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Ausgabe:

1984

Spalte:

54

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Albert, Karl

Titel/Untertitel:

Vom Kult zum Logos 1984

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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und transzendentalphilosophischen Sprachtheorien zu erweitern).
Verstärkt wurde dieser Trend durch eine allgemeine Hinwendung zur
Erforschung der Lebensäußerungen „primitiver" Gesellschaften,
stark gefördert auch durch den Strukturalismus (F. W. Dillistone:
Einstellungen zur religiösen Sprache, S. 7 IT). Der Theologie gaben die
Mission als „externe" und die Frage nach dem Selbstverständnis von
Theologie als einer wissenschaftlichen Kommunikationsweise als
„interne" Anstöße weitere Motivationen zur Ausarbeitung einer
„Sprachlogik des Glaubens", die nicht nur die rationalen Leistungen,
Strukturen und Implikationen der „Sprache des Glaubens" berücksichtigt
, sondern gerade auch die nicht-rationalen, symbolischen,
mythologischen Sprachelemente (J.-P. Gabus: Der symbolische Status
der biblischen Sprache und die ideologische Funktion, S. 99ff;
H. A. Meynell: Mythisches in der christlichen Religion).

Auf einige Punkte soll kurz eingegangen werden: I. Almeida versucht
in seinen „metasemiotischen Überlegungen zur Natur des religiösen
Diskurses" Einsichten aus Wittgensteins logisch-positivisti-
schem Tractatus Logico-Philosophicus mit den semiotischen Problemstellungen
der Schule von Lyon so zu verbinden, daß die „inter-
dictive" Funktion religiöser Sprache = „über Gott läßt sich nicht
reden" und deren „transitionelle" Funktion = „Reden von Gott wurzelt
im Erfahren Gottes" zugleich festgehalten werden können. Die
religiöse (paradoxale) Rede ist ihrem Wesen nach nicht objektivierende
(vom logischen Empirismus geforderte) Rede, sondern den Betroffenen
„korrigierende", „transitionelle", nämlich sich selbst in den
Glaubensvollzug hinein aufhebende Sprache (unter Verweis auf
R. Bultmann: Welchen Sinn hat es von Gott zu reden?). - H. Dethier
nimmt hier die Debatte um das Entmythologisierungsprögramm zwischen
Bultmann und Jaspers auf und versucht, mittels der „Chiffre"
von Jaspers den Transzendenz-Bezug religiöser Sprache sicherzustellen
(S. 63ff). - Einen weiteren interessanten Versuch, neben den Fragen
nach der operativen Funktion (A. Vergote: Die operative Funktion
des Namens Gottes, S. 79ff) und nach dem symbolischen und
ideologischen Status biblischer, theologischer, überhaupt religiöser
Sprache (S. 99ff) die „Logik der Erlösung" zu beschreiben, hat
G.-Ph. Widmer vorgelegt (S. 111 ff). Das „Wort vom Heil" kann als
das „organisierende Prinzip" bezeichnet werden, das dem christlichen
Diskurs Sinn und Bedeutung, Richtung und Inhalt gibt. - W. J. Sama-
rin hat in diesem Zusammenhang gefordert, die Analyse aufdie implizierten
Lebensformen mit den sprachlichen und nichtsprachlichen
Verhaltensweisen auszuweiten und dadurch die sprachlogische und
soziolinguistische Intention zu verbinden (S. 37ff). Hier liegt noch ein
weites interdisziplinäres Arbeitsfeld. - In letzter Zeit hat man das
Augenmerk auf die „metaphor logic" religiöser Sprache gelenkt.
MacCormac hatte schon früher die „generative Transformationsgrammatik
" im Sinne Chomskys auf die religiöse Sprache angewandt:
Wenn man die semantischen (neben den syntaktischen und phonolo-
gischen) Merkmale der Konstituenten eines Satzes wie „Gott rechtfertigt
den Menschen durch Jesus Christus im Glauben" analysiert
und ihre Bedeutung aus deren semantischer Vieldeutigkeit durch
Selektion gleichsam herausdestilliert, dann läßt sich so etwas wie eine
„Tiefenstruktur" eines solchen religiösen Satzes semantisch interpretieren
(S. 159IT). Ciegenüber den nicht-kognitivistischen Theorien hat
dieser Ansatz den Vorteil, daß er religiöse Sätze als kognitive Sätze
aufnimmt, ohne dabei die Vieldeutigkeit religiöser Sprache ablehnen
zu müssen. - W. A. de Pater u. a. haben die dabei implizierte Unterscheidung
(Trennung?) von Syntax und Semantik aufzuheben versucht
durch die Integration der Performativfunktion der Sprache in
die semantische Basis. Unter Pcrformativen werden Sprachhandlungen
verstanden (im Sinne von Austin und Ramsey), die zusammen mit
der syntaktisch-semantischen Sprachgestalt die Intentionen des Sprechers
und dessen sprachlichen Kontext mitenthalten. So entwickelt de
Pater eine die Transformationsgrammatik, die Performativfunktion
der Sprache und die Rolle des Sprechers umfassende Theorie religiöser
Sprache als interpretätiver Weltdeutung im Sinne einer „Logik des
theologischen Stammeins", eines „Redens von einem Geheimnis:

