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Ausgabe:

1984

Spalte:

624-627

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Güttgemanns, Erhardt

Titel/Untertitel:

Fragmenta semiotico-hermeneutica 1984

Rezensent:

Kleinknecht, Karl Theodor

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 8

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ihn ein desasterhaftes Bild bot. Umgekehrt konnte eine mit strengen
wissenschaftlichen Methoden betriebene Theologie die Philosophie
daran hindern, sich alleine dem immanenten Denken zu verschreiben
und das Problem der Transzendenz getrost den Theologen zu überlassen
. Hinter dieser Sicht der wechselseitigen Bedeutung von Theologie
und Philosophie steht gewiß ein tiefer Einfluß Baaders auf Sengler, der
m. E. noch mehr hätte herausgearbeitet werden können, als Eichinger
dies tut. Immerhin ist als sachgerecht zu akzeptieren, daß Eichinger
seine Interpretation Senglers nicht von einem heutigen philosophischen
oder theologischen Standpunkt aus versucht, sondern sich der
Absicht Senglers und ihrer Durchführung so unterwirft, daß er eine
werkimmanente Interpretation bieten kann, die in der Tat den inneren
Zusammenhalt dieser Philosophie aufhellt. Das ist Eichinger in
bewundernswerter Weise gelungen, so daß dieses Buch einen sachgerechten
Zugang zur Philosophie Jakob Senglcrs bietet.

Die Interpretation geschieht in drei Abschnitten und umfaßt das
gesamte Werk Senglers, einschließlich seiner mehr theologisch als
philosophisch ausgerichteten Arbeiten, die im Anhang im einzelnen
verzeichnet sind: 1. Abschnitt „Analyse des Wissens: Die Erkenntnislehre
", wobei zwischen phänomenologischem, begrifflichem und
idealem oder konkretem Wissen unterschieden wird; 2. Abschnitt
„Die Explikation der Idee: Die Gotteslehre", in der neben Gott als
absoluter Person auch der philosophische Begriff der Schöpfung
behandelt wird; 3. Abschnitt „Aufweis der Idee in der Geschichte:
Die Religionsphilosophie" mit einem trefflichen Exkurs über das Verhältnis
von Natur und Übernatur bei Sengler, insgesamt mündend in
der Darstellung der Religionssphilosophie als Bewährung der Philosophie
.

Zusammenlässend kann man sagen: Sengler deutet das Verhältnis
Gott - Welt - Mensch philosophisch als eine Beziehung, die von der
Welt bzw. der Natur (vgl. hierzu bes. S. 184IT) über den Menschen zu
Gott verläuft, aber nicht umgekehrt. Für seine Erkcnnlnislehre hat
dies zur Folge die Überzeugung, daß der Zugang zu Gott nur durch
den Menschen eröffnet wird, oder anders ausgedrückt (mit Sengler
und Jacobi): „Im Menschen, sonst nirgends, ist der Eingang ins Aller-
heiligste". Damit ist der philosophische Ansatz geklärt: Was Gottes
Sein ausmacht, kann nur mit Hilfe des Wissens ausgemacht werden.
Somit ist „beim Wissen als Erscheinung des Menschen" (S. 50) anzusetzen
. Die Theologie wird philosophisch auf die Erde geholt, und die
Philosophie wird theologisch zum Himmel gewiesen. So könnte man
Senglers Philosophie in einem Satz charakterisieren.

Wie durchschlagend gerade eine solche Philosophie in der protestantischen
Theologie des 20. Jahrhunderts war, wird in diesem Buch
nicht mehr erwähnt. Auch nicht, welche Parallelen sich hier mit der
Theologie Schleiermachers zeigen oder gar - in anderer Weise
wiederum - mit Kierkegaard, zwei Nährvätern der Bultmannschen
„existentialen Interpretation" ebenso wie der Barthschen „Theologie
der Krisis". Eichinger hat, wie wir sahen, diese Einschränkung gleich
zu Beginn seines Buches ausgesprochen (S. 30). Und wir müssen sie
akzeptieren als den Rahmen, den sich der Vf. selbst gesteckt hat. Die
Aufgabe, Scnglers Bedeutung für die Philosophie- und Theologiegeschichte
zu erhellen, bleibt also auch-nach diesem Buch noch, umso
mehr, als schon protestantische Theologen seiner Zeit wie der
Marburger Ch. F. Kling seine Relevanz für die Systematik gerade der
evangelischen Theologie erkannt hatten. Sengler dem Vergessen überhaupt
entrissen zu haben, ihn als einen originellen philosophischen
Denker des Spätidealismus wieder entdeckt zu haben, bleibt aber das
Verdienst dieser grundlegenden Studie Franz Eichingers.

Borken-Arnsbach Bernd Jasper!

