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Ausgabe:

1984

Spalte:

804-805

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Metzger, Thérèse

Titel/Untertitel:

Juedisches Leben im Mittelalter 1984

Rezensent:

Maser, Peter

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Theologische Literaturzeitong 109. Jahrgang 1984 Nr. I I

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ebenso überzeugend hingegen sind sie dort, wo M. das „Tröstungsschema
" der Freunde auf Ez 18 (33,10-20) bezieht. Vom ezechielischen
Wächteramt her (Ez 3,16-21; 33.1-6) deutet er die wiederholten
Äußerungen der Freunde in den drei Redegängen. Der dritte
davon habe sich ursprünglich so aufgebaut: Kap. 22; 23,1-24,12;
25.1-6: *24.13-25(?); 26.1-4; 27,2-6; 27.7-23(7); 29,2-25;
.30,1 +(9-31); 31,35-37. Das Thema der Hiobdichtung sei die Kampfansage
an die nachexilische weisheitliche Schicksalstheologic. verbunden
mit dem „Ja zur Heilshaftigkeit unmittelbarer persönlicher
Gottes-Erfahrung". Gegen Ende seiner Behandlung der Dichtung formuliert
M: „Erst wenn Hiob erkennt, daß die Numinosität des
Schicksalsdunkels alle Menschennormen übersteigt, empfangt er die
Möglichkeit, das der Tiefe ermangelnde Gottesbild des Dogmas durch
einen der Wirklichkeit adäquaten Glauben zu überwinden." Nachdrücklich
wendet er sich gegen eine Deutung des Hiob-Dialogs gemäß
den Kategorien des Rechtes.

Der Satz: ..Die Psychologie der Tröstung verbietet geradezu eine Bestätigung
des Getrösteten, er wisse nun. was er zu denken habe" (S. 120) wird schwerlich
mit allgemeiner Zustimmung rechnen können.

Entsprechend der Überzeugung, die M. vom Werdegang des Hiob-
buches hat, sei die Dichtung von ihrem Verfasser mit dem Rahmen
2,1 1-13; 42,7-9 versehen worden. Redaktionell habe man dann das
poetische Werk der Erzählung 1.1-2,10; 42.(10.)11-17 eingegliedert,
weil man in einer späteren Zeit das Nebeneinander zweier „Hiobbil-
der" in den beiden „Hiob-Werken" nicht mehr ertragen konnte.

Endlich meint M. drei Sekundärrezensionen erkennen zu können,
die der „synagogalen Theologie" entstammten, welche sich durch die
Hiob-Dichtung herausgefordert fühlte. Sie bogen die ursprüngliche
Absicht um und ließen die Freunde Recht behalten. Zuletzt geht M.
auf sogenannte Spätgestaltungen ein. Die durch Rezensionsarbeit
geschaffenen Formen seien neben der Urgcstalt erhalten geblieben. Da
die Überlieferung widersprüchlich war, habe man alles vorhandene
Material zusammengetragen, wodurch freilich das Buch im ganzen so
verwirrend geworden sei. M. versteht es als einen literarischen Niederschlag
des Ringens um grundlegende Werte der jüdischen Frömmigkeit
in der Zeit zwischen dem Exil und der makkabäischen Ära.

Kann man den detaillierten Ausführungen seine Achtung nicht versagen
, weil sie ein großes Maß an Erkenntnissen enthalten, welche die
Wahrheitsfindung fördern oder ein Recht auf ernsthafte Prüfung bzw.
Beipflichtung haben, so löst die Publikation doch auch ein paar Einwände
aus.

Leider sind nicht wenige Fehler im Drucksatz stehengeblieben.
S. 90 wird der erste jüdische Aufsland mit 68-70 n. Chr. angegeben.
S. 91 lies Z. 4 Elihu anstelle des grotesken Hibu. S. 197 Z. 2 v. u. muß
es .Hohen' statt .Hohn' lauten. Die Fußnote 397 ist sachlich gleich
Fn. I 18; ein Verweis dorthin hätte genügt. Zweimal ist die Formel
urbi et orbi dem Kasus nach falsch angewendet (S. 71 u. 201), außerdem
an der ersten Stelle inhaltlich kaum möglich. Das mehrfach
(S. 109. 116. 124. 167. 189f. 197) in der Parallele zu quo rationc gebildete
qua iure muß doch wohl quo iure lauten. Bei Gray im Literaturverzeichnis
lies .Joshuah' (nicht Josuah'). Man findet Gordons
Ugaritic Manual genannt, obwohl danach das Textbook erschien.
Gemäß einer Bemerkung im Vorwort wurde keinerlei Vollständigkeit
bei Literaturhinweisen, und das heißt doch wohl bei Literaturverarbeitung
, angestrebt. Eine Überprüfung ließ aber zu viele-monogra-
phische Arbeiten gerade aus den letzten Jahrzehnten vermissen.
Deren Interpretationen einbezogen zu haben, wäre sicher vorteilhaft
gewesen.