Gott als die immanente Transzendenz" (Theologische Sprachlogik,
1971 bzw. S. 18HT am Beispiel des Gebetes; zit. S. 209). - Eine
Gruppe von Beiträgen ist dem Thema „Text - Kontext" gewidmet.
P. Ricoeur geht dem Verhältnis von Text und Glaubenserfahrung
nach unter der Fragestellung „Nommer Dieu" = „Gott einen Namen
geben" (S. 343 ff).

Zweifellos steckt in dieser Sammlung mehr an Informationen, Anregungen
, Provokationen, aber auch an Fragen und Problemen, als
wir hier explizit sagen und aufnehmen können. Deswegen möchte
man diesem Buch viele interessierte, über die „kontinentale" Theologie
hinausfragende Leser wünschen (unter Verweis auf die ausgezeichnet
eingeführte Textsammlung von I. Dalferth: Sprachlogik des Glaubens
, 1974).

Rehburg-Loccum Uwe Gerber

Albert, Karl: Vom Kult zum Logos. Studien zur Philosophie der Religion
. Hamburg: Felix Meiner 1982. VIII, 132 S. gr. 8°. Geb.
DM 38,-.

Die Weg- und Denkrichtung von der Religion zur Philosophie ist
von W. Nestle als die „vom Mythos zum Logos" verstanden worden.
Vf. beschreitet in den vorliegenden Studien den Weg vom Kult zum
Logos. Er versteht das nicht als einen einmaligen Vorgang, sondern als
immer neues Ereignis. Dem folgen dann auch entsprechende Aussagen
über Religion und Philosophie im einzelnen. Folgende z. T.
bereits erschienene und zum andern Teil für diese Publikation neu
bearbeitete und auch umgearbeitete Themen werden behandelt: Kult,
Mythos, Metaphysik (1-15); Notizen zum Gedicht des Parmenides
(16-32); Piatons Lehre von der Katharsis (33-45); Das Kultische im
„ontologischen Gottesbeweis" (46-58); Meister Eckharts Mystik
(59-71); Giordano Bruno und der Mythos vom Tod des Aktaion
(72-84); Hegel über Philosophie als Gottesdienst (84-97); Kult, Gebet
und Kontemplation bei Karl Jaspers (98-107); Romano Guardinis
„Geist der Liturgie" (108-114); Metaphysik des Festes (115-126). Ein
Namen- und Sachregister beschließt das Buch, ein Vorwort eröffnet
es. Aus letzterem erfahrt man, daß der Vf. die Studie über Metaphysik
des Festes (zuerst veröffentlicht in ZRGG 19, 1967, 140-152) als
„Keimzelle" für den angezeigten Band versteht.

M. P.

Systematische Theologie: Allgemeines

Reuter, Hans-Richard: Die Einheit der Dialektik Friedrich Schleiermachers
. Eine systematische Interpretation. München: Christian
Kaiser-Verlag 1979. 290 S. gr. 8' = Beiträge zur Evangelischen
Theologie, 83.

Die vorliegende Heidelberger Dissertation ist durch den Eindruck
veranlaßt, Schlciermachers Dialektik „warte" noch darauf, so „aufgeschlossen
" zu werden, daß „sich ihre abstrakte Formclhaftigkeit in
eine anregende Mitteilung verwandelt", „die es erlaubt, mit ihr zu
denken und sie nicht bloß wiederum formelhaft zu reproduzieren"
(I 50- Diese Erwartung des Gegenstandes selbst will Reuter erfüllen.
Er faßt Schlciermachers Vorlesungsunterlagen (Ausgabe Jonas) als
Sprachgestalt (Symbol) einer Denkbewegung auf. die deshalb, weil sie
jedenfalls „Selbstbewußtsein" thematisiert, in der „lebendigen"
„Selbsterfahrung" dessen ihre Wahrheit erweisen wird, der sich auf
ihren Nachvollzug einläßt (52f). Daraus ergibt sich für Reuter die
methodische Regel, der Bewegung des in Schleicrmachers Aufzeichnungen
zur Dialektik notifizierten Gedankenganges zu folgen, „ihn zu
buchstabieren", und d. h.: ihn „zunächst einmal immanent nachzu-
vollziehen, ohne ihm... dauernd dazwischenzureden" (17(T). In
Befolgung dieser Regel liefert die Arbeit in fünf Kapiteln detaillierte