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Ausgabe:

1984

Spalte:

813-820

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jewett, Robert

Titel/Untertitel:

Paulus-Chronologie 1984

Rezensent:

Suhl, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. I 1

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gehende sprachliche Deutung des gesamten Textes" (S. 50) ist und
darüber hinaus die griechischen Wörter (S. 194-200) und Eigennamen
(S. 200-203) enthält, auch jeweils mit Angabe von Kapitel
und Vers des MtEv. Die Beigabe von deutschen Bedeutungen macht
aus dem Register eine Art von Spezialwörtcrbuch. Ein einziges Wort
der Kritik sei an dieser Stelle erlaubt. Im Index finden sich leider keine
Hinweise auf die Einleitung, und zwar auf dort genannte Wörter,
erwähnte Stellen und behandelte Probleme der Schrift und Sprache.
Im Grunde ist die Feststellung dieses Mangels ein Kompliment für
den Autor der Einleitung, in der nach Datierungsfragen zunächst die
Kodikologic minutiös zurSprachc kommt(S. 5-14).

Von den Beobachtungen zu „Schrift und Schreibung" (S. 14—31) sei
nur ein „wichtiger Aspekt" erwähnt, nämlich „die Gestaltung des zu
den Schriftzeichen gehörenden und sie interpretierenden und differenzierenden
Supralinearsystems" (S. 26). Dieses mittelägyptische
System ist „auf das engste mit dem älteren bo(hairischcn) System der
Setzung des djinkim verwandt" (S. 29).

Aus der Fülle der Charakteristika der „Sprache" (S. 31 —46), „dem
sogenannten mittelägyptischen (oder oxyrhynchitischen) Dialekt, der
sieh als ein hochstandardisierter Schriftdialekt der koptischen Sprache
erweist" (S. 31), können hier nur einige besonders wichtige und
interessante Merkmale Erwähnung finden.

Das typische Omikron ist mit H. Quecke „das graphische Zeichen
für den betreffenden O-Laut als einen (langen und) offenen" (S. 33).
Zum mittelägyptischen Konjugationssystem verweist Schenke selbst
(S. 35) auf eine Untersuchung von W.-P. Funk, einem Mitglied des
Berliner Koptologischen Arbeitskreises. In der Syntax gibt es einen
..Satztyp, in dem die Relativpartikel eh? die Position der Kopula eines
Nominalsatzcs innehat" (z. B. Mt 16,18: inlak ele petros) und der
nach H. J. Polotsky eine „Spezialnorm der verkürzten Cleft Sentence"
darstellt (S. 36). Auf die zusammengestellten „lexikalischen Raritäten
" (S. 4011) seien besonders die Benutzer des Index hingewiesen!

Mit großem Interesse verfolgt der Neutestamentier die kurzen, über
B. M. Metzger hinausgehenden Andeutungen zu „Übersetzung und
Textform" (S. 46-50). In diesem Zusammenhang darf man gespannt
sein auf eine angekündigte textkritische Untersuchung von G. Mink
(S. 50), mit dem ständig „berücksichtigt werden muß, in welchen
Fällen, in welcher Weise und in welchem Maße koptische Lesarten
überhaupt für die Textgeschichte des griechischen NT aussagefähig
sind" (S. 49). Obwohl es sich beim Codex Scheide um eine gute, relativ
eigenständige Übersetzung handelt, liest sich „dies MtEv wie eine
Evangelienharmonie bzw. wie ein Matthäus-Apokryphon" (S. 47 -
v8l. 14,24; 25,26; 26,18; 27,16; 27,49; 28,1 u. a.). Es ist Schenke voll
zuzustimmen, wenn er zum Ende der Einleitung sagt: „Nichts und
niemand kann einem verbieten, sich einen solch .apokryphen' Mt-
Text, wie wir ihn in .Taschenbuchformat' im Codex Scheide finden,
auch in der .Altarbibel' der Kirche eines ägyptischen Dorfes oder
einer Provinzstadt vorzustellen. Auch kann man über eine etwaige
Mindestgrößc für Bibeltexte, die liturgisch gebraucht werden sollen -
zumal wenn man sich auch ärmere Gemeinden vorstellt - keinerlei
Aussagen machen, während der Übergang zwischen privatem und
''furgischem Gebrauch sicher fließend zu denken ist." (S. 49) Die ntl.
Textkritik findet in der vorliegenden, linguistisch analysierten Edition
eine ideale Arbeitsbasis; darüber hinaus wird es mit ihr besser als
zuvor gelingen, „das Phänomen des mittelägyptischen Dialekts der
koptischen Sprache für das gesamte Forschungsfeld der Koptologie
Und auch Ägyptologie fruchtbar zu machen und auszuwerten"
(S. 4).

St. Lucia. Australien Michael Lattke

Je»ctt, Robert: Paulus-Chronologie. Ein Versuch. Aus dem Engl,
übers, von G. Köster. München: Kaiser 1982. 184 S., 1 Falttaf. 8'.
geb. DM 28,-.

Das Buch ist eine Übersetzung der amerikanischen Vorlage, die im
•fahre 1979 unter dem Titel „A Chronology of Paul's Life" erschienen

ist. Die Übersetzung stammt von Gisela Köster und ist vorzüglich
gelungen. Dabei-oder gerade deswegen?-ist das Buch aber in seinem
Charakter einschneidend verändert worden. Die Polemik gegen Andersdenkende
gewinnt jetzt eine Schärfe, die vom Verfasser in seiner
Muttersprache nicht intendiert war und gegen die er sich S. 19 in erfreulich
deutlicher Weise ausspricht. Für mich wirft das ein bezeichnendes
Licht auf den beklagenswerten Stil, mit dem wir im deutschen
Sprachraum miteinander umzugehen pflegen, wo nur zu oft der Vertreter
einer anderen Meinung in unangemessener Schärfe unterschwellig
diskriminiert wird, anstatt daß man ihn als einen Weggefährten bei der
gemeinsamen Suche nach der Wahrheit respektiert.

