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Ausgabe:

1984

Spalte:

805-807

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Kjaer-Hansen, Kai

Titel/Untertitel:

Messianische Juden 1984

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 11

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stellen' des Bildes, das wir wiederherzustellen versuchten, mit voller
Absieht anerkannt und sogar hervorgehoben." (S. 10)

Trotz, dieser Einschränkung lassen die VIT durch Wort und Bild die
Welt des mittelalterlichen europäischen Judentums in solcher Ein-
drückliehkeit lebendig und verständlich werden, daß man hier wirklich
von einem kaum auszuschöpfenden Kompendium zur jüdischen
Geschichte sprechen darf, bleibt es doch jedem Leser überlassen, die
verschwenderische Fülle der hervorragend reproduzierten Beispiele
jüdischer Buchmalerei auch selbständig zu durchforschen und zu
interpretieren. Das Buch ist in sieben große Kapitel gegliedert, die
jeweils sehr sorgfältig und hilfreich untergliedert sind: I. „Das Universum
und der mittelalterliche Jude" (S. 13-57), II. ..Das jüdische Viertel
" (S. 59-87). III. ..Das Haus" (S. 89-111). IV. ..Die Kleidung-
IS. I 13-153). V. ..Das Berufsleben der jüdischen Gemeinde und sein
Platz in der mittelalterlichen Stadt" (S. 155-200). VI. ..Das Familienleben
" (S. 201-239), VII. „Das religiöse Leben" (S. 241-283). Es folgen
das ..Schlußwort" (S. 284), die ..Anmerkungen" (S. 285-302). die
'nst spartanisch anmutenden ..Bibliographischen Hinweise"
(S. 317-320) und einige Indices. Daß ein Sachregister fehlt, wird der
Benutzer immer wieder bedauern, wird doch dadurch die gezielte
Suche nach bestimmten Einzelinformationen zumindest teilweise
recht erschwert.

Das Buch der beiden Metzgers ist nicht nur ganz vorzüglich aufgemacht
, sondern auch in bemerkenswert einfühlsamer Weise von Ilse
Wirth übersetzt worden. Lediglich die Übersetzung von me'il mit
-Thora-Mäntelchen" wirkt störend (vgl. S. 671). Was an dieser Darstellung
des mittelalterlichen jüdischen Lebens aber immer wieder am
uefsten beeindruckt, ist die Intention, mit der die Autoren ihre aufopfernde
Arbeit geleistet haben. Am Schluß steht die Frage: ..Ist unser
Versuch nicht schon zur Genüge gerechtfertigt, wenn er uns erlaubt.
Oem einseitigen und parteiischen, demütigenden und gehässigen Bild,
baß der verzerrende Spiegel der christlichen Kunst (vgl. B. Blumenkranz
, Le Juif medieval au miroire de l'art chretien. Paris 1966) in
ben letzten Jahrhunderten des Mittelalters vom mittelalterlichen
Juden entworfen hat. das klare Zeugnis des Spiegels der jüdischen
Kunst entgegenzuhalten?" (S. 284) Nicht nur der Theologe wird
Therese und Mendel Metzger dankbaren Respekt dafür bezeugen, wie
™e aul der Grundlage genauester Sachkenntnis und in nobelster Weise
biesem Anliegen gerecht geworden sind.

Münster Wcslf. Peter Maser

Kjaer-Hansen, Kai. u. Qle Chr. M. Kvarmc: Messianischc Juden.

Judenchristen in Israel. Aus dem Dän. übers, v. N.-P. Moritzen u.
A. H. Baumann. Erlangen: Verlag der Ev.-Iuth. Mission 1983.
•94 s. 8'» Erlanger Taschenbücher, 67. Kart. DM 20.-.

Anliegen der beiden Autoren des liier anzuzeigenden Buches, des
bänischen Pfarrers Kai Kjaer-Hansen und des norwegischen Plärrers
Ole Chr. M. Kvarme. ist es. über jene Christen in Israel, ihr Leben und
Wirken, zu informieren, die sich ..als eine jüdische Minderheit im
Jüdischen Volk" betrachten und als solche ..als etwas Besonderes füh-
*n, sowohl in ihrem Selbstverständnis wie auch in der Bezeichnung,
mit der sie sich selbst benennen" (S. 181). Sie selbst nennen sich
■•messianischc Juden" und sehen sich in der Tradition der Jerusa-
K'mer Urgemcindc (S. 21 IT). Wie ..die ersten Judenchristen als Juden
lcnten und sich als Juden Fühlten" (S. 25). so verstehen sich die mestnischen
Juden trotz ihrer Taufe und ihres Bekenntnisses zu Jesus
a's dem gekommenen Messias und Sohn Gottes ..nicht als ehemalige
Juden mit einem neuen Gott", sondern ..als wirkliche Juden" (S. 74).
Ja- sie sagen sogar von sich, daß „sie .vervollkommnete' oder .vollendete
' Juden (completed Jews) sind", weil in ihrem Glauben an den
Bekommenen Messias Jesus „ihre Zugehörigkeit zum jüdischen Volk
'• ■ ■)gerade vollendet wird" (ibid.). Ungeachtet der Tatsache, daß der
Oberste Gerichtshof Israels vor Jahren schon festgelegt hat. daß „ein
getaufter Jude kein Jude mehr ist" (S. 51). insistieren die messia-

nischen Juden immer wieder und immer wieder neu auf Anerkennung
der von ihnen reklamierten jüdischen Identität, sei es auch mit gerichtlichen
Mitteln, wie etwa seinerzeit im Fall Daniel Rufeisens, der auch
über Israels Grenzen hinaus für Schlagzeilen gesorgt hatte (S. 52 II).

