele örtlich, zeitlich, soziologisch und
lm religionsgcschichtliehcn Material verschiedene ("hristologien im
Urchristentum entdeckt haben: aktuell, weil die Gegenfrage, ob da
n|eht auch Kontinuität und. synchron. Einheit wiederzuentdeeken
smd. schon in Arbeit ist. etwa in Tübingen unter dem LeitbegrilT Versöhnung
. Nur hätte ich das auch gern gelesen. N.s Einleitung nennt
Offenbar nur. was ihn persönlich unmittelbar angeregt hat. P. Stuhl-

macher fehlt im Literaturverzeichnis und von M. Hengel z.B.
Christologie und neutestamentliche Chronologie, in: O. Cullmann-
Festschrift, Zürich 1972. 43-67. Schwerer wiegt, daß N. mir zu wenig
klarmacht, wieweit und in welchem Sinn sich Offenbarung als
KontinuitätsbegrilT eignet und zu summarisch mit ihm umgeht,
manchmal wenigstens. „Lk 10.22 wird Jesus als einziger Erkenntniszugang
zum Vater enthüllt" (174). Wohl, das steht da. Aber was besagt
es in einem Buch, das Jesus vier Verse später auf die Frage nach dem
Willen des Vaters gegen fragen läßt: „Was steht im Gesetz geschrieben
?" (Lk 10,26). und in dessen zweitem Band Paulus die Areopag-
rede hält (Apg 17)? In Lk 15 „macht Jesu Tischgemeinschaft mit den
.Sündern* nach Auffassung des Evangelisten Gottes Haltung diesen
gegenüber sichtbar, hat also offenbarenden Charakter" (251). Hat
etwas, was sichtbar macht, also schon offenbarenden Charakter, und
wenn hier, hat ihn eigentlich die Tischgemeinschaft selber oder nicht
erst die durch die Gleichnisse gedeutete Tischgemeinschaft?

Ich stelle das Buch vorläufig mit Dank zur Lukasexegese. In die
Abteilung Neutestamentliche Theologie kann es erst, wenn N. sich
weiter erklärt hat.

Heidelberg Christoph Bure ha rd

Blinker. Michael: Briefformular und rhetorische Disposition im
1. Korintherhrief. Göttingen; Vandenhoeck & Ruprecht 1983.
169 S. gr. 8° = Göttinger theologische Arbeiten. 28. Kart.
DM 30.-.

Die Frage nach der formalen („rhetorischen") Struktur der Patllus-
hriefe (vgl. die Arbeiten von H. D. Betz zum Galaterbnef) und - vor
allem mit Blick auf Korinth - das Problem der'sozialen Zusammensetzung
urchristlicher Gemeinden (vgl. die entsprechenden Arbeiten
von G. Theißcn) spielen in der gegenwärtigen Paulusforschung eine
wesentliche Rolle. Die vorliegende Wiener Dissertation will beide
Aspekte miteinander verbinden. Sie versucht, „die Korintherbriele
seihst als ganze als soziales Faktum zu betrachten*", da die Briefe ..als
soziokulturell bedingte Literatur" zu v erstehen seien, „sie als Medium
der Kommunikation zwischen Apostel und Gemeinde in ganz
bestimmte soziale Schichten weisen" (S. I I). Die von B. mehrfach
wiederholte Zielfrage lautet, ob die Briefe „Dokumente der schriftlichen
Kommunikation mit (relativ: gemessen am Gros der korinthischen
Christen) Gebildeten und sozial (relativ) Hochstehenden"
sind (S. 12). <äs am Ende bejaht wird (S. 74). B. geht dabei von der
nnahme aus. Paulus wende sich explizit zwar an die ganze korinthische
Gemeinde, implizit jedoch nuran die Hochstehenden (vgl. S. 18
und vor allem S. 62). was sich ebenfalls am Ende der Arbeit „bestätigt
"" (S. 741). Hier scheint ein methodischer Zirkel vorzuliegen: Die
eingangs formulierten Grundannahmen und Fragestellungen einerseits
und die am Ende dargestellten Ergebnisse andererseits sind im
Grunde identisch.

B. unterscheidet ausdrücklich zwischen „sozialer" und „soziologischer
" Interpretation: Erstere analysiere den Text im Blick auf die in
ihm geschilderten sozialen Probleme (hier seien Theißens Arbeiten
einzuordnen), letztere verstehe den Text selbst als soziales Faktum
und frage, warum er produziert und wie er rezipiert wurde (S. 16). B.
betont m. R„ „daß eine literatursoziologische Analyse der Paulusbriefe
eine notwendige Konsequenz der Formgcschichtc innerhalb der
historisch-kritischen Methode darstellt" (S. 171).

B. setzt im ersten (Haupt-)Teil (S. 19-47) die Korintherbricfe zur
antiken Brieftheorie in Beziehung. Für den antiken Freundschafts-
brief seien zwei Topoi wichtig: Die „Als-ob-Unmittclbarkcit". die
den Brief als ein Gespräch erscheinen läßt: und die „Als-ob-Gegen-
wart". die den Absender als am Ort dem Empfängers anwesend
denken läßt (S. 26). Der erste Topos begegne in den Korintherbricfen
lediglich in I Kor 10.15a. der zweite dagegen komme häutiger v or (in
IKor5,3; 2Kor 10,11 von Seiten des Paulus, in 2KorlO.I.IO von
sciten der Korinther). Auch sonst begegneten viele „philophroneti-