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Ausgabe:

1984

Spalte:

802-804

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Maag, Victor

Titel/Untertitel:

Hiob 1984

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 11

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Texte bzw. Traditionen durch Veränderung des ursprünglichen Kontextes
nach. So werden Texte oder Traditionen durch Teilzitation,
Paraphrase. Schlüsselwortbenutzung oder Anspielung miteinander
fusioniert (in Sir 24,3b z. B. Gen 1,2 mit 2,4). Hier führt Sh. außerdem
soeben genannten noch sieben weitere Möglichkeiten der redaktionellen
Neu/.uordnung ursprünglicher Traditionen vor, wie /.. ß. mit Hilfe
anthologischen Stils, selektiver Veränderung in der Zitation, synchronistischer
Nebeneinanderstellung von ursprünglich diachronisch aufeinander
bezogenen Traditionen oder Textabschnitten oder der Ausweitung
bekannter biblischer Themen, Motive, Metaphern aufandere
Gegenstände, die behandelt werden (Sh. denkt z. B. an die Verwendung
von Gichon und Pischon aus Gen 2 in Sir 24, 25-29 und an die
Kennzeichnung Palästinas als der Garten Eden, als das Paradies oder
;'n die Identifikation von gegenwärtiger Weisheit mit paradiesischem
Wisser, um Gut und ßöse in Sir 17.6-10; 108 und überhaupt
100-108). Bei diesem Umgang mit biblischen Traditionen spielt ein

• Kanon-Bewußtsein' (I. L. Seeligmann) "as a Factor in biblical Interpretation
" eine markante Rolle (109). Der Text gilt als Medium der
Interpretation (I 101), die Methode kann als synthetisierende beschrieben
werden (I I l-l 14), Subjekte der behandelten Stellen werden ausgewechselt
und identifiziert (114-116). konkret auf die Weisheit bezogen
ist Weisheit als hermeneutisches Prinzip verstanden (1 16-1 19).
Ihre Autorität, die sie im kanonischen Sinne noch nicht voll besitzt,
bezieh) sie von der (schon als kanonisches Buch) fixierten Torah. Umgekehrt
erfährt die Torah ihre aktuelle kanonische Akzentuierung
dadurch, daß sie in der Weisheit als Weg zur Weisheit erwiesen wird
(vgl. (i. v. Rad, Ev. Theol. 29. 1969. I 18). ".... wisdom funetions for
'hese post-exilic writers as a hermeneutical construet to interpret the
Torah as a Statement aboul wisdom and as a guide lo Israefs practice
°l it" (118). Nur durch diese Gründung der Weisheit im Geschäft der
Forah-Interpretation konnte sie sowohl als kanonische wie auch als
l'chtkanonische Weisheil in der nachexilischen Periode eine so unabhängige
religiöse, der Torah vergleichbare Bedeutung gewinnen und
behalten (119).

Im Anschluß an die beeindruckenden und anregenden Darlegungen
des Verfassers werden ähnliche Phänomene an alltestamenlüchen
Stellen entdeckt und beschneben (6. Kapitel, 120-158). Gegenstand
der Untersuchungen sind der Epilog des Kohelct-Buches (12.13-14).
das I loseabuchende (14.10), der Eingang des Psalters (Ps I und 2) und
die letzten Worte Dav ids (2Sam 23.1-7). Diese Studien repräsentieren
eine Reihe von "secondary redactions whieh interpret non-wisdom
'raditions in terms of wisdom", wobei für Sh. deutlieh ist. "that

* isdom was assumed to have a hermeneutical Function in the context
ol the canon and that it ollered a modcl for the Interpretation ofother
biblical narrative. prophetic. and hymnic lexts as a guide to the
"bedient life" (I 59;Conclusion to thcOT Studies. 159-160).

Die von Sh. vorgelegten Studien behandeln ein wichtiges Thema
Ur>d stoßen trotz mancher schon vorliegender Untersuchung zur
"mer- odernachalttestamentlichen Interpretation in Neuland vor. An
Sh. vorbei wird man sich mit der Trage nach dcrSapientialisierung des
Alten Testaments nicht mehr befassen können. Indessen gibt es
mancherlei Bedenken gegenüber der Auswahl des untersuchten Male-
lak und seiner Aussage- und Tragfähigkeit für die aus der Analyse
Gewonnenen Ergebnisse. Sind die Schlußfolgerungen aus den Untersuchungen
stringent nur in der vom Verlässer angenommenen Rich-
lll"!t zu ziehen oder gibt es noch andere Auslegungsmöglichkeiten?
Die auFGrund der .Fall-Studien' gewonnenen Kriterien sind sehr weit
Befaßt, so daß mit ihnen auch andere als nur sapicnticlle Interpretationsmöglichkeiten
entdeckt werden könnten (prophetische,
'"yalistische. legalistische). Die sapienlielle Interpretation traditioneller
Materialien ist in der nachexilischen Zeil nur eine von verschiedenen
denkbaren. Man müßte wohl auch weiterfragen, welche topoi
:|ux dem traditionellen alltestamenllichen Gut bevorzugt und welche
Worte rt bzw. vernachlässigt worden sind, und weshalb das so ist. So
scheint mit den Sh.sehen Studien sehr wohl ein Anfang gemacht zu
Scin, der durchaus weiterführt, der aber noch stärker abgesichert werden
müßte. Es gibt auf diesem Felde noch allerlei zu tun. Dem Autor
aber sei dafür gedankt, daß er dafür eine Schneise in das unwegsame
Gelände geschlagen hat.