Im Zusammenhang der Literaturfrage drängt sich überdies eine
ganz anders geartete Bemerkung auf. Was das Literaturverzeichnis
augenfällig macht, wird bei der Lektüre durch die Fußnoten bestätigt:
Der Autor zitiert sich selbst relativ am häufigsten. Ist das von vornherein
schon ein fragwürdiges Verfahren, so wirkt es dort besonders peinlich
, wo auch andere zu der angesprochenen Problematik das Wort
nahmen. Es sei gestattet, aus gegebener Veranlassung ein Ausrufezeichen
zu setzen, weil in der jüngeren Vergangenheit die Unsitte,

eigene Arbeiten zu zitieren, mindestens im deutschsprachigen Raum
zugenommen hat. Es gibt, wenn man es recht bedenkt, nur in den seltensten
Fällen dafür einen Grund. Deshalb wäre es zu begrüßen und
der wissenschaftlichen Debatte dienlicher, würde man davon wieder
Abstand nehmen.

Die oben schon gemachte Bemerkung, vorliegende Veröffentlichung
treibe das Gespräch über das Buch Hiob zu ihrem Teile voran,
schließt die Tatsache ein, daß in mancherlei Fällen die hier vertretenen
Standpunkte hinterfragt werden können und man hie und da die
Dinge absolut anders sehen wird. Daraufkamt freilich aus Raumgründen
und auch aus sachlichen Erwägungen nicht näher eingegangen
werden.

Le'Pzig Wolfram Herrmann

Judaica

Metzger, Therese und Mendel: Jüdisches Leben im Mittelalter nach
illuminierten hebräischen Handschriften vom 13. bis 16. Jahrhundert
. Fribourg: Office du Livrc; Würz.burg: Edition Popp im Arena
Verlag 1983, 324 S. m. 397 größtenteils farbigen Abb. 4L Lw.
DM 188.-.

Als M. Metzger 1973 seine umfassende Studie «La Haggada Enlu-
minee. I. Etüde iconographiquc et stylistique des manuscrits enlu-
mines et decores de la Haggada du Xllle au XVIe siccle» erscheinen
ließ (vgl. meine Rezension in ThLZ 101. 1976 Sp. 781-784).
waren die Reaktionen darauf ganz überwiegend positiv. In einigen
Rezensionen wurden allerdings auch in unterschiedlicher Weise Bedenken
angemeldet (vgl. z. B. J. Gutmann, in: The Art Bulletin 58.
1976, S. 440-442; G. Sed-Rajna, in: Journal of Jewish Art 2. 1975.
S. 920, die sich insbesondere auf technisch-organisatorische Mängel
dieser Publikation bezogen. In einer kleinen. 1977 in Strasbourg veröffentlichten
Schrift hat sich M. speziell mit der Kritik von Frau Sed-
Rajna auseinandergesetzt und auf die komplizierte und aufhaltsame
Drucklegung seiner bereits 1961 in Poitier vorgelegten Dissertation
hingewiesen, durch die so manche Unzulänglichkeit zu erklären sei
(vgl. M.Metzger, A propos d'un compte rendu. Strasbourg 1977).
Offensichtlich haben M. Metzger und seine Frau Therese, die wie ihr
Mann durch beachtliche Studien zur mittelalterlichen Haggada-Tra-
dition ausgewiesen ist (vgl. insbesondere Th. Metzger, Les manuscrits
hebreux copies et decores ä Lisbonne dans les dernieres decennies du
XVC siede = Cultura medieval e moderna VI. Paris 1977), sich aber
nicht zuletzt deshalb dazu entschlossen, die Ergebnisse ihrer langjährigen
Forschungen, die die intensive Förderung des Centre National
de la Recherche Scicntilique und Andre Grabars erfahren haben,
in geschlossenerer und lesbarerer Form darzubieten.

Die jetzt vorliegende Studie fußt ganz entschieden auf der vorhergehenden
und setzt deren Ergebnisse in gewisser Weise voraus. Durch
den Versuch, „ein Bild des jüdischen Lebens im Mittelalter zu bieten"
(S. 9), haben sich die Akzente jedoch in entscheidender Weise verschoben
. Die mittelalterliche jüdische Buchmalerei wird jetzt ausschließlich
als das Medium in Anspruch genommen, das dazu geeignet
erscheint, die Aussage Albert Cohens «Le malheur nc les eourbait
pas. Iis allaicnt, eclaires d'eiection, et leur complot ctait l'amour des
hommes». die dem Buch als bedeutsames Motto vorangestellt wurde
(S. 1 1), zu verdeutlichen. In der knappen „Einleitung" (S. 9lj reflektieren
die Autoren präzise die matcrialbcdingten Probleme, von
denen ihr Unternehmen begleitet ist. und bemerken - in sicherlich zu
großer Bescheidenheit: „Möge der Leser also in diesen Seiten und in
den sie begleitenden Bildern nicht eine erschöpfende Beschreibung
aller Aspekte des mittelalterlichen jüdischen Lebens suchen, wie wir
es aus den Texten und der Überlieferung kennen. Nach dem Beispiel
der Restaurierungen alter Fresken, die es sich versagen, die von Zeit
und Menschen beschädigten Bilder zu ergänzen, haben wir die .Fehl-