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Ausgabe:

1984

Spalte:

634-636

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Der Pfarrer ist anders 1984

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 8

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Im 2. Kapitel fragt S.: ..Inwiefern ist eine religiöse Erlebniswelt psy- gionspsychologie" bietet auf etwa 30 Setten sehr knapp denselben
Chologisch möglich?" Hier gibt seine Rollentheorie die Antwort. Reli- Stoff, der in ..Die Religion und die Rollen" bereits m zwei Kapiteln
giöse Wahrnehmungen sind an religiöse Traditionen gebunden, die über Freud und Jung (dort insgesamt 100 S.l) dargestellt wurde,
für soziale Gruppen und den einzelnen in ihnen bestimmte Verhal- Freuds RP wird z. T. kritisch erwähnt, aber seme Deutungskategonen
tensmuster. Refercnzrahmen oder eben ..Rollen" in einem interak.io- werden dann doch positiv angewendet, z. B. be, der Interpretation der
ncllcn Svstem bereitstellen. Z.B.:..Alles, wasdie Bibel ÜberGott sagt. Mutterbindung bei Laestadius im Sinne des Od.puskomplexcs oder in
wird zu'einem gewaltigen Musler. und auf eben dieses Muster und dem Abschnitt über Bekehrungen und Elternbindungen. - Die Ausseine
Teilmuster werden die zum Gehirn dringenden Impulse geleitet. führungen über Jung konzentrieren sich auf die Frage der psyeholo-
wenn ein Mensch die Rolle Gott aufgenommen hat." (37) So werden gischen Typen, der Individuation und der Visionen (letzteres nach
dann bestimmte Ereignisse und Widerfahrnisse mit göttlichem Han- Jungs „Antwort aufHiob").

dein identifiziert. Es klingt relativistisch, wenn S. sagt, sie hätten sich Das Buch schließt mit e.nem 7. Teil (ca. 30 S.). in dem Gustaf

-ebenso leicht zentral mit Hilfe profaner Referenzsysteme bearbeiten Stahlberg. Diplompsychologe und Schuler von S„ ..Psychologische

lassen" (41). Aber anders kann der religionspsychologischc Empiriker und soziologische Methoden innerhalb der Religionspsychologie in

« wohl nicht sehen. Er weist auf den sog. Phasenwechsel hin. dem ihrem Für und Wider abwägt. Für den Laien auf diesem Gebiet wer-

auch der religiöse Mensch unterliegt, wenn er einmal seine Erfahrun- den hier wichtige Informat.onen und Beurteilungsmaßstäbe vermit-

gen auf Gott bezieht, ein andermal sie ganz profan deutet (Beispiele telt.

S- 42). Als Belege für seine Rollentheorie führt S. Begegnungen mit Der vorstehende Satz kann auch aul das ganze Buch bezogen werden
biblischen Psalmen bei Augustin. Luther (der Abschnitt über ^Mirm^MdmRPmA^^lia^mV^^
Luther wurde von H. Reller verfaßt!) und M. Dauthendey an. etwa zu der schönen, aber nur auf die Tiefenpsychologie bezogenen
Das 3. Kapitel über „Die Psychologie der Mystik" spricht ein For- ..Religionspsychologie" von H. Faber (Gütersloh 1973) - ein gutes
schungsgebie. an. dem sich S. besonders gewidme, hat. Um den mysti- Stück vorangekommen ist in Richtung einer ntegra.ion sam hcher
«her, Erlebnissen psychologisch auf die Spur zu kommen, verwendet Forschungsrichtungen und Schulmeinungen. die dem Außenstehen-
S- u. a. ein anthropologisches Schichtenmodell, dessen fünf Ebenen den bisher wenig überschaubar und plausibel waren. Vorangekom-
von unten nach oben folgende sind: Chemische Prozesse. Organe. men is, sie wohl auch hinsichtlich der Solidität ihrer Methoden und
Nervensvs.em. soziale Beziehungen. Ganzheitsbezug (vgl. 76). In der der Verifizicrbarkei. ihrer Erkenntnisse. Sunden hat nicht nur das
mystischen Entsagungspraxis komm, es zur „En.au.omatisierung" Verdienst, mit seiner Rollentheone ein adaqua.es Interpretamen, lur
der psychc-somatischen Kommunikation zwischen diesen Ebenen. ' religiöses Erleben einge.ühr, zu haben, sondern macht vor allem dem
»was bedeuten kann, daß ganz andere Wahrnehmungsmöghchkeitcn deutschen Leserden internationalen Stand seiner Disziplin, besonders
als die alltäglichen und normalen sich einstellen" (79). Diese Vorgänge. im englischen, französischen und skandinav ischen Sprachraum.
rürdieesimAu.ogenenTrainingnachJ. H. Schultz Parallelen gibt, sind zugänglich. Die Außenseiterposition der wissenschalthch allseitig
ms zu gewissem Grade sogar experimentell nachweisbar (u. a. durch fundierten RP an deutschen Universitäten bedar. solcher Anregung
EEG). Entsprechend werden von S. auch die „automatisierenden und Ergänzung dringend. Es wird allerdings deutlich, daß es nicht
Methoden" der spirituellen Konzentration analysiert. Ferner führt er genügt, psychoanalytisch versierter Theologe oder Pas.oralpsycho-
vor. welche modernen psvchologischen bzw. psychometrischen Metho- löge zu sein, wenn man in der RP selbständig mitarbeiten will, Vicl-
den und Erklärungsmöghchkei.en für Phänomene wie Visionen. Audi- mehr muß man dann auch gründliche rehgionsgeschichthche. sozio-
"onen. ekstatische Zustände. Träume und Drogcnexpenmcnte ent- logische, medizinische und expcrimentalpsychologische Kenntnisse
wickelt wurden. Zum letztgenannten. ,n den Medien oft diskutierten einbringen, wie S. lehrt. Das wird nur ein Spezialist leisten können.
Problem heiß, es: ..In den Fällen, in denen ein Mensch sich eine reli- der wie S. sein Lebenswerk in der integrierten RP verrichten konnte,
giöse Tradition aneigne,, kann die Einnahme der Droge dem Inhal, die- Hoffentlich ha, er Nachfolger nicht nur in Uppsala. sondern auch in
ser Tradition in frappierender Weise Leben verleihen. Die Droge als Mitteleuropa!