Als Ausdruck ihrer jüdischen Identität verstehen die messianischen
Juden nicht zuletzt ihr Befolgen des jüdischen Festkalenders (in der
jüdischen Gesellschaft Israels gewiß wohl auch eine praktische Notwendigkeit
!); allerdings haben sie den Festen durch entsprechende
Umdeutung einen spezifisch christliehen Sinn gegeben (S. 71-92). bis
dahin, daß für Pessach/Ostern etwa „die messianischc Versammlung
in Jerusalem 1977 eine eigene .Passa-1 laggada zu Ehren unseres
Herrn Jesus Messias' herausgab" (S. 80).

Trotz ihrer nur geringen Gesamtzahl „zwischen 1500 und 2000"
(S. 31) bilden die messianischen Juden keineswegs eine geschlossene
Gemeinschaft, sondern sie sind in eine verwirrende Vielzahl von kleinen
und kleinsten Gruppen zersplittert (S. 30-47); nur die wenigsten
von ihnen haben sich etablierten ..Konfessions-Kirchen" angeschlossen
(S. 42). Zwar gibt es Zusammenschlüsse von solchen Gruppen,
von einer Kirch werdung aber kann nicht die Rede sein, sofern so
etwas überhaupt angestrebt ist (S. 42 IT). Der organisatorischen Vielfalt
entspricht ein ebenso vielfältiges Gemeindeleben (S. I 1311). vor allem
aber deutet sie auf bestehende, teilweise gravierende „Unterschiede
im Verständnis der biblischen Botschaft und des christliehen Glaubens
" (S. 39IT. 42). Das Spektrum reicht dabei von der ehristolo-
gischen Deutung des Alten Testaments, die Wilhelm Vischer noch in
den Schatten stellt, über den „Beweis der Trinität aus jüdischen Quellen
", wie man ihn schon in der christlichen polemischen und apologetischen
Literatur des Hochmittelalters linden kann, bis hin zu einer
Wiederbelebung ebionitiseher Theologie (S. 93-1 12), auch wenn dies
von den messianischen Juden selbst so nicht gesehen wird.

Nur kurz behandeln die Autoren die Beziehungen der messianischen
Juden zu den „ausländischen Christen" (S. I53IT). Sorge bereitet
den messianischen Juden insbesondere der beginnende jüdisch-
christliche Dialog, an dem sie sieb bewußt nicht beteiligen, weil er sie.
deren „höchster Wunsch" ist. „daß ihr Volk Jesus als Messias anerkennen
soll" (S. 155). in dem Moment „zum Verlierer" (ibid.) werden
läßt, wenn er zur Anerkennung einer...Theologie der zwei Wege', in
der das Judentum ein Weg zu Gott für Juden, das Christentum ein
Weg zu Gott Tür Heiden ist" (S. 158), und der damit verbundenen Ablehnung
der traditionellen Judenmission Führt (wie etwa im Beschluß
der Rheinischen Synode „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen
und Juden" vom Januar 1980. auf den in diesem Zusammenhang
auch verwiesen wird, S. 185 Anm. 5). eine Haltung, die weder die
messianischen Juden noch die Autoren des Buches akzeptieren können
(S. 15611).

Damit ist denn schließlich das Thema genannt, dem im Buch
außerordentlich viel Platz eingeräumt wird, nämlich der Problematik
der Judenmission (die Autoren sprechen wie die messianischen Juden
von ..Evangelisation") und der darum sowie um angebliehe oder talsächliche
dubiose Praktiken der Judenmission (vorab ausländischer
Missionsgesellschaften) in Israel geführten Auseinandersetzung und
deren Auswirkungen auf das tägliche Leben der messianischen Juden
in ihrer jüdischen Umwelt (S. 55-68.13 1-152). Die entscheidenden
Stichworte lauten dabei: „Anti-Missions-Gesetz" (vom Dezember
1977). seine Vorgeschichte und seine Wirkungen. Hier mag indessen
die Erwähnung der Ausgangspositionen der beiden Kontrabenten in
diesem Streit genügen: „Viere Juden fassen noch immer jede evangelistische
Tätigkeit von Christen im jüdischen Volk als Provokation
auf. ganz gleich, wie ehrenwert und vorsichtig die dabei eingesetzten
Mittel sind. (. . .) Viele messianischc Juden hingegen werden zusammen
mit anderen Christen erklären, daß sie es für eine Form von Antisemitismus
halten, das Evangelium nicht mit ihren jüdischen Nachbarn
zu teilen." (S. 131)

Dem Klappentext ist zu entnehmen, daß die beiden Autoren über
längere Zeit in Israel tätig waren. Kvarme es nach wie vor ist. und aus
dieser Tätigkeit herrührende Vertrautheil mit der Situation der