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Ausgabe:

1984

Spalte:

799-802

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sheppard, Gerald T.

Titel/Untertitel:

Wisdom as a hermeneutical construct 1984

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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799

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1 I

800

(118) handelt Judit, wie T. C. hervorhebt, in Freiheit von der Konvention
- damit die Überhoheit Jahwes erkennbar wird (114).

Schon angesichts solcher gewichtiger theologischer Akzentsetzungen
kann man fragen, ob die literarische Kennzeichnung von Jdt mit
Stichwörtern wie Komödie, Satire (l!5f) sachgemäß ist. Selbst
ironisch erscheinende Formulierungen dienen (wie die in doppeldeutigen
Aussagen, I 1,3.6.16) vor allem der Kontrastierung von Vorstellung
(der Redenden oder Angeredeten) und Wirklichkeit oder auch
der Täuschung der Angesprochenen (1 1,8).

Halle (Saale) Gerhard Delling

' Anders Erich Zcnger, Das Buch Judit, JSHRZ 1 6, 1981, 4301". Z.s Arheil
(dazu ThLZ 107, 1982 Sp. 507f) ist von T. C. noch nicht berücksichtigt.

Nicht (5) den von Hanhart in der Septuaginta Gottingensis 1979. Dazu vgl.
G. A. Wewers, ThLZ 106. 1981 Sp. 410-412.

' Dazu T. C. zusammenfassend auch 122. T. C. weist häulig auf den Gebrauch
gleicher Vokabeln in entsprechenden Passagen hin. Zenger (s. o. A. I)
redet von einem ..Leitworlstil" (433 f; Weiteres im Apparat).

4 Vgl. F. Buhlin PRE4.633.
Vgl. die Gegenüberstellung bei Zcnger (s. o. A. I) 432, der allerdings drei
Teile setzt, 1-3.4-7.8-16, mit P. Weimar in Joh. Maier-Jos. Schreiner, Literatur
und Religion des Frühjudentums. Würzhurg 1973. 131; zu den Stilmitteln
in Jdt überhaupt s. 131-134. T. C. (65ß trennt Jdt 1.1-2.13 als Vorrede von
Teil lab, den sie (wie Teil II) chiastisch gliedert.

* Vgl. Zenger (s.o. A. 1)433 f.

7 Beiläufig erörtert T. C. hier auch die Frage der Zuordnung von Jdt zu einer
derjüdischen Gruppen (I 18-121). mit negativem Ergebnis.

* Die nun freilich ihrerseits handelt!

Shcppard, Gerald T.; Wisdom as a Hcrmeneutical Construct. A Study
in the Sapientializing of the Old Testament. Berlin-New York: de
Gruytcr 1980. 178 S. gr. 8"=BZAW, 151. Lw. DM 78,-.

Diese B. S. Childs von der Yale University stark verpflichtete
Arbeit hat sich das schwierige Ziel gesteckt, aus der gegenwärtigen
stark differenzierten und naeh Meinung des Autors auch diffusen Forschungslage
zur alttestamentlichen Weisheit durch eine eigene
begründete These wenigstens an einer Stelle einen Ausweg zu weisen.
Für die Erfüllung dieser selbstgestellten Aufgabe bereitet das erste
Kapitel (Introduction, 1-18) das Terrain, indem es einen kurzen
Abriß der Forschungsgeschichte bietet, wobei auf die Zeit nach 1945
ein besonderes Gewicht gelegt wird, ohne daß dabei darauf verzichtet
würde, die Linien auch bis zurück in die erste Hälfte unseres Jh. zu
verfolgen. Die Einschätzung der Forschungssituation ist wohl im
wesentlichen richtig und sachzutrelfend vorgenommen und dem Aufweis
einer ganzen Reihe von Dcsiderata in der Arbeit an der alttestamentlichen
weisheitlichen Literatur nicht zu widersprechen. Definitionsprobleme
, die Skala reicht von dem ganz engen bis zu dem ganz
weiten Verständnis von .Weisheit', stehen neben Unsicherheiten in
der Bestimmung des Verhältnisses von älterer und jüngerer Weisheit
in Israel. Schwierigkeiten bereiten die Erfassung formaler Kriterien
weisheitlichen Redens und Denkens - die klassischen Gattungs- und
Formbestimmungen verfangen nicht - und die Beantwortung der
Frage nach historischen Einordnungen (Herkunft und Abhängigkeit).
Besonders kompliziert ist die Diskussion um den sogenannten .weisheitlichen
Einfluß', den viele Forscher in den Zusammenhängen
historischer, gesetzlicher und prophetischer Texte des Alten Testaments
immer wieder zu entdecken glaubten. Demgegenüber möchte
Sh. nachzuweisen versuchen, daß in einer bestimmten Periode der
Entwicklung alttestamcntlicher Literatur "wisdom became a theo-
logical category associated with an underslanding ofeanon which for-
med a perspective from which to interpret Torah and prophetie tradi-
tions. In this sense wisdom became a hcrmeneutical construct for
interpreting sacred Scriptum" (13). Fallstudien an drei charakteristischen
Texten, die nach ganz bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt
worden sind, bemühen sich darum, die Relevanz dieser These

aufzuweisen. Kriterium Für die Auswahl ist einmal der Tatbestand,
daß ein weisheitlicher Text "recall(s) earlicr OT texts found in the
biblical epic literature seen originally in a non-wisdom context", zum
anderen muß ein solcher Text aus einem größeren literarischen Zusammenhang
stammen, "in which wisdom interpretations of the OT
are likely to occur" (17). Nach Meinung des Autors entsprechen
Sir 24, Bar 3,9-4,4 und Sir 16,29-1 7,10 diesen Bedingungen.

