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Ausgabe:

1984

Spalte:

670-671

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Signes et paraboles 1984

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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669

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 9

670

Der entscheidende Verdienst dieser Arbeit liegt im synoptischen
Vergleich der paulinischen Bildersprache im Umkreis der „Familie".
Über 20 graphische Darstellungen und besonders eine Synopse von
Gal 2,15-4,7 und Rom 3,9-4. 25; 7-8 illustrieren die Parallelen. Die
Einleitung gibt einen Überblick über die Forschung zur paulinischen
Bildsprache und zur sprachlichen Funktion von Metaphern, Gleichnissen
usw. überhaupt und versteht die Erkenntnisse Ricoeurs und
Jüngels als grundlegende Arbeitshypothese. Kap. 1 bringt Bestandsaufnahme
und methodische Überlegungen. Kap. 2 vergleicht die Aussagen
über die Nachkommenschaft Abrahams und die Gottesfamilie
in Gal 3.26^4,7 mit den entsprechenden im Römerbrief. Kap. 3 bespricht
die Benennung der Glaubenden als Söhne, Brüder und
Schwestern, dann Jesu als des Sohnes Gottes (wobei die m. E. wichtige
Unterscheidung von „Gott"/,.Sohn Gottes" und „der Vater"/„der
Sohn" kaum gesehen ist), ferner die Verwendung von „Sklave" und
„Pädagog", schließlich die Bezeichnung Gottes als „Vater" und das
Bild der Hochzeit zwischen Christus und der Kirche. Besonders wichtig
ist dem Vf. das Ergebnis von § 20 (S. 209-238): „Vater" erscheint
kaum im Zusammenhang mit anderen Bildern aus dem Bereich der
Familie. Kap. 4 unterscheidet paulinische Sprachformen, z. B.
„übliche" im Gegensatz zu „lebendigen Metaphern", Gleichnis, Vergleich
, Metapher und metaphorisches Spiel, und klassifiziert die Bildwelt
der Familie. Kap. 5 stellt die Ergebnisse zusammen.

v. Allmen hat wenig Vorgänger, und für den, der als erster einen
Weg bahnen muß, ist das immer ein schwieriges Unternehmen. Daß
er es angepackt hat und jedenfalls einmal das Material vorlegt, ist
dankenswert. Man kann freilich fragen, ob die Einsichten Ricoeurs
und Jüngels konsequent genug verwendet werden und die Jülicher-
sche Sicht des Gleichnisses als einer bloßen Illustration, bzw. das
aristotelische Verständnis der Metapher als einer uneigentlichen
Redeweise, gegen das Jüngel (P. Ricoeur / E. Jüngel, Metapher,
EvTh, Sonderheft 1974,98) eindeutig kämpft, überwunden ist. Wieso
soll „Vater" keine Metapher (oder doch nur eine in beschränktem
Sinn) sein und soll die Verbindung von „Vater" und anderen
familiären Bezeichnungen vermieden sein, um „Vater" nicht als
Metapher erscheinen zu lassen (S. 3070? Das gilt doch nur, solange
man immer noch das Wesen der „metaphorischen Verkündigung"
darin sieht, Gott „als allen Vätern der Welt vergleichbar" hinzustellen
(S. 213). Das freilich ist er nicht! Aber so versteht weder Ricoeur noch
Jüngel metaphorische Rede. Für sie führt doch die Überwindung des
(nicht-metaphorischen!) Gleichnisverständnisses Jülichers zur Überwindung
des Verständnisses der Metapher als einer Allegorisierung
(Ricoeur a. a. O. 61), so daß wir „den Dualismus .Sache' und .Sprachfigur
' vergessen müssen" (ebd. 62). Eben der taucht aber mindestens
in den ersten vier Kapiteln bei v. Allmen immer wieder auf, auch
wenn der Vf. im 5. Kapitel erkennt, daß man auch noch auf einer anderen
Ebene von Metapher und Eigentlichkeit reden müßte
(S. 257-259). Er sieht denn auch richtig, daß Eph 3.15 aussagt, daß
Gott der Vater ist. während alle menschliche Vaterschaft nur abgeleitete
, nur ihr „Bild" sein kann (S. 286). Aber ist das nur „ein neuer
Schritt im Spiel mit Metaphern" (S. 223)? Zeigt sich hier nicht, was
die johanneischen Bildreden am schärfsten proklamieren (schon

E. Schweizer. EGO EIME 1939, /. B. 117:.....daß dieser Satz nichts

anderes ist als eigentliche Rede"): daß nämlich Gott allein das erfüllt,
was menschliche Wirklichkeit nur uneigentlich andeutet? Dann
stimmt es aber, daß die Sprache des Glaubens „durch und durch
metaphorisch" ist (Jüngel a.a.O. 110, 121) und daß „alle nicht-
metaphorische Rede von Gott nicht einmal uneigentliche Rede von
Gott wäre" (ebd. I 12). daß es also ..metaphorische Wahrheit" gibt
(Ricoeur 53), ja „die metaphora selber als Geschehen von Wahrheit"
verstanden werden muß (Jüngel 106) und „metaphorische Rede" nur
„eine besondere Weise eigentlicher Rede" ist (ebd. I 19).

