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Ausgabe:

1984

Spalte:

723-725

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Werner H.

Titel/Untertitel:

Exodus, Sinai und Mose 1984

Rezensent:

Osswald, Eva

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Theologische Literaturzeilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 10

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Nature of Textual Criticism, 1-10), befaßt sich dann mit den rabbini-
schen Vorläufern der Textkritik (Rabbinic Antecedents of Textual
Criticism, 1 1-24) und mit Ziel und Grenzen der Textkritik (25-37).
Die folgenden vier Kapitel stellen die textkritische Arbeit im einzelnen
dar. Am umfangreichsten ist Kap. 4: "Recurring Types of Error"
(38-69): Verwechslung ähnlich aussehender Buchstaben und Wörter,
Vertauschung von Buchstaben innerhalb eines Wortes, falsche Teilung
von Buchstabengruppen in Wörter, Ditto- und Haplographie,
Homoioteleuton und - das ist neu - Irrtümer, die beim Abschreiben
durch falsches Verständnis des Kontextes (vgl. ISaml7,7 oder
Jes 10,32) sowie durch phonetische Schreibung der Wörter entstanden
sind. Kap. 5 "Unspecified Types of Error" (70-78) führt Fehler vor,
die im Auslassen von Buchstaben und Wörtern bestehen und auf mangelnde
Sorgfalt oder gar Übermüdung des Abschreibers zurückgehen,
die aber, wenn sie nicht durch Paralleltexte oderdie alten Übersetzungen
deutlich erkennbar sind, nur vom Kontext her wahrscheinlich
gemacht werden können, was zu größter Vorsicht mahnt. Es folgt
dann ein Abschnitt über "Glosses and Editorial Notes" (79-90).
Darin werden "explanatory or exegetical glosses", "variant traditio-
nal readings", "pious sentiments" und eben auch "editorial notes"
wie die Schlußbemerkung von Ps 1,3 oder auch Jes 2,9 unterschieden.
In diesem Kapitel macht Vf. u. a. auch auf eine „protomassoretische
Bemerkung" in Ps 61,8 aufmerksam, die dann in den Text aufgenommen
und fälschlich man vokalisiert wurde, wo sie doch von Haus aus
anzeigen wollte, daß das Wort jinseruhu hier ausnahmsweise mit vollem
Nun (male' nun), dann abgekürzt m'n, geschrieben wurde. Im
letzten Kapitel wird die Möglichkeit behandelt, einen dunklen Text
auch durch eine andere Bedeutung eines Wortes in einer semitischen
Schwestersprache zu erhellen. Als Beispiel wird auf das arabische
wadu'a .niedrig, schwach sein' verwiesen und von daher das jd' von
Ri 16,9 und Jes 53,3 interpretiert. Hier vermißt man ein Beispiel aus
der ugaritischen Lexikographie, die ebenfalls zum besseren Verständnis
dieses oder jenes hebräischen Wortes beigetragen hat. "Conclu-
ding Remarks" (96-97), in denen noch einmal die statistisch geringe
Zahl wirklicher Textfehler betont und damit die Mahnung begründet
wird, sehr behutsam in der Annahme eines Fehlers zu sein, was allerdings
nicht das grundsätzliche Recht des Exegeten auf eine freie Konjektur
bestreitet, beschließen das kleine Lehrbuch, dem man weite
Verbreitung und auch eine Übersetzung ins Deutsche wünschen
möchte.

Greifswald Hans-Jürgen Zobel

Schmidt, Werner H.: Exodus, Sinai und Mose. Erwägungen zu
Ex 1-19 und 24. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
1983. VIII, 165 S. 8- = Erträge der Forschung, 191. Kart.
DM 37.50.

Es ist sehr erfreulich, aus der Feder von Werner H. Schmidt, dem
die Erklärung des Buches Exodus im Biblischen Kommentar (II,
1972ff) anvertraut ist, eine solche Arbeit, die über die bisher von ihm
im Exoduskommentar bearbeiteten Texte hinausgeht, in Händen zu
halten. Gesetzestexte mit ihrer eigenen und andersartigen Problematik
sind in dieser Publikation bewußt ausgespart worden. Wie er selbst
im Vorwort sagt (S. VII), wäre für diesen Band der Reihe „Erträge der
Forschung" der Titel „Probleme der Forschung" angemessener, weil
die allgemein als gesichert betrachteten Ergebnisse spärlich sind. Jeder
, der die Geschichte und die gegenwärtige Lage der Forschung über
das Buch Exodus und über Mose einigermaßen überblickt, wird ihm
darin recht geben.

Der Vf. bemüht sich zunächst, im ersten Teil einen Einblick in die
Moseforschung zu geben, nicht einen Überblick, der auf so knappem
Raum nicht möglich wäre. Dabei läßt er, wie auch in den anderen Teilen
der Darstellung, die Forscher nach Möglichkeit in ausführlichen
Zitaten selbst zu Wort kommen. Im ersten Unterteil „Hauptfragen der
Moseforschung" wird bei der Behandlung der Frage nach der Heimat

des Mose, d. h. der überlieferungsgeschichtlichen Verwurzelung seiner
Gestalt, die Aufmerksamkeit, freilich vorsichtig fragend, auf die
Midianilerüberlieferung gelenkt, die sich mit anderen Traditionen
überschneidet, um im letzten Teil darauf noch einmal zurückzukommen
.