Mit seinem neuen Buch legt Jewett als selbständige Veröffentlichung
vor, was im Typoskript seiner Dissertation 1964 als chronologische
Voraussetzung seiner Untersuchung über „Paul's Anthropolo-
gical Terms" eine erste Gestalt gefunden hatte, bei deren Veröffentlichung
im Jahre 1971 mit Hinweis auf die jetzt vorliegende Studie
aber fortgelassen worden war.

Mit dem Typoskript von 1964 setzte ich mich schon in meiner Habilitationsschrift
(Paulus und seine Briefe. Ein Beitrag zur paulinisehen Chronologie.
Gütersloh 1975) auseinander, worauf Jewett jetzt Bezug nimmt-ebenso wie auf
die Untersuchung zur paulinisehen Chronologie von G. Lüdemann (Paulus, der
Heidenapostel. Bd. I. Göttingen 1980). deren Manuskript er vor der Veröffentlichung
einsehen konnte, während Lüdemann seinerseits auf Jewett eingeht

Die beiden neueren Untersuchungen zur paulinisehen Chronologie kommen
zu weitgehend anderen Ergebnissen als ich, haben mich aber sowohl von der
Methode als auch von den Ergebnissen her eher in meinen Annahmen bestärkt.
Das liegt vor allem auch daran, daß beide mit J. Knox (Chaptcrs in a Life of
Paul. New York 1950) das Apostclkonzil erst nach der ersten Mission in Griechenland
zum Zeitpunkt von Apg 18.22 datieren. Grundlegend für diese These
ist die Annahme, der Kolicktenbeschluß von Gal 2.10a müsse von Paulus
wegen der Beteuerung V. 10b. er habe sich um die Einhaltung dieser Abmachung
geflissentlich bemüht, unverzüglich und ununterbrochen durchgeführt
worden sein, so daß die Kollcktcnaklion auf der dritten Missionsreisc eine
unmittelbare Auswirkung des Konzils sei. Hier wird aber einfach übersehen,
daß J. Jeremias schon im Jahre 1928 (Sabbatjahr und neutestamentliche Chronologie
. In: Abba. Studien zur ncutcslamcnllich.cn Theologie und Zeitgeschichte
. Göttingen 1966. S. 233-238) überzeugende Gründe dafür genannt
hat. die Konzilsabsprache mit dem Siebenjahreszyklus des Sabbatjahres in Verbindung
zu bringen und mit mindestens zwei Kollekten der Heidenchristen
für Jerusalem mit einem Abstand von mehreren Jahren zu rechnen. Auch wenn
ich selbst (S. 57IT» gegen Jeremias' Datierungsvorschlag erhebliche Bedenken
geltend gemacht habe, bleibt seine grundsätzliche Erkenntnis richtig und verbietet
die Schlußfolgerung, die Kollektenaktion am Ende der paulinisehen
Wirksamkeit sei eine unmittelbare und unverzügliche Folge des Konzils, das
darum erst kurz davor zu datieren sei. (Diese Feststellung läßt sich übrigens
auch dann nicht umgehen, wenn die Sabbatjahre jeweils ein Jahr später anzusetzen
sind als nach Jeremias' Berechnung, vgl. Jewett S. 124 unter Hinweis auf
B. Z. Wacholder: Artikel „Sabbatieal Ycar". In: DB Suppl. Vol., S. 7620. -
Neben vielen anderen Übereinstimmungen rechnen Jewett (S. 162) und Lüdemann
auch wiederum unbegründet mit einer zweimaligen Gefangenschaft des
Paulus in Ephcsus: Das Argument. Paulus verweise mit 2Kor 1.8 auf etwas
Neues, was den Adressaten bisher noch nicht bekannt ist (Lüdemann. S. 232 f).
vermag diese These aber nicht zu stützen. Neu ist hier nämlich nicht die Mitteilung
über dieses Ereignis als solches, sondern die Deutung, die Paulus seiner
(seit I Kor 15.32) schon längst bekannten Todesnot im Zusammenhang des Ver-
söhnungsbriefcs abgewinnt. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut dieses
Hinweises als auch aus dem Zusammenhang des Versöhnungsbriefes, in dem es
durchgängig um Neuinterpretation schon längst bekannter Fakten geht. Außerdem
verwundert es mich, daß meine Einwände gegen diese These einer zweiten
späten Gefangenschaft in Ephcsus (S. 2280 nicht einmal erwähnt werden: Ist es
aber nicht mehr als gewagt, gegen den Wortlaut von 2Kor 7 von einer mehrmonatigen
, mühseligen Befriedungsaktion des Titus in Korinth auszugehen und
dann noch mit dem Zufall zu rechnen, daß Paulus in derselben Zeit nach dem
Träncnbrief in (erneute) Gefangenschaft geriet, die aber (oh Wunder!) gerade
nur so lange Zeit dauerte, daß Paulus nach seiner Freilassung hoffen konnte,
den just zu diesem Zeitpunkt aus Korinth zurückerwarteten Titus in Troas zu
treffen (2Kor2.l2f: 7,511)? (Vgl. dagegen meine Rekonstruktion S. 238ff!) -
Trotz der Gemeinsamkeit in den erwähnten Punkten gehen Jewett und Lüdemann
freilich verschiedene Wege.

Während Lüdemann beansprucht, endlich den paulinisehen Selbst-
zeugnissen absolute Priorität bei der Rekonstruktion der paulinisehen