Leipzig Siegfried Wagner

Maag. Victor: Hiob. Wandlung und Verarbeitung des Problems in
Novelle. Dialogdichtung und Spätfassungen. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1982. 232 S. gr. 8" = Forschungen zur Religion
und Literatur des Alten und Neuen Testaments. 128. geb. DM 52.-.

In den letzten Jahrzehnten wurde eine nicht abreißende Kette
monographischer Arbeiten zum Buche Hiob oder einzelner Teile
davon publiziert. Hinzu trat seit der Mitte unseres Jahrhunderls im
Rahmen vermehrter Kommentierung des Alten Testaments im
Schnitt pro Jahrein Kommentar zu Hiob. Diesem Bestand reiht sich
nun das vorliegende Werk an. Wohl niemand aber w ird es als entbehrlich
beurteilen, der sich eingehend damit beschäftigt hat. Es bietet eine
Fülle dessen dar, was im Rahmen der Forschung zum Verständnis
erarbeitet wurde, und vertritt außerdem eigene Positionen der Erklärung
, wodurch es zweifelsohne erheblich der Diskussion um dieses
nicht leicht verstehbare biblische Buch dient. In welche Richtung M.
zielt, deutet sogleich der erste Satz an: ..Das alttestamentliche Buch
Hiob konfrontiert den Leser mit mehr als einem religiösen Problem."
Ihm geht es weder vornehmlich noch allein um form- oder traditionsgeschichtliche
Fragen, sondern um den geistigen Gehalt, zu dessen
Erhebung er m. E. zu Recht litcrarkritischen Beobachtungen den
ihnen gebührenden Platz einräumt.

M. greift die Meinung auf, wonach Rahmen und Redeteil sekundär
miteinander verknüpft wurden. Der Hiob der Erzählung sei westlich
des Hauran. der der Dichtung in Edom angesiedelt. Ausdrücklich
wendet er sich gegen die Auffassung der Erzählung als ..Volksbuch".
Sie sei vielmehr ihrer stofflichen Disposition nach eine in nachexi-
liseher Zeil entstandene Novelle, die das Kolorit der Patriarchenzeit
trage. Der Novellist habe die alte Volksüberlieferung von Hiob verarbeitet
, sie aber entscheidend umgestaltet, so daß man von einer Neu-
schöpfung reden könne, deren Wesen vor allem in den Himmelsszenen
liege. Die Erzählung wolle insbesondere die Alternative von
Monismus und Dualismus, m. a. W. ..die Satansfrage klären helfen".
M. nimmt zwischen 2,10 und 42,10 eine der Zusammenarbeitung mit
dem Redeteil zum Opfer gefallene Himmclszsene an. in welcher sich
der Satan geschlagen geben mußte. Im Verlauf seiner Darlegungen
trägt er eine spezifische Ansicht über die Entstehung der religiösen
Figur des Satans als einer negativen, den Heilsplan hemmenden,
grundsätzlich Israel feindlichen numinosen Potenz vor. Dabei ist
allerdings der Tatsache nicht gebührend Beachtung geschenkt, daß im
Ansatz die Figur im Raum der individuellen Frömmigkeit auftaucht.
Da obendrein viel zu wenig Belege über den Satan aus der Mitte des
I. .11. v. C hr. existieren, sind sie kaum in dem Sinne auswertbar, daß
auf diese Weise ziemlich weilgehend das Problem des unverständlichen
Leidens und Unglücks bewältigt wurde, wie es die Auslührungen
M.s mindestens nahelegen.

Das ..Symbolbild" von Jahwes Hofstaat veranschauliche seine
Machtfülle, nämlich die innergöttlichen Möglichkeilen. M. sieht von
Anfang an auf einer Ebene Jahwes Hofstaat, den Himmelsrat und die
Subalterngötter. Was er in dem Zusammenhang vorträgt, erweckt
Zweifel. Gegenüber einer einseitigen Betonung des Kults ist für die
Göttervorstelrüngen auf die Bedeutung des Mythus hinzuweisen.

Kaum sachlich isi es. von der „Dunstglocke deutcronomistischerGeschichts-
kütterung" zu sprechen (S. 79).

Die Klage, der Dialogteil und die erste Gottesrede bilden nach M.
eine organische Einheit. Kap. 3 - für V. I 1-26 wie auch andere ähnliehe
Stücke gebraucht er den Gattungsbegriff „Elendsmeditation" -
und 38f (von Kap. 39 werden nur V. I*. 2*. 5. 19. 261" als echt.
Kap. 401" als sekundär erklärt) seien eng aufeinander bezogen. Die
dazu beigebrachten Begründungen verdienen Beachtung. Nicht