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Ausgabe:

1984

Spalte:

844-849

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Zeichen 1984

Rezensent:

Herms, Eilert

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1 I

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Indem die Enzyklopädie Hegels Christologie der Reifezeit rational
artikuliert, stellt sie diese zum Abschluß als eine systematische -
dreifach-und-eine - Christologie. die vom Logos ihrer Kohärenz und
ihres organisch absoluten Charakters durchsetzt ist" (S. 531).

Im abschließenden Kapitel (Pour une christologie post-hegelienne.
S. 535-656), das sich an sein vorhergegangenes Buch über Hegel et la
täche actuelle de la christologie (Paris 1979) anschließt, läßt Brito sich
auf eine kompakte Arbeit einer,,Unterscheidung der Geister" ein. die
mehr als in einer dialektischen Zurückweisung in einer „katholischen
Ergänzung" der Hegeischen Christologie besteht. Diese Ergänzung
wird vorgenommen, indem von den verschiedenen möglichen christo-
logischen Perspektiven die „archäologisch-gründendc" entwickelt
wird, die mit dem „Prinzip" beginnt und im Ganzen die Adoption als
Geschenk, die Inkarnation als Präsenz, den Tod als Arbeit und die
Auferstehung als Kommunion ansieht - in der Überzeugung, daß
diese Perspektive „ohne Zweifel die ist, die Hegels Christologie auf
peinlichste Weise fehlt" (S. 542). Die „Ursprungsarmut des abstrakten
Allgemeinen", des Vater-Prinzips hindere nämlich Hegel daran,
die wirkliche Realität der Kenosis Christi zu denken: nur was voll ist.
kann sich entleeren. Und, als anderes Extrem, „erschöpft sich die
christliche Eschatologie in der ewigen Präsenz der Philosophie"
(S. 655), einer Philosophie, die freilich auf jeden Fall von Hegel mehr
als von jedem anderen Denker gelernt hat, den Logosdcs Krcuzesaus-
zuleuchten.

Genua Giovanni Moretto

Praktische Theologie: Allgemeines

Thornton. Martin: Spiritual Directum. A Praclical Introduction.
London: SPCK 1984. 145 S. 8". Kart. £ 5.95.

Diesmal ist es keine Phrase: Nur ein Engländer kann so schreiben,
so leicht und interessant, so klug und realistisch, so traditionsbewußt
und doch modern, so angefüllt mit historischem und aktuellem Wissen
und doch praktisch für jedermann. Der dringend erwünschte deutsche
Übersetzer wird es schwer haben, dieser Sprachgcbung gerecht zu
werden.

Dabei geht es um ein delikates Thema: Geistliche Führung, wozu
man entweder formale, blutleere Traktate oder vom Guru- und Psy-
choboom getragene Anpreisungen erwartet. Nichts dergleichen bei
dem Anglikaner Thornton. Seine Vorstellung allerdings von „Geistlicher
Führung" ist weiter als üblich gefaßt. Sie umläßt dasjenige, was
in der katholischen Tradition früher einmal Askese und Mystik hieß,
also eine Anleitung zum geistlichen Leben, diesmal aber aus der
Sicht des sogenannten Spirituals. Das wird nicht sofort deutlich, denn
die Kapitelüberschriften geben manchmal nur amüsant-poetische
Hinweise: Lovc on the Slab: Socio-Thcology - A Curious Court-
ship.

Inhaltlich geht Thornton all die wichtigen Aspekte ab: „Geistliche
Führung ist die Anwendung der Theologie auf das Gebetsleben. Doch
da Gebet als enger werdende Beziehung zwischen Gott und Mensch
ins Weltliche hineinragt, ist es Maßstab für alle Aspekte des Lebens."
(I) Dieser weite Raum erfordert nun eine Methode, die heute auch
„bi-sociation" genannt wird; eine via media, die - wie Thornton
humorvoll anmerkt - nicht dem „Rosa" analog sein soll, das aus der
Mischung von Weiß und Rot entsteht, sondern der chemischen Synthese
von WasserstolT und Sauerstoff: HiO. Der Anglikaner distanziert
sich klar von Modetorheiten - etwa dem erwähnten Guru-Rum-
mel -; aber er tut es meist positiv und zeigt für diesen Fall, daß diese
Beziehung vom Direktor-Klient-Vcrhällnis über das Vatcr-Kind-
zum Bruder-Brudcr-Vcrhältnis wachsen sollte. Im Kapitel über
Guidancc-Gamc macht er sich z. B. über den Namen Gedanken:
„Beichtvater". „Mentor", ,,Seelenfreund", „geistlicher Vater", und

meint dann schließlich: Trotz aller Nachteile ist der nüchterne Name
„Direktor"-deutsch wohl „Leiter"-derbeste.

