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Ausgabe:

1984

Spalte:

663-664

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Williams, James G.

Titel/Untertitel:

Women recounted 1984

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Seite 1

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663

Theologische l.ileralurz.eilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 9

664

Altes Testament

W illiams, James G : WoaMI Kecounled. Narrative Thinking and ihe
God of Israel. Sheffield: Almond Press 1982. 150 S. 8" = Bible and
LiteratureSeries,6. Kart.£ 15.95. Lw.£ 14.95.

Das Buch verfolgt zwei Ziele. Es will zeigen, daß in den biblischen
Erzählungen dynamisches Denken liegt, nämlich der Ablauf, der
durch intellektuelle Fähigkeiten zu Ideen, Urteilen, Schlüssen und
Einsichten gelangt. Der Autor geht dabei von der literarischen Endgestalt
aus. Die historische Kritik habe zwar ihre eigene Rolle, solle aber
nicht dominieren. Das zweite Ziel ist ein anspruchsvoll theologisches.
Es soll die Beziehung zwischen den biblischen Bildern des Weiblichen
, der Natur der Sprache und der Bedeutung des Gottes Israels geklärt
werden. Erzählen versteht der Verlässer im allgemeinen Sinn als
eine eigentümliche Weise des Ausdrucks, Anfang. Mitte und Ende einer
Reihe von Ereignissen zusammenbindend - im Unterschied zu
den Sprichwörtern und weisheitlichen Sentenzen. Eine Erzählung
habe fiktiven Charakter. Durch die Gestaltung und Widerspiegelung
der Fakten werde gezeigt, was es bedeutet, ein menschliches Wesen in
der Geschichte zu sein. Der Begriff des Mythus wird vermieden, weil
dieser Stabilität und Absolutes konstituiere, die Erzählung hingegen
ihr Wesen im Vorgang des Entdeckens habe, also Veränderung ermittele
. Ebenso werden die Gattungsbeziehungen Epos und Legende
zurückgewiesen. Es passe auf die biblische Erzählung am besten der
Begriff .historieized fiction*. Man liest weiterhin: ..Die Vermeidung
pseudowissenschaftlichen Esoterizismus ist einer der Gründe, warum
ich vom Strukturalismus als Methodologie Abstand nehme", und:
„Wenn der Historizismus das biblische Korpus (corpus) um der Quellen
. Abfolgen und Sitze im Leben willen in einen Leichnam (corpse)
verwandelte, macht der Strukturalismus das Korpus um einer quasimathematischen
Begrifflichkeit willen zum Leichnam".

Der Verfasser lehnt generell die Auffassung ab. in Aulbau und
Inhalt gleiche Berichte von einer Urform herleiten zu wollen. Die
ästhetische und religiöse Qualität werde sich nur dann enthüllen,
wenn man die Rolle antiker literarischer Konventionen erkenne.
Seine Methode, den Text zu lesen, betreffe die Art der Fragen, die er
stelle, und die Dinge, denen er nachspüre. Er achte auf Schlüsselwörter
, Redepartien und wiederkehrende Ereignisse, besonders typische
Szenen.

Die Durchfuhrung handelt zunächst von der Erzmuttcr oder auch
Mutter der Anfänge Israels (Sara, Rebekka, Rahel. Mosis Mutter,
des Pharaos Tochter. Zippora, Simsons Mutter, Hanna). Sie sei eine
Hauptrepräsentation von Israels Sein in der Welt, ein Aspekt
Israels als einer neuen Ordnung Gottes, und habe ihre Aufgabe darin,
den Erwählten vor Gefahren zu schützen und den Prozeß in Gang zu
bringen, der ihn seine Bestimmung erreichen läßt. So befähigten z. B.
gleich drei Frauen Mose, zum Oberhaupt und Bundesmittler zu
werden, und Hanna wirkte lenkend auf Samuels Leben ein, indem sie
den Lauf der Ereignisse initiierte, der zu seiner Rolle als Bevollmächtigter
und seinem Anteil bei der Wahl eines Königs führte.

Es ist hier doch zu fragen, ob die Dinge nicht überzogen sind. Die
Erzählung in lSam 1 zielt nicht darauf zu schildern, welche richtungweisende
Mission die Frau hat.

Es heißt dann weiter, die Erzmutter verschwinde immer aus derGe-
schichte, wenn eine schwierige Situation gemeistert wurde. Auf S. 65
stehen die Sätze: "The primary feminine role in narrative thinking as
embodied in the arche-mother seems to bc that of continuity and
nurture. She is a symbol of ongoing stability; she initiates or enables
the heroic journcy under God", Behauptungen, die nicht aus den
Texten zu erheben sind.

Andere Frauengestalten, nämlich Eva. Debora. Jael, Judit, Ester
und Rut, seien wesentliche Werkzeuge gewesen, dem Volk Gottes
Uberleben und die Realisierung seines Berufes in der Welt zu sichern,
denen gegenüber Delila, Potiphars Frau und die Versucherin der
Proverbien Kontrastfiguren darstellten.

