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Ausgabe:

1984

Spalte:

822-823

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Brück, Regina von

Titel/Untertitel:

Die Beurteilung der preussischen Union im lutherischen Sachsen in den Jahren 1817 - 1840 1984

Rezensent:

Satlow, Bernt

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1 1

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Situation des Menschen. Indem er an das Alte Testament anknüpft und es im
Liehtc des Christentums interpretiert (die Kontakte mit dem Neuen Testament
beschränken sieh auf jene mit dem .Johanneisehen Kreis"), will der Autor der
Apokalypse einerseits die Gnosis (Briefe) bekämpfen und andererseits jeden
genauen geschichtlichen Bezug ühersteigend zeigen, ja gleichsam den Christen
die neue Situation, in der sie sieh in Anbetracht des Einbruchs des Gerichtes
Gottes und des Eintretens Christi in die Menschheitsgeschichte befindet, theologisch
fühlbar, ja greilbar werden lassen. Das heißt, es kann von ihm verlangt
werden, das Leben für seinen Glauben hingeben zu müssen - Verfolgungen sind
vorauszusehen-, aber zur gleichen Zeh ist er schon der Sieger in einer Welt, die
sich erneuert. Im Ganzen gesehen ist die Botschaft der Apokalypse prophetisch,
jedoch nicht in Form der Vorhersage von Ereignissen, sondern als Ansporn für
den Christen, seine Geschichte zu deuten und entsprechend zu lehen. Deutung
und Leben verwirklichen sich in besonderer Weise in der Liturgie, die in engem
Zusammenhang mit dem endgültigen Kommen Christi gesehen wird.

Eine zusammenfassende Bewertung verpflichtet, das außerordentliche
Niveau des Buches anzuerkennen. Es handelt sieh um ein Ereignis in der Erforschung
der Apokalypse, das auch in der Zukunft einen Markstein darstellen
wird.

Das gilt auch, wenn der Leser das Bedürfnis erfahrt, manche Stellen noch zu
vertiefen und anders zu interpretieren: Einige Beispiele können eine fruchtbare
Diskussion anregen.

Zunächst überraschen einige von Prigents Behauptungen über die
Abfassung der Apokalypse. Sieherlich hat der Autor sein Werk nicht
in einem Wurf fertiggestellt, sondern (selbst) korrigiert, vertieft und
Zusätze beigefügt, bis die endgültige Fassung vorlag. Aber - und hier
verwundert die Auffassung Prigents - ist es wirklieh möglich, diesen
Entstehungsprozeß so ganz genau festzulegen, ohne einem Subjekti-
v ismus zu verfallen oder einer etwas zu westlichen Logik zu erliegen?
Engem vermittelt diesen Eindruck - wenn auch glücklicherweise
nur in seltenen Fällen -. wo er z. B. Apk 16,15 Für eine nachträglich
vom Kopisten in den Text eingefügte Randglosse hält oder wo er das
verzwickte Problem des 17. Kapitels dadurch zu lösen versucht, daß
er in den Versen 15 und 16a eine unpassende, nebensächliche Einigung
sieht (p. 263). oder vor allem dann, wenn er behauptet, die
Briefe seien .ohne Zweifel" (p. 272) .nachträglich in eine schon bestehende
Apokalypse eingelugt worden' (p. 272).

Ein weiterer solcher Punkt: Wie wir schon oben gesagt haben, liegt
«in der Absicht Prigents. ohne Vorurteil dem Text zu folgen. Einvcr-
standcn. soweit es die Exegese und die sich daraus ergebende Theologie
betrillt. Wo es jedoch um die literarische Struktur und die daraus
resultierende Unterteilung des Buches in Perikopen geht, birgt eine
solche ohne grundlegende Begründung gewählte Einteilung die
Gefahr eines .circulus vitiosus' in sich. Der von Prigcnt gewählten
Unterteilung stimmen wir im wesentlichen zu. Verschiedene Experten
- wie etwa F. Hahn - würden z. B. die Unterteilung in .Vorwort"
".1-3) und .Anschrift" (1.4-8) nicht ohne weiteres akzeptieren. Wäre
in Prigents Arbeit die Darlegung und Diskussion der literarischen
Struktur (pp. 364-366) dem Kommentar vorangestellt und nicht in
den Schlußteil v erwiesen worden, hätte man den Eindruck der Selbstverständlichkeit
vermieden, den die so verwendete Unterteilung
geben kann.

Die Frage nach der Verbindung, die zwischen der Apokalypse und
dem Alten Testament besteht, bleibt etwas undeutlich gelöst. Nach A.
Vanhoyes Studie - v on Prigcnt auf Seite 264, Fußnote 1 zitiert, die
anderen Studien den Weg geebnet hat. Seite 307, Fußnote 8 - scheint
einc solche weder üher die LXX. noch über eine andere hypothetische
griechische Übersetzung, sondern im wesentlichen auf dem Wege
c'ncr direkten Erarbeitung des hebräischen Textes zustande gekommen
zu sein.