Kremer, Klaus [Hrsg.]: Metaphysik und Theologie. Leiden: Brill
1980. VIII. 131 S.gr. 8". Lw.hfl'44.-.

Der vorliegende Band enthält die Vorträge eines Symposions der
„Arbeitsgemeinschaft der Fachvertreter für Philosophie innerhalb des

Studiums Katholischer Theologie" von 1978. Diese Arbeitsgemeinschaft
Fühlt sich laut Vorwort dem „Erbe der abendländischen Philosophie
" verpflichtet, „sucht aber zugleich das Gespräch mit neuzeitlicher
und moderner Philosophie, um Tradition und Gegenwart miteinander
zu konfrontieren . . .". Ein weiteres Ziel ist die Erörterung
des Verhältnisses von Philosophie und Theologie. Der Herausgeber
leitet den Band ein mit dem Beitrag „Metaphysik und Theologie"
(1-11). Nach einem Überblick über die Entwicklung seit Kant wird
eine „Rehabilitierung" der (griechischen) Metaphysik gefordert:
„Denn nicht die Metaphysik, sondern die Krise der Metaphysik
bedarf der Überwindung" (10). Für die These, „daß der Mensch auch
das Geschehen des Glaubens vor keiner anderen Instanz als der seiner
Vernunft zu verantworten hat, wenn anders der Glaube den Titel
eines echt menschlichen Tuns beanspruchen und sich nicht den Einwand
des sacrificium intellectus zuziehen will" (II), wird abschließend
noch R. Bultmann in Anspruch genommen. - Fritz-Peter
Hager untersucht „Begriff, Gestalt und Bedeutung griechischer
Metaphysik" (12-53). Er teilt die Kritik an der Theorie vom „bibliothekarischen
Ursprung des Namens Metaphysik" (13) und gibt einen
gründlichen historischen Einblick in Begriff und Gestalt griech. Metaphysik
. Deren Bedeutung wird dann einmal unter dem Gesichtspunkt
der historischen Nachwirkung dargestellt (bis Thomas von Aquin).
zum anderen hinsichtlich gegenwärtiger Aktualität (die griechische
Metaphysik bleibt „immer belangvoll" für jeden Versuch. „Gott
denkend zu begreifen" - 53). - Joseph Möller referiert über
„Heidegger und das Problem der Metaphysik" (54-75) unter dreifacher
Fragestellung: 1. Heideggers Kritik an der Metaphysik und der
Neuansatz des wesentlichen Denkens: 2. Was ist Metaphysik?
3. Heideggers Denken und die Metaphysik. Ein Ergebnis ist die
Frage, ob das Heideggersche Denken „so radikal neu ist, wie es sich
gibt" (72). - Bernhard Welte („Über den Sinn, die Notwendigkeit
und die Grenzen einer .Enthellenisierung' des Christentums" - 76-91)
sieht als eigentliches Problem des Themas „Enthellenisierung" die
Frage, wie „das Dogma im Evangelium - dieses unverkürzt verstanden
- enthalten sei" (85). Vf. fordert eine „neue Sprache", die „die
Kontinuität mit dem Dogma in Verwandlung bewahrte, die sich aus
dem neu verstandenen biblischen Text nährte, und die für die sich
bereitende neue Welt und Zeit verständlich und annehmbar wäre"
(89). - Friedo Ricken S. J. schließt den Band mit einer Spezialuntersuchung
ab: „Zur Rezeption der platonischen Ontotogie bei Eusebius
von Kaisurcia, Areios und Athanasios" (92-127). Die Beiträge (von
denen auch der letztgenannte sich zur Enthellenisierung äußert) vermitteln
insgesamt einen interessanten Einblick in Fragen und
Lösungsversuche, die hier von katholischen Autoren zur Diskussion
gestellt werden, die sich (was wohl nicht nur an den Themen liegt)
zwar intensiv mit Harnack und Bultmann beschäftigen, nicht aber mit
Barth oder Bonhoeffer.

E.-H. A.

Systematische Theologie: Allgemeines

Güttgemanns, Erharde Kragmcnta semiotico-hermeneutica. Eine
Texthermeneutik für den Umgang mit der III. Schrift. Bonn:
Linguislica Biblica 1983. 347 S. 8' = Forum Thcologiae Linguist*-
cae,9.

Das Buch des Bonner Neutestamentiers und Semiotikers war seit
langem angekündigt als „der erste entschlossene Versuch, dem unerträglichen
Nebeneinander von allgemeiner Sprach- und Texttheorie
(Linguistik), theologischer Hermeneutik und allgemeiner Zeichentheorie
(Semiotik)ein Ende zu bereiten."

Es gliedert sich in 7 Kapitel, denen einige „Molti" als „Pia desideria
huius libri" voranstehen und ein (lateinischer) Epilog sowie ein (über
400 Titel verzeichnendes) Register der zitierten Literatur folgen.