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Ausgabe:

1984

Spalte:

63-65

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Abraham, William J.

Titel/Untertitel:

The divine inspiration of holy scripture 1984

Rezensent:

Kühne, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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nomie als solcher jenes tiefste Moment der Freiheit wirklich nicht hinreichend
gedacht werden? i

Das rührt an eine'weitere Problematik dieses Entwurfs. Die Konzeption
des II. Hauptteiles hat u. a. zur Folge, daß es eine Lehre von
den göttlichen Eigenschaften bei Kasper nicht gibt. Kann man auf sie
eigentlich verzichten? Es fällt in der kurzen Reminiszenz an den
früheren Traktat „De Deo Uno" ferner auch auf, daß von der Spannung
im Wesen Gottes, vom Beieinander von Gericht und Gnade, von
einem Widereinander von Verborgenheit und Offenbarsein Gottes
nicht die Rede ist. „Es kann ... im Christusgeschehen nicht irgendein
dunkler Rand und Rest eines Deus absconditus ,hinter' dem Deus
revelatus bleiben. Der Deus absconditus ist vielmehr der Deus revela-
tus" sagt Kasper in einem späteren Zusammenhang (334). Hier wird
aus dem Reden von Gott ausgeblendet, wozu Luther sich in De servo
arbitrio genötigt sah. Könnte diese bei Luther sichtbar werdende Dualität
in Gott nicht die Funktion haben, in ihrer Weise die Freiheit der
Liebe und Offenbarung Gottes sicherzustellen? Und könnte jener
„dunkle" Rand nicht eine wesentliche Hilfe sein, die „wirre Welt" mit
ihren ungelösten und unlösbaren Fragen tatsächlich mit dem Reden
von Gott zusammenzubringen? Gewiß, auch Kaspar weiß von der
theologia crucis, von Gericht und Gnade, auch von-der Leidensfrage
(166f, 199ff), aber wird dies nicht doch von Gottes Liebe allzu sehr
„absorbiert", so daß nicht mehr deutlich wird, daß Gottes Liebe
immer neu der Durchbruch durch eine dem Menschen „entzogene
und ihn richtende Ferne" Gottes (166) ist?

- Damit zeigt sich zugleich die Notwendigkeit, den Bogen vom ersten
zum letzten Teil des Buches - gerade weil er als Modell einer wechselseitigen
Erhellung von Frage und Antwort ausdrücklich zu begrüßen
ist - weitenzu reflektieren. Inwiefern ist die Trinitätslehre die eigentliche
Antwort auf die Fragen des Atheismus? Ist wirklich nur ein
immanenter trinitarischer Gottesbegriff in der Lage, den Verdacht zu
entkräften, der Glaube an Gott bringe den Menschen um seine Freiheit
, und eine Antwort auf die Theodizeefrage zu geben? Diese Fragen
deuten zugleich an, daß der große Entwurf W. Kaspers auch zum Gespräch
im Lichte unserer unterschiedlichen theologisch-konfessionellen
Traditionen einlädt. Daß er allerdings auch im evangelischen
Raum als grundlegendes Werk theologischen Nachdenkens über das
Geheimnis Gottes rezipiert werden wird, ist für den Rez. ohne allen
Zweifel und unterstreicht den Dank, den wir alle Walter Kasper für
sein reiches und tiefes Buch schulden.

Wien-Leipzig Ulrich Kühn

Abraham, William J.: The Divine Inspiration of Holy Scripture.

Oxford-New York-Toronto-Melbourne: Oxford University Press
1981. VII, 126 S.8*Lw.£9.50.

Der Methodist William J. Abraham, jetzt Theologieprofessor an
der Seattle Pacific University, weiß sich seinem evangelikalen Erbe
ebenso verpflichtet wie der hist.-krit. Exegese und dem Denken des
modernen Menschen. Mit seiner Studie möchte er die evangelikale
Tradition aus einer konservativen Verengung herausführen. "Evange-
licals need to rethink and revise their ideas on the inspiration of the
Bible . . . My aim has been to set forth an account of inspiration that is
intellectually viable und religiously valuable." (109)

Eingangs setzt A. sich mit verschiedenen Konzeptionen auseinander
. Als Hauptproblem wird in Kap. 1 (The Dedüctive Approach) die
Verbindung von Inspiration und Inerranz der Schrift benannt, die sich
aus der Verbalinspiration ergibt. Im Blick auf die Überfremdung der
Bibel durch eine vorgefaßte Inspirationslehre, wie sie sich etwa bei
Warfield und Packer in der Nachfolge von Gaussen abzeichnet, und
eine daraus resultierende Einengung oder Verdächtigung der hist.-
krit. Forschung sieht Vf. nur folgende Alternative für sinnvoll an:
"We must either abandon critical historical study und honestly admit
this or we must abandon the theology pf inerrancy." (270 Das erfordert
aber, Inspiration nicht mehr im Sinn von "divine dictation" zu

verstehen. "Without dictation inerrancy is without Warrant." (34)
Dabei spielt es für A. keine Rolle, daß neuere evangelikale Theologen
längst diese traditionelle Begrifflichkeit aufgegeben haben. Der Ten- '
denz, "to confuse divine inspiration with divine speaking and related
concepts" (35), die er letztlich auch bei den induktiv argumentierenden
Theologen findet, möchte er mit seiner Konzeption entgegentreten
.