Man findet in dem schmalen Büchlein erstaunlich viel: Das Menschenbild
, Verhältnis von Tradition-Fortschritt. Bibel. Dogma. Kirche
. Moraltheologie, geistliche Schulen, der Stufenweg (mit sein
klugen Hinweisen), über Mystik-Kontemplation, praktische Hinweise
(recht klug über alles und neues „Beichten"); am Schluß wagt es
Thornton sogar. Grundbegriffe in graphischen Schemata wiederzugeben
. Glücklicherweise schließt ein gutes Registerdas Buch ab. Hoffentlich
findet sich ein sprach- und sachkundiger Ubersetzer.

München JosefSudbrack S.l

Volp, Rainer [Hrsg.]: Zeichen. Semiolik in Theologie und Gottesdienst
. München: Kaiser; Mainz: Matthias-Grunewald-Verlag
1982. 31 5 S. 8". Kart. DM38,-.

Der Sammelhand knüpft an das 1976 von G. Schiwy u. a. herausgegebene
Arbeitsbuch „Zeichen im Gottesdienst" (Kaiser. München)
an. Erbietet in seinem ersten Teil „Kapitel aus der Grundlagendiskussion
(der Scmiotik)". in seinem zweiten Teil „Analysen" des
..Gottesdiensl(cs) als Zeichenprozeß" und schließt mit einer nützlichen
„Auswahlbibliographie". Durch den Zweischritt seines Aufbaus
und die Anordnung der einzelnen Beiträge bietet der Band ein
eindrucksvolles Beispiel theologischer Theoriebildung für die
Praxis:

Den Grundlagenteil eröffnen zwei strukturalistische Beiträge: Jean
Dclorme („Die Lektüre und ihr Text") beschreibt Absicht und
Arbeitsweise der von A.J. Greimas inspirierten Textlinguistik und
ihre drei methodischen Grundsätze: a) Studium nicht von Worten
und Sätzen, sondern von ganzen Texten als Bedeutungsträgern: b)
Abbiendung außertextlicher - psychologischer oder soziologischer -
Textdeterminanten; und dementsprechend c) Untersuchung des synchronen
statt des diachronen Zusammenhangs der Textelemente. -
Daniel Palte („Zur semiotisehen Grundlage strukturaler Hermeneutik
") schildert die Pluralität der Ansätze. Terminologien, Interessen
und Ergebnisse der strukturalistischen Textinterpretation und
arbeitet als wesentliches Problemzcntrum den Gegensatz zwischen
einer am einzelnen Zeichensystem arbeitenden Exegese einerseits und
einer den umfassenderen Sachverhalt ganzer Kommunikationszu-
sammenhänge untersuchenden Exegese andererseits heraus. Beide
Forschlingsrichtungen werden als komplementär dargestellt. - Das
durch diese beiden Beiträge geschickt repräsentierte Methodenparadigma
der strukturalistischen Textlinguistik trägt zur Gesamtthematik
des Bandes drei Einsichten bei: 1. Die Bedeutung von Zeichenträgern
ist keine fixe, dingliche Gegebenheit. Sie ergibt sich vielmehr
aus und verändert sich mit ihrem Gebrauch. 2. Lesbar, also Anlaß für
die mögliche Entstehung von Bedeutung, sind Zeichensysteme aul-
grund ihrer syntaktischen Struktur; also aufgrund des Kontrastverhältnisses
zwischen ihren Elementen. 3. Als lesbares Syntagma sind
nicht nur Texte, sondern auch ganze Kommunikationszusammenhänge
zu betrachten. - Fragt man sich also, warum der Grundlagenteil
des Bandes statt mit Informationen zur allgemeinen Zeichentheorie,
wie sie von Gh. S. Pcircc und Ch. W. Morris neu begründet und entwickelt
wurde, vielmehr mit Beispielen der Textsemiotik in der Tradition
F. de Saussurcs einsetzt, so dürfte die Antwort sein, daß damit
diejenige Spezialsemiotik ausgewählt wird, deren Beschreibungsmuster
von sich aus direkt darauf angelegt zu sein scheinen, von
sprachlichen Gebilden auf übersprachliche Kommunikationszusammenhänge
übertragen zu werden, wie sie Gegenstand der Praktischen
Theologie sind. Auch die eigenständige wissenschaftsgeschichtliche
Verwurzelung der strukturalistischen Exegese in der Linguistik und
nicht in der allgemeinen Zeichentheorie rechtfertigt diesen Ansatz.
Dabei zeigt sich aber, daß der Strukturalismus gleichwohl der Sache
nach den allgemeineren Begriff der Struktur von Zcichenprozcs-.cn
überhaupt einschließt und voraussetzt. Tatsächlich ist es der Begrifl