Im zweiten Unterteil „Etappen der Moseforschung" versucht der
Vf. zu zeigen, daß sich die Moseforschung „als ständig fortschreitender
Abbau zuvor gültiger Voraussetzungen verstehen" läßt (S. 4). Sie
hat in M. Noth ihren Endpunkt erreicht, „um von da an innezuhalten
oder rückläufig zu werden" (S. 4). M. Noths „Überlieferungsge-
schichte des Pentateuch" (Stuttgart 1948; "i960, unveränderter pho-
tomechanischer Nachdruck) wird als Standardwerk bezeichnet
(S. 13), doch spricht der Vf. nicht, wie Noth, von „Hauptthemen" des
Pentateuch, sondern in zutreffender Weise von „Überlieferungsblöcken
".

Bei der Behandlung der neueren Tendenzen der Moseforschung
wird gezeigt, daß eine allgemein anerkannte Lösung noch nicht in
Sicht ist. Gegen diejenigen, die damit rechnen, daß die Mosegestalt in
mehreren Überlieferungsblöcken zu Hause ist, wendet sich der Vf.,
weil nach seiner Ansicht die Gefahr besteht, „daß die in ihrer Historizität
so umstrittenen alttestamentlichen Überlieferungen doch zu biographisch
gelesen werden" (S. 17). Um eine „Biographie" des Mose
geht es aber dabei ganz gewiß nicht.

Gelegentlich finden sich in diesem Abschnitt gute grundsätzliche
Bemerkungen. Historische Kritik, so notwendig sie ist, sollte „ihre eigentliche
Aufgabe nicht vergessen, den vorliegenden Text zu verstehen
" (S. 18). „Schafft die Kritik mit immer weitergehender Aufteilung
der Überlieferungen nicht ebenso schwierige Probleme, wie sie lösen
möchte? Wie werden Entstehung und Werdegang der Überlieferung
bis zur vorliegenden Textgcstalt überhaupt verständlich?" (S. 18) Zurückhaltend
äußert sich der Vf. mit Recht gegen die Aufstellung von
Hypothesen, wenn er schreibt: „Zur Wissenschaft gehört die Strenge
der Argumentation und die Zurückhaltung in der Spekulation."
(S. 19)

Nach diesem Einblick in die Forschungsgeschichte folgen in den
Teilen 11-VII Ausführungen über Israel in Ägypten, Moses Jugend
und Berufung, den Auszug, Offenbarung am Sinai, Führung in der
Wüste, die Midianiter und Mose, wobei die Frage, mit welchen Überlieferungen
Mose primär verbunden ist, eine wichtige Rolle spielt. Mit
aller Vorsicht wird die Meinung vertreten, daß Mose der Ägyptengruppe
die Hilfe Jahwes vom Sinai zusagte (S. 48). Was die Sinaitradition
betrifft, so vertritt der Vf. die Ansicht, daß M. Noth (ÜP, S. 46)
die traditionsgeschichtliche Verwurzelung des Mose in der Sinaitradition
mit mehr Recht in Zweifel zieht als seine primäre Verbindung
mit der Exodustradition (S. 77), doch ist zu bedenken, daß „dasselbe
kritische Unternehmen, übertragen auf Jahwe", „auf unüberwindliche
Schwierigkeiten" stößt (S. 77). In den Einzeltraditionen über die
Führung in der Wüste ist nach Ansicht des Vf. die ursprüngliche Verwurzelung
des Mose kaum begründet zu erweisen, so daß diesen Traditionen
in dieser Hinsicht nicht dieselbe Bedeutung zukommt, wie
der Auszugs- oder Sinaitradition (S. 920- Hinsichtlich der Beziehung
des Mose zu den Midianitern hält der Vf. Zweifel an der Echtheit der
Überlieferung für nicht ausreichend begründet fS. 112). Die Midiani-
terschicht hilft, Verbindungen zwischen den Traditionsblöcken wahrzunehmen
(S. 128).

Was die Stellung des Vf. zu anderen Problemen betrifft, so ist folgendes
hervorzuheben: Als historischer Kern der Überlieferung vom
Aufenthalt Israels in Ägypten ist zu betrachten, daß wahrscheinlich
im 13. Jahrhundert v.Chr. „eine nachher in Israel aufgegangene
Gruppe" im Ostdelta lebte und dort zu Bauarbeiten herangezogen
wurde (S. 31). Die Frage, wie alt die Verbindung von Passah und Auszug
ist, wird vorsichtig dahingehend beantwortet, daß der Passahritus
in der Zeit vor der Entstehung des jahwistischen Geschichtswerkes in
die Exodustradition eingefügt wurde (S. 60). In zutreffender Weise
wird herausgestellt, daß der Bericht von der Errettung am Meer als
Glaubenszeugnis zu betrachten ist (S. 63). Wenn auch der Hergang des