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Ausgabe:

1984

Spalte:

681-683

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Neumann, Karl

Titel/Untertitel:

Der Praxisbezug der Theologie bei Karl Rahner 1984

Rezensent:

Hübner, Siegfried

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681

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 9

682

Gleason. R. N.! Calvin and Bavinck on the Lord's Supper (WThJ 45. 1983

S. 273-303).

Guigues I". Prieur deChanreuse: Les Meditations(recueil de pensees). Inlro-
duction. Texte critique. Traduction et Notes par Un Charlrcux. Paris: C'crf
1983.384 S. 8- = Sourcest'hrctiennes. 308. ITr 189.-.

Peiter. Hermann: Nachfolge Christi bei Schleiermacher und Luther
(DtPfrB! 84. I984S. 68-71).

Systematische Theologie: Allgemeines

Neumann. Karl: Der Praxisbezug der Theologie bei Karl Kahner.

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1980.4.32 S. gr. 8" = Freiburger theologische
Studien. 1 18. Kart. DM 65.-.

Die von H. Fries betreute und 1978 vom Fachbereich katholische
Theologie der Universität München als Dissertation angenommene
Studie bietet mehr, als ihr Titel vielleicht auf den ersten Blick erwarten
läßt. Nicht um einzelne Themen und Aspekte der Theologie
K. Rahners (=R.). die für die Praxis des Glaubens und der Kirche
bedeutsam sein können, geht es dem Vf., sondern um die Erforschung
des Grundverhältnisses zwischen Theorie und Praxis, das in dieser
Theologie realisiert und ausgesagt wird. Kr greift damit ein Kernproblem
aus der aktuellen Diskussion über Grundlagen und Zukunft
der Theologie auf. wobei er mit dem letzten Ziel, dem seine Arbeit
gelten soll, zugleich schon kundtut, wie er optiert. Er will dazu beitragen
. ..daß Theologie sich bewußt bleibt, was Reden von Gott heißt:
daß es eine Lebenspraxis impliziert, die zur Wahrheil des Redens
gehört: . . . daß sie nicht Selbstzweck ist. sondern Dienst: Dienst an
den Menschen und ihrem Heil, und Dienst an dem. von dem Theologie
redet" (17). In der Theologie R.s sieht er ilafür ein Paradigma, das
vorzustellen sich lohnt, da ihr Bezug zur Lebens- und Glaubenspraxis
in die Augen springt, aber noch nicht Gegenstand einer derartigen
Untersuchung war.

Mit einem noch offenen Begriff von „Praxis" geht der Vf. das Werk
R.s an, das in seiner ganzen Breite, auch in seinen spirituellen und
Pastoralen Beiträgen, gesichtet wird. Was er daraus erhebt, wird in
14 Kapiteln vorgelegt. In dieser Reihe, deren Glieder unterschiedlichen
Gewichts nicht nochmals gruppiert sind, zeichnen sich drei
Themenkomplexe ab. Im ersten (Kap. 1-5, 19-136) wird an bestimmten
Merkmalen des R.sehen Denkens und Redens - an ..Sprache und
Stil", einer auf Verstehen und Versländlichmachen angelegten „Methode
", dem „Bemühen um das Ganze" und der „Konzentration auf
das Wesentliche" - in denen sich zunächst eine eigenartige Spannung
zwischen Praxisferne und Praxisnähe zeigt, ein pastoraler und missionarischer
..(irundimpuls" als alles bewegende und treibende Kraft
nachgewiesen. „Gnade" und „Liebe" sind die beiden Stichworte, die
am Ende dieser Darlegungen das Zentrum bezeichnen, auf das R. die
gesamte Glaubenswirkliehkeit zurückführt. In einem zweiten Schritt
(Kap. 6-9. 137-276) greirt der Vf. diese auf und verfolgt sie als „Konzentration
auf Erfahrung" und „Konzentration auf Praxis" bis in die
daraus resultierenden Konsequenzen: den „Vorrang der Lebenspraxis
" vor ihren „Objcktivationcn" und vor aller „Reflexion". An
dritter Stelle (Kap. 10-13. 277-393) wird das Theologieverständnis
R.s behandelt, das dem Glauben und der Verkündigung Priorität gegenüber
der theologischen Reflexion zuerkennt und letzlere wesentlich
auf Verkündigung und Pastoral bezieht. Ausführlich wird hier
auch auf den Beitrag R.s zur Weiterentwicklung der katholischen
Pastoraltheologic zur „Praktischen Theologie" eingegangen. Am
Schluß (Kap. 14. 394-412) läßt der Vf. sein Ergebnis zusammen:
Theologie ist „praktische Wissenschalt", weil sie „aus dem Kontakt
mit ihrem .(iegenstand' herkommt und praktische Anweisung ist, vor
diesen .(iegenstand' zu kommen" (411).