Wieso sollte dann aber z. B. „Sohn" im Gegensatz zu „Vater"
(v. Allmen 307) nicht ebenso „metaphorische" und gerade als solche
„eigentliche" Sprache sein? Mindestens weiß Paulus doch theologisch
, daß nur Jesus Christus in Wirklichkeit „Sohn" ist. der Glaubende
nur indirekt durch ihn. Man müßte also doch wohl weit radikaler
fragen: Wo setzt sich bei Paulus jene Gleichnissprache Jesu
durch, die sich dessen bewußt ist, daß man von Gott nur metaphorisch
reden kann, weil nur so „die Anrede-Dimension der Sprache" (die
„nicht weniger eigentlich ist als die Aussage-Dimension") zur Geltung
kommt und damit „Wirkliches so ausgesagt" wird, „daß ein Mehr von
Sinn zur Sprache kommt" (Jüngel 100, 121)? Und wo verwendet Paulus
Bildworte nur rhetorisch als Vergleich und Illustration? Die an
sich natürlich richtige Unterscheidung von „üblicher" und „lebendiger
" Metapher (v. Allmen 257-259) dürfte für die Antwort noch nicht
genügen. Aber das vom Vf. ausgebreitete Material, auch die Beobachtung
der Zurückhaltung des Gebrauchs von „Vater" im Zusammenhang
von familiärer Bildsprache, könnte sehr wohl helfen, hier
noch einige Schritte weiterzukommen. Man müßte dabei freilich auch
über Paulus hinaus nach der Herkunft seiner Sprache fragen, also z. B.
Für die Entgegensetzung von „Sohn" und „Sklave" in Gal 4,7;
Rom 8,15 denselben Gegensatz in Joh 8,25f und eine ähnliche Zusammenstellung
in Hebr 3,5 untersuchen, die näher liegen als der
Vergleich mit Phlm 16 usw. (v. Allmen 157-161). So zeigt gerade
diese Besprechung, daß die Lektüre dieser Lausanner Dissertation
mich sehr angeregt und Möglichkeiten neuer Wege aufgezeigt hat.

Männedorf/Zürich Eduard Schweizer

Croupe d'F.niret ernes: Signes et paraboles semiotique et texte evange-
lique. Avec une etude de J. Geninasca, postface de A. J. Greimas.
Paris: Ed. du Seuil 1977.253 S. 8". Kart. ffr. 45.-.

Hinter der auffallenden Verfasserangabe verbirgt sich der Arbeitsort
einer Projektgruppe des Centre pour l'analyse du discours religieux
(CADIR) und dessen Zeitschrift Semiotique et Bible (Heft 6 erschien
Juni 1977) um Jean Delorme an der Facultes Catholiques de Lyon.
Delormes Strukturanalyse von Lk 5,1-11 (NTS 18, 1972, 331-356)
darf als Markstein Für die Anwendung semiotischer Frageweisen auf
die Bibelauslegung gelten. Diese Arbeit ist von A. J. Greimas (Strukturale
Semantik. Methodologische Untersuchungen 1966, deutsch
1971) inspiriert, der dem Band auch ein Nachwort (227-237)
widmete. Die Textsemiotik von Greimas will nicht danach fragen,
was ein Text sagt und warum er das tut, sondern wie sein Sinngehalt
zustande kommt (7.11. 228 u. ö.), um ein kontrollierbares Instrumentarium
für die Erfassung des Bedeutungseffekts durch Aufweis der entscheidenden
textinternen Dispositionen zur Verfügung zu stellen.
Schon hier läßt sich eine wissenschaftstheoretische Anfrage nicht
unterdrücken, die sich auf die Spannung bezieht, die zwischen dem erklärten
Ziel der Nachprüfbarkeit und der vorweg gegebenen alternativen
Beschreibung der methodischen Strategie besteht: Diese Alternative
zwischen dem „Wie" und dem „Was" ist nicht schlüssig sondern
nur scheinbar (schon Lk 10,26 erweist beide als synonym): Gerade
die Erkundung des „Wie" einer Textkonstitution müßte ja Kriterien
dafür liefern, welches in der Forschungsgeschichte behauptete
„Was" eines Textes dann gilt und welche anderen für aufweisbar gehaltenen
Textgehalte dann von daher methodisch überzeugend ausgeschlossen
werden müßten. Diese notwendige Leistung wird leider
von den Beispielanalysen (Lk 10.25-37; Mk 6,30-53; Lk 15) nicht
erbracht. Die Tendenz einer Methode, nur sich selbst zu genügen, gefährdet
aber den Erfolg ihrer Erprobung.

Bestimmender Ausgangspunkt ist von Greimas her die These, daß
der Sinngehalt der Texte nicht durch den Satzverbund als solchen
gegeben ist. so daß man von einer satzübergreifenden Textsyntax zur
Tcxtscmanlik (und -pragmatik) gelangen kann, sondern daß als semantische
Elcmentarteile durch eigene Regelsystemc verbundene und
so geordnete Mengen (Syntagmcn Figurativer Isotopicn) kleinster Bedeutungseinheiten
(paradigmatisch organisierter Systeme semantischer
Kategorien: „Seme") fungieren. Das geschieht auf der Basis der
beiden grundlegenden Prämissen von Greimas. daß Sprache nicht ein