Das Hauptverdienst der induktiven Methode (Kap. II: The Induc-
tive Approach) ist, der biblischen Überlieferung gerechter zu werden.
Den Durchbruch dabei erzielt zu haben, kommt Sanday (1893) zu.
Als Theologen unserer Tage werden Hanson, Robinson und Barr
genannt. Aber auch ihre recht unterschiedlichen Inspirationsverständnisse
zeigen nach A. nicht klar genug, was Inspiration wirklich
ist. '.

Vf. stellt sich in Kap. III (The Concept of Inspiration) dieser Aufgabe
. Er untersucht anhand des Einwirkens eines Lehrers auf seine
Studenten das allgemeine Verständnis von Inspiration, um dann analog
die göttliche Inspiration zu deuten. Seine Schlußfolgerung lautet,
daß Gott durch seine offenbarenden und erlösenden Taten als auch
durch seinen Umgang mit Einzelnen und Gruppen sein Volk inspiriert
hat, das zu schreiben und zu sammeln, was wir als Bibel kennen.
"As a matter of logfc, inspiration is a unique activity of God that
cannot be defined in terms of his other acts or activity, but as matter of
fact he inspires in, with, and through his special revelatory acts and
through his personal guidance of those who wrote and put together the
various parts of the Bible." (67) Inspiration in'diesem Sinne als umfassender
Vorgang, der nicht auf Offenbarung oder „göttliches
Sprechen" reduzierbar ist, setzt sich bis in die Gegenwart fort (72).
Dieses Verständnis verteidigt A. gegen alle Angriffe, weil sich ihm
gerade darin die Überwindung einer Vermischung der Vorgänge
anzeigt. Seine Analyse wertet er selbst als "liberating experience,
especially for anyone reared on the Standard orthodoxy of the last
generation" (69).

Was bedeutet aber solche Inspiration der Bibel? Welchen positiven
Wert hat sie im Blick auf die Bibel selbst, auf die Hermeneutik, auf die
Theologie? Diese Fragen bleiben leider offen, da in der Studie der
Nachdruck auf dem liegt, was Inspiration nicht ist und womit sie nicht
vermengt werden darf. Die Autorität der Schrift möchte der Vf. jedenfalls
nicht mit der Inspiration, sondern mit der Offenbarung verknüpfen
(78). Daß Offenbarung dabei nicht nur im Sinn von „Offenbarung
als Geschichte" zu verstehen ist und des „Sprechens Gottes"
nicht entbehren kann, zeigt Kap. IV (Divine Speaking and the Autho-
rity of Scripture). A. will den Nachdruck, den die Bibel auf das „göttliche
Sprechen" legt, unbedingt aufgenommen wissen, nun aber frei
von dem Gedanken der Inerranz (90).

Exegetical Considerations bilden das Kap. V. Bewußt stehen sie
nicht am Anfang der Studie,' da nach A. jede Inspirationslehre auf
mehr als auf exegetischen Ergebnissen basiert. Hinsichtlich der geringen
biblischen Aussagen zur Inspiration wird die Frage aufgeworfen,
ob überhaupt eine solche Lehre zum Grundpfeiler einer evangelikalen
Theologie gemacht werden darf. Drei Textgruppen Werden untersucht
: 2Tim3,16 und 2Petr 1,21 als klassische Texte, die Haltung
Jesu gegenüber dem atl. Gesetz, atl. Zitate in Episteltexlen. Von keiner
her sieht Vf. den Gedanken der Verbalinspiration oder Inerranz
gerechtfertigt, sondern seine Sicht bestätigt (107).

Der Ausblick der Studie ist dem Nachweis gewidmet, daß die vorgelegte
Inspirationsauflassung sich in rechter Kontinuität mit der evangelikalen
Tradition befindet, die freilich weiter als bis zu den konservativen
Theologen Anfang unseres Jahrhunderts zurückreicht. Zur
Klärung des eigenen Traditionsverständnisses und um dem Begriff
"Evangelical" den ausschließlich konservativen Beigeschmack zu
nehmen, werden drei prägende Epochen genannt: die evangelische,
vor allem lutherische Reformation, die Erneuerung durch Wesley und
den Methodismus, der Fundamentalismus (114fT). Gerade von Wesley
her fühlt sich A. zum Ernstnehmen der Vernunft und zur Offenheit
gegenüber philosophischen Einsichten crmutigt(l I6IT).