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Ausgabe:

1984

Spalte:

666-668

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sanders, Ed P.

Titel/Untertitel:

Paul, the law, and the Jewish people 1984

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 9

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bilden (8,16-18). In diesen weiten Rahmen werden mehr oder weniger
locker die übrigen Texte eingeordnet. Eine erste Neuinterpretation
erfuhr diese Botschaft von Jesaja selbst durch die vor 724 v. Chr. angefügte
Ergänzung 8,23+9,1-6, die die Befreiung Nordisraels durch
einen davidischen König und seine Wiedervereinigung mit Juda
ankündigt (wobei der Vf. übersieht, daß die Befreiungstat im Text
keineswegs dem künftigen Herrscher, sondern Gott zugeschrieben
wird). Die beiden Pole der Verkündigung Jesajas in dieser Epoche sind
also die Glaubensforderung und die Rest-Hoffnung. Dabei betont der
Vf. besonders den nicht-politischen, nur-theologischen Charakter der
Aufforderung zum Vertrauen, die also keinesfalls eine Ablehnung des
Hilferufs an Assyrien impliziere, eine schwerlich einleuchtende Alternative
(vgl. 7,4). Überhaupt scheint die ganze Konzeption mit den
schwierigen Problemen gerade dieses Textkomplexes aus dem Jesaja-
buch relativ leicht zurechtzukommen: Authentizitätsfragen spielen
eine geringe Rolle; die Relevanz der Rest-Theologie präsentiert sich
als feste Prämisse." Vor allem aber verabsäumt es der Vf., seine Interpretation
gegen andersartige Konzeptionen, besonders redaktionskritische
Ansätze, eingehend abzusichern.'

Anders als Jesaja setzt Hosea, der nach dem Zusammenbruch des
aramäisch-israelitischen Angriffes auf Juda in der großen Einheit
Hos 5,8-7,16 bereits die Assyrer von Norden und die Judäer von
Süden her ins Land einrücken sieht, die Akzente: Die Schuld Israels
liegt darin, Jahwe, die wahre Quelle der Stärke, verlassen zu haben
und sein Heil in politischen Allianzen zu suchen. Ein Beispiel solchen
Abfalls ist der gemeinsam mit Aram unternommene Feldzug gegen
Juda.

Der Deuteronomist hingegen stellt in 2Kön 16 den aramäischisraelitischen
Angriff (sowie die Wiedercroberung Elaths durch Edom)
als Folge der Religionspolitik des Königs Ahas dar, d. h. als "divine
retribution occasioned by infidelity to Deuteronomistic orthodoxy"
(J. Gray, zitiert 86). Freilich handelt es sich vorerst um eine Warnung,
die Juda nach 722 ein ähnliches Schicksal wie Nordisracl in Aussicht
stellt.4

Der Chronist interpretiert die Überlieferung kräftig um (2Chr28).
Ahas wird zum schlimmsten König Judas, zu einem zweiten Saul.
perhorresziert. Gegen alle anderen Überlieferungen hat der Angriff
aufJuda hier Erfolg. Er endet mit der Deportation der Judäer. die aber
z. T. von den Nordisraeliten wieder freigelassen werden. Der in früh-
nachexilischcr Zeit (!) lebende Chronist interpretiert offenbar das Exil
und gibt zugleich seiner Hoffnung auf Restauration und Wiedervereinigung
Ausdruck.

Erst am Schluß gibt der Vf. unter Heranziehung der assyrischen
Quellen eine Rekonstruktion des Geschichtsverlaufs. Danach sei der
syrisch-ephraimitische Krieg (seltsamerweise wählt der Vf. fast durchgehend
die viel späteren Termini „Syrien, Syrer" statt „Aram, Ara-
mäer") schon vor dem ersten Palästinafeldzug Tiglat-Pilescrs III.
anzusetzen. Die tiefere Ursache, von den Texten verschwiegen, sei
fiskalischer Art gewesen: Die schweren Tributlasten hätten Rezin von
Damaskus und Pckah von Israel zu einem antiassyrischen Kurs und
zum Angriff auf Juda veranlaßt, das sich einer gemeinsamen antiassyrischen
Politik widersetzte. In einem abschließenden Kapitel
unterstreicht der Vf. nochmals den theologischen Charakter der verschiedenen
Interpretationen des syrisch-ephraimitischen Krieges, die
jeweils Aktualisierungen in verschiedene Situationen darstellten.

Die Untersuchung wirkt nicht überzeugend. Gelegentlich zu
wiederholungsreich, andernorts wieder allzu knapp, läßt sie manche
Frage offen, umgeht Probleme oder löst sie zu leichthändig. Stärker
ausgearbeitet hätte man sich den Aspekt der Aktualisierung
gewünscht: Was will die jeweilige Ausprägung der Überlieferung in
ihre Situation hinein sagen? Aber gerade der Situationscharaktcr
bleibt bedauerlich unbestimmt oder wird zugunsten allgemeinerer
Formulierungen zurückgedrängt. Die Thematik ist durch diese Arbeit
gewiß nicht ausgeschöpft; sie verdiente weitere Untersuchung.