Ein weiterer interessanter Punkt wäre die Frage nach der Deutung
der ersten vier Siegel (pp. 107.1 10). Besonders mit Bezug auf das erste
s'egel fragt man sich, ob es genügt, im Reiter des weißen Pferdes, wie
cs P. Prigcnt im Gefolge eines Hinweises von A. Fcuillel tut. die Geißel
des Gerichtes Gottes zu sehen, während man in der Folge eine
Parallele von Apk 6.2 und Apk 19.1 1-16 einräumt. Oder wird z. B.
der Hinweis zu Apk 12.1-6. auf .die Kirche, die im Schmerz der Passion
den neuen Menschen gebiert, den Auferstandenen" (p. 190) wirklich
allen im Text vorhandenen Symbolen gerecht?

In höchst brauchbarer Weise hätte der Band durch eine vollständige
und wohlgeordnete Bibliographie ergänzt werden können, die alle im
Text vorkommenden Arbeiten aufführt. Ähnliches gilt für zumindest
einige Verzeichnisse (wie der zitierten Bibelstcllen. der außerbiblischen
Zitate, der Autoren).

Rom UgoVanni

Kirchengeschichte: Neuzeit

Brück, Regina von: Die Beurteilung der preußischen Union im lutherischen
Sachsen in den Jahren 1817-1840. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1981. 288 S. 8" = Theologische Arbeiten. XLI. Kart.
M 17.20.

Endlich liegt mit dieser Rostoeker Dissertation wieder einmal eine
größere Monographie zur sächsischen Kirchcngcschichte vor. In einer
Zeit, da man um das Zusammenwachsen der Gliedkirchen des Bundes
bemüht ist. kommt dieser kirchengeschichtlichen Arbeit aber zugleich
auch eine aktuelle Bedeutung zu. trägt doch die Rückbesinnung
auf die Unionsbemühungen im 19. Jahrhundert Beträchtliches
lürdic gegenwärtige kirchliche Situation aus.

Die Vfn. hat vor allem für den 2. Teil (s. u.) ungedrucktes Material
auswerten können, und zwar aus dem Staatsarchiv Dresden, dem
Deutsehen Zentralarchiv Merseburg, der Sächsischen Landesbibliothek
(die den für das Thema besonders ergiebigen Briefwechsel mit
A. G. Rudelbach, dem Vorkämpfer des konfessionellen Luthertums
in Sachsen im 19. Jh.. bewahrt), dem Archiv der Leipziger Mission
und den Ephoralarchivcn Leipzig und Glauchau (hier die Protokoll-
abschriften der Muldentaler Pastoralkonferenz). Die Arbeit gliedert
sich in zwei große Hauptabschnitte: Die Beurteilung der preußischen
Union in Sachsen in den Jahren 1817-1830 und Die Auswirkungen
der preußischen Union auf Sachsen und die Auseinandersetzung mit
der Union in den Jahren 1830-1840. Im ersten Teil wird, nach einer
Skizzierung der kirchlichen und theologischen Situation, die zur Einführung
der Union führte, und einer Darlegung der kirchlichen und
zeitgeschichtlichen Voraussetzungen in Sachsen, die literarische Auseinandersetzung
mit Union und Agende bei den damals führenden
sächsischen Lutheranern, dem Dresdner Oberhofprediger v. Ammon.
dem Leipziger Superintendenten - und damit ..dem zweiten Mann im
kirchlichen Leben Sachsens" - Tzschirner und dem Leipziger Theologieprofessor
Tittmann d. J. sowie die nur z. T. in Form von Publikationen
erfolgte Stellungnahme der sog. erweckten Kreise (Christentumsgesellschaft
, Missionsvereinc) behandelt. Dabei fällt besonders
die Inkonsequenz v. Amnions ins Auge, der zunächst de.n ihm wegen
seiner Haltung in den Freiheitskriegen suspekten Schleiermacher als
den nach seiner Sicht Hauptverantwortlichen für die Union scharf
angreift und eine Kirchengemeinschaft ohne Einheit im Bekenntnis
nicht für denkbar hält, später aber aus mehr politischen Gründen hinsichtlich
der vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. betriebenen
Einführung der Agende sein ablehnendes Urteil über die Union
zurückstellt. Der zweite Teil setzt mit dem durch zwei Ereignisse
geprägten Jahr 1830 ein: dem Jubiläum der Confessio Augustana und
den Auswirkungen der Pariser Julirevolution auf Deutschland, wobei
es gerade in Sachsen zu Unruhen kam. Infolge der Emigration preußischer
Altlutheraner nach Sachsen nahm die Auseinandersetzung
um die Union nunmehr konkretere Formen an. mitbedingt durch das
Aufkommen der neukonfessionellen Bewegung. Jetzt beschäftigten
sich auch die staatlichen Stellen mit der Sache, und der bislang unveröffentlichte
Schriftwechsel der Vertreter der verschiedenen Ministerien
bringt hierzu aufschlußreiches Material.

In ihrer flüssig geschlichenen Darstellung (nur das Häufen gleichartiger
Anmerkungen, so S. 159 Mitte. S. 202 oben u. ö.. erscheint