Die Kapitel 2-4 sind den Fallstudicn gewidmet, wobei dem Text
Sir 24,3-29 ein besonders breiter Raum zugestanden wird (19-71;
Sir 16, 24-17,14; 72-83; Bar 3,9-4.4: 84-99). Zu allen drei Textstellen
ist ein kurzer Preface vorangestellt, dem sodann die ausführliche
Analyse folgt. Die Sirachstellen werden außerdem noch gesondert eingeleitet
(191). Die zu analysierenden Verse des Text komplexes werden
in der griechischen Version und in der Übersetzung vorgeführt. Leider
sind im griechischen Text viele Fehler stehengeblieben. In der Einzeluntersuchung
entscheidet sieh vieles von dem, was der Verlässer gern
nachweisen möchte. Ihm gelingt der Nachweis einer Fülle von Assoziationen
, Adaptionen, Neufassungen traditioneller Vorstellungen,
wie sie sich zu Sir 24 z. B. in der Genesis, in Exodus und im Deutero-
nomium, also vornehmlich im Pentaleuch (d. h. in der Torah) finden.
Freilich auch andere Teile des Alten Testaments werden herangezogen
, so prophetische Stellen, Psalmbelege, Parallelen aus weiteren
Wcishcitsbüchcrn, wie z. B. aus dem Hiobbuch. Einen starken Akzent
sieht der Verfasser allerdings auf der Wiederaufnahme bestimmter
lopoi aus Gen I und 2 liegen: das verheißene Land als das Eden gleichende
Land, Eden als Prototyp des gelobten Landes, das Nil, Euphrat
und Jordan als Paradiesesströme umschließen, das Land, "whcre the
Torah, as the wisdom of God, abounds" (70). "That this depiction of
Wisdom flourishing in Israel, in harmony with the earlicr picture of
llora in Sir. 24: 13-17, is not just a detached mctaphorical use of
Genesis is evident in the writer's subseejuenl Observation." Unermeßliche
Größe und Tiefe von Weisheit ruft ihre kosmischen Dimensionen
in Erinnerung (Sir 24, 5-6), in denen sie bereits aktiv war,
bevor sie auf Israel traf, wo man ihr nunmehr in der Form der Torah
begegnen kann. "Hence, the glorification of Palestine as a Sccond
Tiden, based on the uniejue presence of wisdom within it, linds itsjusti-
fication in a wisdom interpretation of the Genesis narratives" (71).
Die zweite Fallstudic, die zu Sir 16, 24-17.14, ist wesentlich kürzer
gehalten. Doch sieht der Autor die Evidenz weisheitlicher Interpretation
von alttestamentlichen Erzählungen in ihr noch deutlicher gegeben
als in Sir 24 (83).

Die Studie zu Bar 3,9—4,4 kann kurz, gehalten werden, da sich Bar
historisch unmittelbar an Sir anschließt und eigentlich nichts wesentlich
Neues erbringt. Sic soll die bisherigen Ergebnisse lediglich bestätigen
und unterstreichen (85), wobei erneut die starke Aufnahme der
Torah durch die Weisheit (u. a. Gen 6; Dtn 30), aber auch die
Behandlung von Themen aus anderen alttestamentlichen Büchern
(z. B. Hiob 28 und 38), zu beobachten ist. "This symbiosis of Torah
and wisdom, apparent already in Proverbs, has in the timc of Sirach
and Baruch led to a relativcly morc aggressive reunion of the different
parts of the canon. One part of the literature offers a theological
vitality to clarify another" (99).

Das nächste Kapitel (V., 100-1 19) versucht, eine Einschätzung der
Fallstudicn vorzunehmen. Sh. geht dabei von dem Für ihn herausgearbeiteten
Ergebnis aus. daß es "recurring wisdom interpretations of
fixed Old Testament traditions in the post-exilic period" talsächlich
gibt (100). Es lassen sich verschiedenartige Umgänge mit den herangezogenen
Texten feststellen: I. unverändertes volles Zitat eines einzelnen
biblischen Textes; 2. teilweise Zitierung mit Veränderungen
(Z.ulügungcn und Wcglassungen); 3. Schlüsselwörter oder Wortwendungen
stellen den Zusammenhang mit der zitierten Tradition her; 4.
es gibt nur Anspielungen auf den Text; 5. der spezielle Text wird
paraphrasiert; 6. Auswahl von Metaphern, die eine freie Variierung
oder Assoziierung der biblischen Geschichte mit einem entsprechenden
biblischen Text erlauben (1011). Sh. geht dann den verschiedenen
Möglichkeiten der redaktionell bestimmten Interpretation spezieller