Die Mitte der Studie ist zugleich ihr Schwerpunkt Hier dringt die
Untersuchung zu den letzten Gründen und Prinzipien vor. die das gesamte
Denken R.s bestimmen und alle einzelnen Aussagen, die sich in
einer breit gefächerten Vielfalt von Themen zu verlieren scheinen.

von innen zusammenhalten und in ihrer wurzelhaften Einheit und
Einfachheit verstehen lassen. Breiten Raum nimmt die Erörterung des
R.sehen Verständnisses von „Gnade" und deren „Erfahrung" ein.
Das entsprechende Kapitel (Kap. 10, 137-200) ist mit Abstand das
umfänglichste des Werks. Voraussetzungen, auf denen dieses Verständnis
beruht, werden eingehend besprochen: die weittragende Unterscheidung
zwischen einem ursprünglichen, unreflex vollzogenen
wissenden Bei-sich-Sein eines geistigen Subjekts und dem reflektierenden
Wissen, das das in der ursprünglichen Erfahrung und Lebenstat
Gegebene nie adäquat einholen kann; der für das Denken R.s
fundamentale Begriff von „Erkenntnis", wonach deren Wesen nicht als
Vermögen durchschauender Gegenstandserkenntnis, sondern als „Vermögen
des Geheimnisses" bestimmt wird, dessen eigentlicher Akt das
Ergriffcnwerden. die liebende Ekstase in das Geheimnis ist, in die sich
alle Erkenntnis aufheben muß: die Verhältnisbestimmung zwischen
Erkenntnis und Freiheit als „Pcriehorese", die ihren innersten Grund in
den beiden Weisen der Selbstmitteilung Gottes - als „Wort" und als
..(Seist" - hat. und aus der sich „Liebe" als das entscheidende Stichwort
für das Verständnis Gottes und des Menschen ergibt. Das Zentrum der
R.sehen Theologie wird damit zugleich als der Schnittpunkt vorgestellt,
in dem sich die Linien aus letzten theologischen und anthropologischen
Erkenntnissen und Erfahrungen treffen. So erarbeitet der Vf. in diesen
Kapiteln einen Schlüssel zum tieferen Verstehen des schon anvisierten
Gesamtphänomens der Theologie R.s und der im Fortgang der Untersuchung
zur Sprache kommenden Einzelaussagen. Er führt auch vor,
wie mit seiner Hilfe so umstrittene Theologumena wie das von einem
„anonymen Christentum", einzelne hervorragende Werke wie der
„Grundkurs des Glaubens", aber auch die von R. ausgehenden Impulse
in die Praxis der Kirche hinein und zu ihrer Reform sachgerecht zu
orten und zu beurteilen sind.

Kritik, die zu den Positionen R.s geäußert worden ist, vermerkt der
Vf. nur am Rande, meist mit kurzen Stellungnahmen zugunsten R.s.
die aber nicht als Ertrag detaillierter Auseinandersetzungen erscheinen
. Er bedauert, daß Ansatzpunkte für das ökumenische Gespräch,
die er gegeben sieht, von evangelischen Autoren nicht aufgegriffen
wurden. In einem längeren Abschnitt zieht er das Theologieverständnis
von W. Pannenberg heran, um durch einen Vergleich die für das
Denken R.s charakteristische „Zirkelstruktur" des Glaubens und der
Glaubensbegründung zu demonstrieren (293-312). Wo er selbst vorsichtig
kritische Bedenken anmeldet, gefährden diese nicht sein Beweisziel
. Dem mehrfach angesprochenen Mangel an konkreter empirischer
Einzelerfahrung in R.s Theologie steht seine l Überzeugung gegenüber
: „Aber das Entscheidende ist bei ihm gegeben: daß Erfahrung
bei ihm nicht nur ein Thema ist, sondern seine Theologie aus der Erfahrung
ihres Gegenstandes herauswächst." (19.3) Eine noch intensivere
Praxisbezogenheit der Theologie hält er aber für möglich und
notwendig. Dabei denkt er an eine stärkere Berücksichtigung der Bedingtheit
aller Theorie durch gesellschaftliche Praxis und verweist auf
die politische Theologie von J. B. Metz und die Theologie der Befreiung
, in denen er die praktischen Intentionen R.s weitergeführt
sieht.

Insofern die Studie auch der Entstehung und Entwicklung der
Theologie R.s nachgeht, wirft sie ein Licht auch auf deren Hintergründe
, auf Bezüge zu den „großen Lehrmeistern" R.s - Ignatius von
Loyola und Thomas von Aquin - und auf biographische und zeitgeschichtliche
Zusammenhänge. Dabei hat sich aber der Vf. manchmal
eher von Eindrücken und Vermutungen als von gesicherten Befunden
leiten lassen. Es wird deshalb ratsam sein, nicht unbesehen zu übernehmen
, was einzelnen Phasen und Entwicklungsschritten der Theologie
R.s zugeschrieben wird.

Wie der Vf. in seinen Auslührungen R. selbst zu Wort kommen
läßt, wie er Akzente setzt, mitunter auch durch Wiederholungen, wie
er auf „Topoi" im Denken und in der Diktion R.s - Schriflwortc. Leitbilder
, Prinzipien - aufmerksam macht und sie durch viele Querverweise
belegt, das zeugt nicht nur von einer Sachkenntnis, die über das
hinausgeht, was für den unmittelbaren Bedarf seiner Unternehmung