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Ausgabe:

1984

Spalte:

59-60

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Autorität des kirchlichen Amtes und der synodalen Konsensusbildung im Zeitalter der Demokratie 1984

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. I

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flüssigen, das Verdinglichte zu entsubstantialisieren, über das Fixierbare
hinauszugehen, die geschlossenen Systeme zu sprengen, den
Horizont von Wirklichkeit zu erweitern, die versteinerten Verhältnisse
zum Tanzen zu bringen . . . Theologische Sprache hätte demnach
notwendig zur ansprechenden (und das heißt dann auch: keryg-
matischen) Rede zu werden und wäre dabei in dem Maße wahr, als sie
sich nicht scheute, die Lust zur Ansprache mit der kritischen Disziplin
einer Dialektik zu verbinden" (2740- Dies hat Reuter nicht aus
Schleiermachers Dialektik gelernt, sondern aus bekannten anderen
Quellen. Jedenfalls aber ist es erst diese Lehre, die die Pointe von Reuters
methodischem Programm nicht speziell der Schleiermacher-,
sondern jeder Textinterpretation überhaupt an den Tag bringt: Die
Auflösung der Verpflichtung des Lesers, die intentio auctoris aufzuspüren
, und statt dessen die Verfügbarmachung des Textes für die
Interessen seiner Benutzer. Und dieses Interesse sichert sich im Falle
Reuters selber dadurch im Besitze seiner Herrschaft, daß es sich als
Interesse an einer Wahrheit jenseits von Richtigkeit und Verkehrtheit
und damit als unkritisierbar präsentiert. So ist der abschließende
Zweifel Reuters, er sei selbst nicht sicher, „alles richtig verstanden zu
haben", nicht eine zur Kommunikation einladende Relativierung
eigenen Sachverstandes gegenüber intersubjektiv gültigen Standards
der Wahrheitserkenntnis (wie Schleiermacher sie gerade in der Dialektik
zu beschreiben sucht), sondern gerade umgekehrt die Vergleich-
gültigung dieser Standards zugunsten einer unangreifbaren Überlegenheit
eigener Einsicht. Wo dieser Gestus herrscht, wird das Gespräch
unmöglich; was nicht mehr kritisierbar ist, ist auch nicht mehr
kommunizierbar. Das aber heißt: Vorliegende Kritik beweist, daß der
Rezensent den Verfasser nicht bei diesen Überlegenheitsansprüchen
behaftet, sondern bei seiner unverkennbaren Arbeitsleistung.

München Eilert Herms

Jäger, Alfred: Mut zur Theologie. Eine Einführung. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1983. 160 S. 8* = GTB Siebenstern
, 1407. DM 16,80.

Die Einführung in das Theologiestudium stellt sich für die theologische
Lehre als immer neue ungelöste Aufgabe. Das mag viele
Gründe haben. Ein wichtiger ist in der Tatsache zu sehen, daß die
Voraussetzungen, die von Studienanfängern mitgebracht (bzw. nicht
mitgebracht!) werden, sich sehr rasch ändern. Dabei geht es keineswegs
um Detailwissen, sondern um die zum großen Teil völlig
anderen Denkgewohnheiten im Vergleich zur Schulausbildung oder
zu anderen Wissenschaften. Der Vf. dieser Einführung, seit 1981 Prof.
für Systematische Theologie in Bethel, bietet unter folgenden fünf
Teilen insgesamt 25 Kapitel: Methode, Ort, Sache, Wahrheit und
Zukunft der Theologie. Eine Übersicht über „Weiterführende Literatur
" rundet den Einführungskurs ab, wobei die vorgeschlagenen
Werke mit Hilfe von drei Graden der Anforderung unterschieden und
empfohlen werden. p

Autorität des kirchlichen Amtes und der synodalen Konsensusbildung
im Zeitalter der Demokratie. Erlangen: Martin-Luther-Verlag
1983. 141 S. 8' = Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg
, 5.

In der mit dem Titel dieses Bandes angezeigten Thematik sind ganz
unterschiedliche theologische Problemfelder in einer Aufgabenstellung
zusammengeführt, nämlich die Besonderheit kirchlicher Leitung
gegenüber staatlichen, politischen und gesellschaftlichen Leitungsstrukturen
und -Strategien herauszuarbeiten. Die Beiträge. Referate
der Herbsttagung der Luther-Akademie Ratzeburg 1981 erheben den
Anspruch, weiterzuhelfen, „um zu größerer theologischer Klarheit in
diesem teilweise sehr kontrovers geführten Meinungsstreit zu kommen
" (Vorwort, 7).

