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Ausgabe:

1984

Spalte:

675-676

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bornert, René

Titel/Untertitel:

La réforme protestante du culte a Strasbourg au XVI. siècle 1984

Rezensent:

Birmelé, André

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Seite 1

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675

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 9

676

S. 67-94, über die doppelte Schöpfung), einzusehen gewesen. Auch
wenn die Verfasserin mehrmals auf die vielfache Motivation der
Jungfräulichkeit hinweist, kommt sie darum nicht dazu, die proto-
logischen gegenüber den anderen Motiven richtig zu gewichten.
Muß es nicht auffallen, daß sie das wichtige biblische Thema vom
inneren und äußeren Menschen (2Kor4,16) übergeht (vgl. S. 41)'?
Wäre nicht die Entwicklung des Mönchtums im vierten Jahrhundert
zu berücksichtigen gewesen, von der her vor allem zu verstehen ist,
warum in jener Zeit die Traktate über die Jungfräulichkeit so zahlreich
werden (vgl. dazu außer den einschlägigen kirchengeschichtlichen
Studien auch S. Frank. Aggelikos Bios, Münster 1964)'? Vor
allem bleibt das Verhältnis der protologischen Motivation der Jungfräulichkeit
aus der platonischen Tradition zu jener aus der apokalyptischen
Überlieferung zu wenig geklärt. Die Hinweise verschiedener
Autoren auf den Enkratismus in den sog. judenchristlichen Schriften
werden zwar mit mehr oder weniger Reserven referiert (S. 159-164).
Doch die Frage wird nicht weiter erörtert, wie weit auch die apokalyptische
Tradition den Anstoß dazu gegeben hat, die eschatologischen
Motive auf die protologischen auszudehnen, vom Endzustand auf den
Anfang zu schließen. Es ist denn auch bezeichnend, daß 2Klem 14
nicht zur Sprache kommt. Gewiß ging es in der interessanten Untersuchung
darum, eine bisher wohl zu wenig beachtete Motivation der
christlichen Jungfräulichkeit klarer herauszustellen. Eine exaktere
und vielleicht auch geschichtlich wertende Abgrenzung dieser gegenüber
den anderen Motiven hätte indes ihr beachtliches Ergebnis
zweifellos noch mehr abgerundet (vgl. immerhin die zusammenfassenden
, in der Untersuchung selbst aber zu wenig begründeten Bemerkungen
aufS. 200).

Rom Basil Studer

Bornert, Rene: l.a reforme protestante du culte a Strasbourg au XVI'
sieele (1523-1598). Approche sociologique et interpretation theo-
logique. Leiden: Brill 1981. XVIII, 654 S. gr. 8" = Studies in Mcdie-
val and Reformation Thought, XXVIII. Lw. hfl 220.-.

Es hat auch in der Vergangenheit immer wieder Arbeiten gegeben,
die Aspekte des Gottesdienstes und der Gottesdienstreform im
16. Jahrhundert in Straßburg kurz behandelten, es gab jedoch noch
keine vollständige Studie zu diesem Thema. Das bemerkenswerte
Buch von R. Bornert schließt nun die Lücke.

Das Werk von Bornert ist eine ausgezeichnete (und umfangreiche!)
Studie, die durch ihre Erkenntnisse, ihre Bibliographien und zum Teil
bisher unbekannten Quellenangaben ein unumgängliches Buch darstellt
Für jeden, der die Straßburger Reformationsgeschichte untersuchen
will.

Bornerts Werk umläßt drei wesentliche Teile. Der erste Teil ist geschichtlicher
Art. Der Autor untersucht die Geschichte des Gottesdienstes
in Straßburg von 1524 bis 1598. Dieser erste Teil ist sehr
reich an Informationen. Ein besonderes Gewicht liegt auf dem Einfluß
Cupitos und hauptsächlich Bucers, die die entscheidenden Impulse für
die Gottesdienstreform in Straßburg gaben. Doch wurde ihr besonderer
Beitrag durch die Lutheraner unter Marbach und schließlich
durch die lutherische Orthodoxie in Frage gestellt. Bornert bedauert
diese Entwicklung, die zum Verbot des calvinistischen Gottesdienstes
und zur Unterdrückung des katholischen Gottesdienstes führte
(S. 240-245). Für ihn ist der besondere Ansatz Bucers ein interessanter
Vermittlungsversuch, sowohl zwischen den verschiedenen reformatorischen
Strömen wie auch im Verhältnis zur römischen
Kirche. Er unterteilt diesen ersten historischen Teil in 4 Hauptetappen
(1524-1530, 1530-1549, 1549-1563 und 1563-1598), von
denen die zweite Etappe die Besonderheit der Straßburger Reformation
am deutlichsten zeigt. In diesem historischen Teil berücksichtigt
Bornert nicht nur die Stadt Straßburg, er zieht viele Verbindungen
zu anderen Orten (kleinere Städte und auch Dörfer) der Straßburger
Umgebung. Hier hätte man wohl einige Verbindungen zur allgemeinen
Reformationsgeschichte der oberrheinischen Gegenden
noch genauer herausarbeiten können.

