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Ausgabe:

1984

Spalte:

841-843

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Brito, Emilio

Titel/Untertitel:

La christologie de Hegel 1984

Rezensent:

Moretto, Giovanni

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 11

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liehe Ablehnung der analogia attributionis. die die Initiative Gottes
zur Geltung bringt, zu vermeiden gewesen (S. 53. 55). Auf jeden Fall
gibt der Vf. hier nicht die Meinung Balthasars wieder (vgl. TD 11,2.
S. 203).

Interessant ist der Vergleich zwischen der Position Barths und der
Balthasars im vierten Teil (S. 288-296). Man wird aber die Schilderung
der Bewegung der Versöhnung bei Barth durch den Vf. nur mit
Vorbehalt akzeptieren können: «Le mouvement est ainsi devenu
centripete et souligne la royaute victorieuse; en consequence. la sortie
kenotique du Pere hors de lui-meme, dans la ligure expressive du Fils
souffrant sans opposer de resistance, ne trouve en fait plus aueune
place dans la theologie de Barth» (S. 289. Vgl. dagegen K. Barth.
KD IV/2.S. 399).

Der Verdienst der vorliegenden Arbeit ist es. die tragende trini-
tariseh-soteriologisehe Grundstruktur der Analogia entis, dank der
diese ..analogia personalitatis"genannt zu werden verdient (S. 58-60).
hei Balthasar freigelegt und durch dessen Werk verfolgt zu haben,
womit der Vf. einen wichtigen Beitrag zum Verständnis eines der
größten theologischen Entwürfe dieses Jahrhunderts geleistet hat.

Bei n Martin Bieler

Brito, Emilio, S. .1.: La christologie de Hegel. Verbutn Crucis. Traduit
par B. Pottier. Paris: Beauchesne 1983. 696 S. gr. 8° = Bibliotheque
des Archivesde Philosophie. N. S. 40. Karl. (TV 195.-.

Wem es angesichts dieses Buchs, das der kubanische Jesuit Emilio
Brito Hegels C hristologie gewidmet hat, etwa einfiele, es mit dem
berühmten Buch eines anderen katholischen Theologen, des Tübingers
Hans Kling (Menschwerdung Gottes. Eine Einführung in Hegels
theologisches Denken als Prolegomena zu einer künftigen Christologie
, Freiburg-Basel-Wien 1970) in Verbindung zu bringen, den läßt
der Autor gleich wissen, daß es sich hier um zwei Größen handelt, die
zu verschieden sind, als daß sie miteinander konfrontiert werden
könnten. Die seine Arbeit charakterisierende systematische Strenge
und die Weite seines Blicks, so wird uns ohne viel Umschweife erklärt,
hätten mit der ..mittelmäßigen, von Spezialisten schlecht beurteilten
Abh andlung". wie das Küngsehe Werk eine sei.'nichts gemein. Dies
'st eine recht wenig elegante Weise, uns zu verstehen zu geben, daß
Sl-'in Unternehmen im Fachgebiet der Hegeischen Christologie keine
Vorläufer kennt: „Niemand hat es unseres Wissens je versucht, die
Gesamtheit der ehristologischcn Texte der Phänomenologie des Gei-
v'<'v. der Berliner Vorlesungen und der Enzyklopädie im Lichte des
Sjslems und besonders der verschiedenen Ausarbeitungen der Logik
Wort für Wort zu kommentieren." (S. 14; in einer Fußnote derselben
Seite scheut Brito sieh nicht. .1. Yerkes seinen „übermäßigen Origina-
htätsansprueh" vorzuwerfen!) Auch ohne berühmte Dispute „über
Geist und Buchstab in der Philosophie" ins Gedächtnis zurückrufen
'u wollen, seheint es dem Rezensenten doch kaum zweifelhaft, daß
hinsichtlich des in Rede stehenden Themas der „wörtliche Kommen-
Gr" (der u. a. mit dem quantitativen Kriterium der Seitenzahl bemessen
wird, die die einzelnen Fragen behandeln, s. S. 231) das sei. was
die Hegel-Forschung am meisten benötigt.

Auf jeden Fall seheint Brilos große Anstrengung nicht zu Resultaten
vorzudringen, welche um vieles von denen abweichen, die schon
Unzählige andere Hegel-Forscher, wenn auch nicht in speziell christo-
'ogisehen Zusammenhängen, erreicht hatten, indem sie die unüber-
windbare „Zweideutigkeit der Hcgclschcn Theologie (und Christologie
)" herausstellten (nicht wesentlich verschieden hiervon waren
'■ ß. die Ergebnisse des Buchs von H. Küng- und gewiß nicht wegen
dieses Werks kann der Tübinger Theologe „weder als katholischer
Theologe gelten noch als solcher lehren"!).

Immerhin ist Brito bereit. Vorläufer im Studium der Hegeischen
Keligionsphilosophie anzuerkennen, wenn auch nicht in dem seiner
Christologie (die sie nicht „detailliert dargestellt" hätten), und zwar:
A-Chapelle, A.Leonard und ('. Bruaire, ohne G. Fessard und...