solche vermittelt überhaupt keinerlei religiöse Erlebnisse." (93) Ein Rostock Ernst-Rüdiger Kicsow
schlußabschnitt über Johannes vom Kreuz exemplifiziert und konkretisiert
das Vorstehende in aufschlußreicher Weise. Josuttis. Manfred: Der Pfarrer ist anders. Aspekte einer zeitgenös-
Vorwiegend religionssoziologischc Gesichtspunkte werden im sischen Pastoraltheologie. München: Kaiser 1982. 232 S. 8" Kart.
4- Kapitel „Der einzelne und die Gruppe" erörtert, da das religiöse DM 28.-.
Erleben weithin von der sozialen Geltung der Religion abhängt.

Snu.„ki ,■ r. ■ „ ... ■ „ , , a rw treffende und sicher ich verkau swirksamc I itcl kann in sinn-

^owohl die Primärgruppe (Familie) wie Sekundargruppcn (z. B.Schu- Der trciicnoc unu sicm.. _

M tragen ja zur Überlieferung der Rollen in erster Linie bei. S. gemäßer Variation ebenso auf diese M^c ^^l

berichte, über die Verteilung von Religion oder Atheismus in der werden: Sie is, anders, als wir es von der geis liehen Vuterweishei, und

Bevölkerungder USA und Frankreichs und such, nach soziologischen ihrem adhortativen Stil gewohnt sind. Sie wi keine Anwc.sungc für

Erklärungen für die Unterschiede, stößt dahe, freilich nicht bis zu den Dienst oder die Person des Pfarrers hclcrn. die von biblischem

*nergesellschaftskntischen Anahsc durch, in der z. B. die Bedeutung dogmatischen, ethischen oder sonstigen Normennibgelei csind und

der Klassenposition für das religiöse oder areligiöse Verhalten der Bberhaupt nicht^^^^ ^^"^T^

Arbeiterschaft bzw. der Ausgebeuteten berücksichtig, wäre. - Es fol- „Eine zeitgenössische Pastoral, eohtgie ha die £nfl***** "

gen dann interessante Fal.studicn. die einmal die sog. Ruferbewegung den Schnittpunkten zwischen der berul ichen. der religiösen und der

Schweden und ihre Ursprünge betreffen, ferner die pfingstlensche personalen Dimension pastoraler Existenz lokalisier, sind, w.ssen-

Zungenrede und schließlich die moderne Jesus-Pcoplc-Bewcgung schaftlich zu reflektieren (-0) . . . .

<-derc neue Jugendreligionen sind noch nicht int Blick). Diese Bei- Das Anderssein des Pfarre, a, soziologische M-Mo^ta£d

spiele bewegen sich im Grenzgebiet zwischen Rchgionssoziologie und theologische Ursachen denen J. aul den Grund geht ™

Rcligionspathologic etwas w verändern, d. h. „die Wahrnchmungsbreite. die Einstellungs-

,. 5. Kapitel geh, es unter der Überschrift „Religion und Person- breite und die Verhaltensbreite der angesprochenen Leserjfc» es

bvhkeit" zunächst um die verschiedenen Auffassungen von der reli- Pfarrer oder nicht, erweitern zu wollen (26). Insgesamt neun

f^nEn,w,cklung.dannumTvpologieninderRP(z.B...(iehäuse- Themen, die locker und ohne zwingende Systematik

•Vömmigkeit". ..Lehrmensch" und ..Rollenmensch") und um Bei- gereih, sind, bezeichnen die Konfliktreiche d.c hier erörtert w r-

sPide für reife und unreife Religiosität. den: Der Pfarrerund das Amt, .und die Gemeinde und die

°as 6. Kapitel „über den Beitrag der Tiefenpsychologie zur Reh- Mach,. ... und das Wort. ... und der Tod. . und die Z.eU. ... und