In seinem zweiten Teil untersucht Bornert die theologischen Prinzipien
(prineipes theologiques), die den neuen Gottesdienst in Straßburg
begründeten. Nach Kapiteln über die Autorität der Schrift, die
wahre Lehre, das Glaubensbekenntnis und die Tradition folgt ein
wichtiger Teil über Geist, Wort und Sakrament und deren Konsequenzen
Für das Tauf-, Abendmahls- und Beichtverständnis (Kap. 8
bis 11). Die Frage des Verhältnisses von Geist, Wort und Sakrament
ist eine entscheidende Frage für die Entwicklung der Straßburger
Liturgie. An diesem Punkt wird die Besonderheit von Bucers Theologie
deutlich. Die Erneuerung des Gottesdienstes in Straßburg ging
nicht so sehr vom Predigtgottesdienst als von der erneuerten Meßfeier
aus. Auch wenn er es nicht ganz deutlich ausspricht, so scheint
Bornert hier Für Bucer und seine Freunde gegen Wittenberg zu plädieren
. Er bedauert daher den Einfluß von Marbach, der die Straßburger
Situation hinter das bisher Erreichte zurückfallen ließ.

An dieser Stelle ist es interessant festzustellen, daß der Benediktiner
Rene Bornert bisher hauptsächlich durch Arbeiten über die byzantinische
Liturgie bekannt war. Man spürt daher in diesem seinem neuesten
Buch diese Liebe zur byzantinischen Liturgie, die er der scholastischen
vorziehen möchte. Bucer scheint in seinen Augen Erbe einer
gewissen byzantinischen Tradition zu sein, die mit dem Begriff des
Symbols sehr vertraut war. Da Bucer in seiner Pneumatologie andere
Akzente setzt als die Wittenberger, ist es ihm möglich, den Begriff des
Symbols zu betonen. Er kann Zeichenhaftigkeit übernehmen und sie
mit einer Realität füllen, ohne dabei in die Dualität Luther-Zwingli
einzugehen. Dieser Gedanke liegt diesem zweiten Teil an vielen Stellen
zugrunde und ist wohl eine der Besonderheiten der Straßburger
Situation, auch wenn Bornert diese These nicht in dieser Deutlichkeit
formuliert.

Der dritte Teil schließlich hat als Titel ..Transformations morpho-
logiques", er ist den morphologischen Veränderungen der Liturgie
gewidmet. Bornert untersucht die verschiedenen liturgischen Formulare
und die daraus folgenden neuen Formen von Liturgie, Predigt.
Taufe, Abendmahl. Ordination und Installation der Amtsträger,
Krankenseclsorge und Bestattung. Auch in diesem, wiederum mehr
deskriptiven Teil erhält der Leser eine Fülle von Informationen, die
alle Folge einer genauen Auswertung der aus dem 16. Jahrhundert
vorliegenden Quellen sind.

Die letzten zehn Seiten dieses Buches bieten noch einmal einen Gesamtüberblick
, in dem Bornert seine wichtigsten Einsichten zusammenfaßt
. Die Gottesdienstkrise in Straßburg war Ausdruck einer allgemeinen
kulturellen Krise, die bereits seit einigen Jahren vorhanden
war und die mit dazu beitrug, daß Straßburg im 16. Jahrhundert eines
der Zentren der Reformation wurde. Bucers Einfluß war dabei entscheidend
. Das besondere Erbe Bucers blieb jedoch nicht vollkommen
erhalten. Bornert bedauert dies, lügt aber hinzu, daß die Entwicklung
zur Orthodoxie hin wohl nötig war. um überhaupt Bucers
Reformbewegungen zu retten (S. 210).

In seinem beachtenswerten Buch versucht Bornert immer wieder,
die geschichtlichen Fragen in einem aktuellen Licht erscheinen zu lassen
. Was damals in Straßburg geschah, ist Für ihn ein bedeutendes Beispiel
Für aktuelle ökumenische Überlegungen und heutiges Nachdenken
über den Gottesdienst und seine Formen.

Straßburg Andre Birmelc

Locher, Gottfried W.: Zwingli's Thought. New Perspectives. With a
Forewordby D. Shaw. Leiden: Brill 1981. XVII. 394 S. gr. 8° = Studies
in the History ofChristian Thought, XXV. Lw. hfl 128.-.

Wer "New Perspectives" in der Zwingliforschung der letzten
30 Jahre verfolgen will, kann an den in Themen und Fragestellungen
weitverzweigten Studien Gottfried W. Lochers schwerlich vorbeigehen
. Der bekannte Berner Systematiker und Theologiegeschichtier