Marburg Winfried Thiel

' P. R. Ackroyd, Historiansand Prophets. SEÄ 33 (1968), 18-54.

1 U. Stegemann, Der Restgedanke bei Isaias, BZ NF 13 (1969), 161-186,
wird einmal kurz erwähnt; G. Sauer, Die Umkehrforderung in der Verkündigung
Jesajas, in: Wort - Gebot - Glaube (AThANT 59), Zürich 1970,277-295,
fehlt ganz.

3 Die redaktionsgeschichtlich orientierten Arbeiten von W. Dietrich, Jesaja
und die Politik (BEvTh 74), München 1976, und H. Barth, Die Jesaja-Worte in
der Josiazeit (WMANT 48). Neukirchen-Vluyn 1977, kommen nur am Rande
oder im Literaturverzeichnis vor. Die Diskussion mit dem neuen tendenzkritischen
Ansatz von O. Kaiser. Das Buch des Propheten Jesaja. Kapitel 1-12
(ATD 17), Göttingen 51981, blieb dem Vf. erspart, weil er die 2. Auf. benutzt
hat. Überhaupt fällt das Fehlen weiterer einschlägiger deutschsprachiger Arbeiten
auf, so etwa des Aufsatz-Zyklus' von O. El. Steck über Jes6-8 (BZ 1972,
188-206;) EvTh 1973. 77-90; ThZ 1973. 161-178) oder der Studien von
H.-J. Hermisson (EvTh 1973. 54-77) und W. H. Schmidt (EvTh 1977.
260-272).

4 Die Schwierigkeit, daß sich der eindeutig Gerichtsterminologie tragende
Vers 2Kön 15.27 auf den positiv beurteilten Jotham bezieht, während der Zusammenhang
mit den kultischen Verfehlungen des Ahas allein durch den Kontext
hergestellt wird, scheint nicht genügend bedacht. Im übrigen: Wenn der
Deuteronomist, wie der Vf. mit F. M. Cross annimmt, in der Zeit Josias wirkte,
wie paßt eine solche Warnung ausgerechnet in diese Situation?

Westermann, Claus: Ausgewählte Psalmen. Göttingen: Vandenhocck
& Ruprecht 1984. 210 S. gr. 8°. Kart. DM 24,-.

Der Band, in dem fast ein Drittel des Psalters übersetzt und erklärt
wird, ist hervorgegangen aus einer mehr als vierzigjährigen wissenschaftlichen
Arbeit an den Psalmen, mit der sich eine Öffnung zum
geistlichen Gehalt des Psalmenbuches verband, das Claus Westermann
durch sein „Lehramt begleitet" hat (5). Beabsichtigt ist nicht ein
gelehrter Kommentar, obgleich Fragen des hebräischen Textes, soweit
zum Verständnis erforderlich, ebenso berücksichtigt werden wie
die exegetische Literatur. Hauptsächlich geht es W. um eine theologische
Auslegung, die eng am Text bleibt, zugleich aber den Graben,
der uns oft von der Psalmenfrömmigkeit zu trennen scheint und in
mancher Hinsicht auch wirklich trennt, zu überbrücken trachtet. Dies
zeigt sich gleichermaßen in der Qualität der Übersetzung und in manchen
kleinen Exkursen, insbesondere in dem abschließenden Kapitel
.Die Psalmen und Jesus Christus' (206-209). Der Auslegung vorangestellt
ist eine knappgehaltene Einführung in den Psalter(l 1-24). Der
Fachkollege wird W.s Buch manche wertvolle Anregung zur Gestaltung
seiner Psalmen-Vorlesung entnehmen können, während der
Gemeindepfarrer, an den wohl vor allem als Leser und Nutzer gedacht
ist, zur Hebung der im Psalmenbuch ruhenden Schätze und zu ihrer
Anwendung im gottesdienstlichen Leben Ermutigung und Belehrung
empfängt.

K.-H. B.

Neues Testament

Sanders, E. P.: Paul, the Law, and the Jewish People. Philadelphia,
PA: f ortress Press 1983. XI, 227 S. 8". Lw. $ 19.95.

Die Hauptthese stellt als die zwei Grundtatsachen paulinischer
Theologie heraus: I. Heil kommt allen gleichmäßig zu, Juden wie
Heiden, und zwar 2. aufgrund des Glaubens an Jesus Christus
(S. 207f). Daraus entwickelt Paulus einen zwar in einem Gesamtzusammenhang
stehenden („coherent"). nicht aber systematisch durchdachten
(„systematic") Entwurf (S. 147f)- Die Funktion des Gesetzes
(Kap. 2, S. 65-91) besteht nach Gal 3,22-24 darin, den Menschen auf
Christus hin unter die Sünde zu verhaften (wobei die Engel von 3,19
nur einen Nebengedanken darstellen), nach Rom 3,20; 4,15; 5,20,
Sündenerkenntnis zu bringen, ja sogar die Sünde hervorzurufen; nach
Rom 7,7-13 hingegen ist es die Sünde, die gegen Gottes Willen durch