Die Beiträge: PerLenning, Gottesfurcht anno 1981 (2Kor 5,1 la), S. 9-14.
Hermann Dietzfelbinger, Geistliches Amt und Synode, S. 15-29. Martti
Simojoki, Bischof und Synode, S. 31-42. Georg Kretzschmar, Das Gegenüber
von geistlichem Amt und Gemeinde, S. 43-76. Walter Göbe11, Geschichte
des synodalen Prinzips, S. 77-97. Peter von Til ing, Das Konsensusprinzip
bei der Synode, S. 99-115. Jukka Thu ren. Das paulinische Verständnis
der Gemeindeleitung, S. 117-127. Hermann E. J. Kalinna, Kirche und
Demokratie, S. 129-140.

M P

Fransen, Piet F. [Ed.]: Authority in the Church. Leuven: Peeters;
Leuven: University Press 1983. V, 247 S. gr. 8" = Annua Nuntia
Lovaniensia, XXVI. bfr60.-.

Dieser Band enthält die Vorträge, die bei einem Internationalen
Kolloquium über „Autorität in der Kirche" Ende April 1981 in Leuven
(Belgien), das von der Theologischen Fakultät der Katholischen
Universität in Leuven verantwortet wurde, gehalten worden sind.
Hintergrund des Kolloquiums ist die innerkatholische Auseinandersetzung
über das Verhältnis von Theologie und kirchlichem Lehramt,
auf die bereits der einleitende Vortrag von E. Schillebeeckx,
Nijmegcri: The Magisterium and Idcology (5-17), eingeht. Hier fallen
Sätze wie: „Die Theologen akzeptieren die Autorität des Lehramtes in
Glaubensfragen. Das Lehramt indessen ist dem autoritativen Wort
Gottes unterworfen, wie es durch die Schrift und die kirchliche Tradition
vermittelt wird." (17) Die Arbeit der Theologen kann nicht in
einer bloßen Bestätigung der Entscheidungen des Lehramtes bestehen
(17). Der abschließende Beitrag des amerikanischen Theologen
L. Swidler, Philadelphia: Demo-kratia, the Rule of the People of
God, or Consensus Fidelium (226-243) formuliert die Hoffnung auf
„die Herrschaft des Volkes Gottes, den Konsensus der Gläubigen",
wodurch die „wahre Autorität in der Kirche, die Kirche im Dialog"
zu Stand und Wesen gebracht wird (243). Außer den beiden erwähnten
Vorträgen und einem Vorwort des Löwener Theologen
P.F.Fransen enthält der Band 11 weitere Beiträge katholischer
Theologen (u. a. von P. Schoonenberg, Nijmegen, und G. Alberigo,
Bologna) sowie von prominenten Nichttheologen (z. B. von
F. X. Kaufmann, Bielefeld, über Wissenssoziologie und Autorität,
und von A. Keller, München, über die Unfehlbarkeit des Lehramts
unter dem Gesichtspunkt der analytischen Philosophie). Ein ursprünglich
geplanter ökumenischer Gesprächsgang mit nichtkatholischen
Theologen kam. wie das Vorwort mitteilt, nicht zustande, weil
die Eingeladenen an der Teilnahme verhindert waren.

U. K.

Systematische Theologie: Dogmatik

Kasper, Walter: Der Gott Jesu Christi. Das Glaubensbekenntnis der
Kirche I. Mainz: Grünewald 1982.408 S. gr. 8". Lw. DM 48,-.

„Angesichts der radikalen Infragestellung des christlichen Glaubens
hilft ein schwächlicher, allgemeiner und vager Theismus nicht weiter,
sondern nur das Zeugnis vom lebendigen Gott der Geschichte, der
sich durch Jesus Christus im Heiligen Geist konkret erschlossen hat."
(382) Diese These, im Zuge derer das Trinitätsbekenfltnis als „konkreter
Monotheismus" (358) ausgelegt und allein darin die „Antwort
auf die Goltesfrage des Menschen", ja die „christliche Antwort auf die
Situation des modernen Atheismus" gesehen wird (382), liegt dem
Opus Magnum Walter Kaspers über den Gott Jesu Christi zugrunde,
das seiner 1974 erschienenen Christologie würdig an die Seite tritt.
Kasper plädiert für eine „Theologische Theologie" (28.383) als
Gebot der Stunde, die einerseits jene Art christologischer Engführung
der Lehre von Gott v ermeidet, die „jenseits von Atheismus und Theismus
" den philosophisch-weltanschaulichen Fragen der Neuzeit mehr