II. U. von Balthasar zu vergessen, von denen er die Methode einer
systematischen Hegel-Lektüre übernommen habe, bei der die Werke
auf Reifezeit, des definitiven Systems privilegiert werden. Aber um die
unverwechselbare, die reifere Entwicklung von Hegels Christologie
charakterisierende Stimmung zu fixieren, ist auch Brito gezwungen,
die Rechnung mit dem Hegel der Berner und Frankfurter Zeit zu
machen (Les ehristologies de Hegel dans les eerits de jeunesse.
S. 19-85). wobei die Tendenz zur Staurologie der Reife unterstrichen
wird. Der Hauptteil des Werks soll jedoch eine systematische Darstellung
, more hegeliano (er denkt Hegel «lel qu'il s'esl pense lui-meme»,
S. I 5). der ehristologischcn Texte von Jena und Berlin sein, die nach
Ansicht des Autors in ihrer chronologischen Reihenfolge selbst den
logischen Gesetzen des dialektischen Dreischritts entsprechen und
uns so drei Christologie-Typen darbieten, um die herum die drei
Hauptkapitel des Werks konstruiert sind: I. die subjektive Christologie
der Phänomenologie des Geistes (S. 97-222); 2. die objektive
Christologie. u. zw. in der geschichtlichen Perspektive der Berliner
I orlesungen über die Religionsphilosophie (S. 245-468); 3. die absolute
Christologie der Enzyklopädie, die den logischen Gipfel darstellt,
zu dem der reflektierende Weg der Phänomenologie hinführt und v on
dem der objektive Weg der Vorlesungen sich herleitet (S. 483-522).
Die von den anderen Hegeischen Abhandlungen der Christologie
(Schriften aus Jena; Nürnberger Propädeutik. Logik, Philosophie des
Rechts; die Berliner Vorlesungen über Ästhetik, Geschichtsphilosophie
und Philosophiegeschichte, der Briefwechsel mit Windischmann
) gebotenen Anregungen werden in einem «Preludc» und in
zwei Anhängen zu den beiden ersten Kapiteln kurz analysiert
(S. 89-95:223-228:468-480).

Das logische Schema, das die Phänomenologie (die dialektische
Bewegung einer absoluten Reflexion, die zu sich selbst zurückkehrt
und sieh dabei von der eigenen Unmittelbarkeit losreißt), die V'or-
lesungen über die Religionsphilosophie (Ubergang von der abstrakten
Formalität der religiösen Möglichkeiten der Menschheit zu deren
natürlicher Individualisierung in den endlichen Religionen und, am
Schluß, in der absoluten Religion) und die Enzyklopädie(Selbstoflen-
barung des Geistes durch den Geist als negative Einheit von Freiheit
und Geschichte: die Natur und der Geist werden zur realen Präsenz,
in der sich der absolute Logos manifestiert) strukturiert, artikuliert
auch - genau das ist die These der einwandfreien Untersuchung von
Brito-den christlichen Vorstellungsinhalt. In diesem Sinne stellt sich
heraus, daß. im ersten Werk, die Rolle Christi die des Vermittlers des
Geistes ist, in dem die Schöpfung, die Schuld und die Erlösung w ie die
Andersheit erscheinen, die das menschliche Bewußtsein annimmt,
um zu seiner Wahrheit zu gelangen. In den I brlesungen hingegen entfaltet
sich die Objektivierung der Idee als endlicher und wiederversöhnter
Geist in drei Momenten: 1. die abstrakte Möglichkeit des
Mensehen, die sein Bedürfnis einer Wiederversöhnung charakterisiert
; 2. die von der Erfüllung dieses Bedürfnisses erforderte Notwendigkeit
, daß (iolt dem Mensehen als effektiver Mensch in der vollen
Zeitlichkeit der Welt erseheint; 3. das Erreichen des Endzustands der
Sterblichkeit durch die Endlichkeit, in die sich die göttliche Idee entäußert
hat: die verklärende Unterdrückung der Endlichkeit als gewaltsame
Verinnerlichung des Todes, gesehen als Übergang zur unendlichen
gemeinschaftlichen Subjektivität. In der Enzyklopädie schließlich
entfaltet sieh die Christologie in das absolut allgemeine Vermitt-
lerelement des Logos selbst: die freie geistige Subjektivität wird eins
mit der natürlichen Objektiv ität der Geschichte in der logischen Idealität
des absolut Allgemeinen. „Indem die Enzyklopädie die Christologie
in den absoluten Geist verlegt, bekennt sie die Endlichkeit des
objektiven Bewußtseins und des reflexiven Selbst, Gesichtspunkte
jeweils der geschichtlichen Christologie der Vorlesungen bzw. der
subjektiven Christologie der Phänomenologie. Trotz alledem unterstreicht
sie gleichzeitig die Notwendigkeit dieser Teilperspektiven: die
Idee, als die Wahrheit der Geschichte und das Absolute der Freiheit,
impliziert, diese unterdrückend, ihre Vollendung für das unmittelbare
Bewußtsein und ihre Manifestation in der reflexiven Subjektivität.