Der Autor hebt schließlich hervor, es habe der soziale Status der
Frau in Israel nicht das gleiche Niveau gehabt wie ihre religiöse Bedeutung
, die im Gegenteil dadurch erst in das rechte Licht getreten sei.
Die weiblichen Gestalten nähmen einen bedeutsamen Platz in Israels
Selbstverständnis ein.

Mir sind eine Anzahl Druckfehler aufgeladen, deren einige nur genannt sein
sollen: Lilerarlure (Literalure, S. II), ofen (ollen. S. 58). fearul (learful. S. 80),
babyonian (babvlonian. S. 81). identiyy (identity. S. 129); S. 127 Z. 20 steht
einmal .nünd' zu iel.

Resümierend muß man sagen, es rächt sich, wenn nicht genau die
Intention einer Erzählung kritisch ermittelt wird. Der in vorliegender
Monographie beschritten« Weg führte nicht zum Ziel, weil er olfensichtlich
zu sehr einem Modetrend erlag. Die in einem Bericht auftretenden
Akteure dürfen weder überfrachtet noch Eigenschaften
tlächenhaft zusammengetragen werden. Vielmehr ist exakt zu erwägen
, welcher Platz der Frau in einer abgegrenzten literarischen Einheit
zukommt, und zu fragen, wo es wirklich um die Frau als Frau gehl
und sich mit ihr entscheidende Glaubensgehalte verbinden. Es gibt
solche Stücke. Die von dorther zu gebenden Antworten werden aber,
wenn man obendrein den jeweiligen geschichtlichen Standort nicht
aus dem Auge läßt, völlig anders auslallen, als es der Verfasser des
anzuzeigenden Buches meint aufweisen zu können.

Leipzig Wolfram Herrmann

Thompson, Michael E. W.: Situation and Theologe. Ohl Testament
Interpretations of the Syro-Ephraimitc War. Sheffield: The
Almond Press 1982. I 79 S. 8" = Prophets and Historians Scrics.
I. Kart. £6.95; Lw. £ 15.95.

Mit dem anzuzeigenden Band wird eine neue Monographien-Reihe
eröffnet,die in Format und Herstellung der schon länger existierenden
"Supplement Serics" des "Journal for the Study of the Old Testament
" ähnelt. Über Zielsetzung und Abgrenzung der Reihe ist diesem
ersten Band überden Titel hinaus nichts zu entnehmen.

Die Arbeit, der eine 1981 in Sheffield angenommene phil. Diss.
zugrundeliegt, fühlt sich sowohl der wissenschaftlichen Forschung als
auch der Gemeindepraxis, die der Vf. ausübt, verpflichtet. Ihr Anliegen
ist es, einer Anregung P. R. Ackroyds' folgend, den unterschiedlichen
Spiegelungen des sog. syrisch-ephraimitischen Krieges in den
einschlägigen Überlieferungen des Alten Testaments nachzugehen
und ihre Intentionen und zeitgeschichtlichen Umstände zu bestimmen
. Eine Überprüfung des in Betracht kommenden Materials ergibt
die Texte Jes 7,1-8,22; I 7.1-1 I; 8.23 bis9,6; Hos 5,8-7,16; 2Kön 16:
2Chr 28 als Gegenstand der Untersuchung.

Der Hauptteil der Arbeit widmet sich natürlich den Texten aus dem
Jesajabuch. Der Vf. beurteilt sie als im wesentlichen chronologisch
angeordnet, und zwar gingen 7,3-9 und 17.1-6.9-1 I dem aramäischisraelitischen
Angriff auf Jerusalem voraus. 7,10-17; 7,18-25; 8,1-4
stammten aus der Zeit des Krieges, aber noch vor der Gesandtschaft
des Ahas an Tiglatpileser III., während 8,5 bis 10.1 1-15.16-18.19-22
letztere voraussetzen. Diese Texte habe Jcsaja selbst zwischen 734
und 724 um 8.23+9.1-6 ergänzt, nachdem ein großer Teil des Nordreiches
zu assyrischen Provinzen geworden war. Kap. 6 schließlich sei
mit den Worten aus der Zeit des syrisch-ephraimitischen Krieges
durch mehrere Themen verbunden (Verstockung des Volkes. Verwüstung
des Landes. Rest-Gedanke).

Inhaltlich ergibt sich die folgende Interpretation: Angesichts des
drohenden Angriffs ruft Jesaja den König zum Vertrauen auf die göttliche
Verheißung Für die Daviddynastie auf und lädt ihn durch den
Namen seines Sohnes Schear-Jaschub ein. sich durch eine Glaubensentscheidung
der den „Rest" bildenden Gruppe anzuschließen
(7.1-9). Das später anzusetzende Immanuel-Zeichen (7,10-17) hat
ambivalente Funktion: Gericht Für König und Volk. Hoffnung Für die
„Rest"-Gruppe. deren Kern Jesaja. seine Familie und seine Schüler