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Ausgabe:

1984

Spalte:

616-617

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hägglund, Bengt

Titel/Untertitel:

Geschichte der Theologie 1984

Rezensent:

Mau, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 8

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zil, dessen Superiorität (Dekret „Haec saneta") und dessen Verpflichtung
zur Abhaltung periodischer Versammlungen (Dekret „Fre-
quens") festgestellt worden waren, sich um die Superiorität in Glau-
bensfragen, bei der Kirchenreform und hinsichtlich der Überwindung
eines Schismas stritten. Ungeschickterweise hatte der als Kardinal
konzilsfreundliche Eugen (1431-1447) noch 1431 die Aullösung des
Konzils angeordnet gehabt. Demgegenüber hatte dieses sich als rechtmäßig
und von Jesus Christus eingesetzt erklärt. Nach dem offenen
Bruch 1437 hatte sich der Kaiser um Vermittlung bemüht, aber Eugen
hatte das Basler Konzil suspendiert und ein neues nach Ferrara einberufen
. So gab es faktisch ein neues Schisma (mit dem späteren Gegenpapst
Felix V.). Fast 10 Jahre bemühten sich beide Seiten, das Reich
an sich zu binden.

Nach konziliaristischcr Theorie repräsentierte das Konzil die
Kirche, ist ihm die „Vollmacht der Kirche" gegeben, die Papalisten
identifizierten Papst und Kirche. Umstritten blieb also, ob das Konzil
oder der Papst irren könnten (beides wurde aus der Vergangenheit belegt
), ob es auch ohne Papst ein Konzil geben könne (ob dessen Beschlüsse
von jenem also erst bestätigt werden müßten) und wer für das
Schisma verantwortlich sei. Wohl stimmt NvK dem zu, daß die Konzile
, „die die Zustimmung der Gesamtkirche in heilsnotwendigen Fragen
gefunden haben", nicht geirrt hätten (122), aber der Papst muß
ihnen eben zugestimmt haben. NdT fordert, daß der Papst sich uneingeschränkt
dem Konzil anzuschließen habe. NvK meint wiederum,
daß selbst die Anerkennung des Konzils durch den Papst (konkret:
Eugens Widerruf der Verlegung des Konzils von Basel nach Bologna)
nicht bedeutet habe, daß er sich „an die konkrete Größe Konzil
gebunden" fühlte, dies also „keine Grundsatzentscheidung gegen die
Vollmacht des Papstes auf Konzilien" dargestellt habe: übrigens sei ja
dieses bereit gewesen, ihn als Haupt anzunehmen (womit NvK „die
Tatsachen auf den Kopf' stellte, 139-143).

Vf. kommt sehr ausführlich auf die Translation des Konzils nach
Ferrara durch Eugen um der Unionsverhandlungcn mit den Griechen
willen zu sprechen, wobei die Meinungen beider wieder aufeinanderprallten
. Nach NvK geschah das zu Recht vom „Haupt des Konzils
her" (152). nur das Konzil von Ferrara war für ihn jetzt ein „wirklich
ökumenisches Konzil" (168). Nach NdT aber war die Verlegung ein
„ungerechter Befehl", dem nicht gehorcht werden durfte: Eugen habe
gar nicht so sehr die Griechen zurückführen, sondern sich der Strafverfolgung
entziehen wollen (Vf.: „ein polemischer .Volltreffer"',
189). „An einem vom Papst beherrschten Ort kommt keine gehörige
Reform des Hauptes zustande." (193) Die Union mit den Griechen
wäre vom Konzil vorbereitet worden und gehörte zur Vollmacht des
Konzils.

Vf. weist wiederholt (vor allem 206) darauf hin, daß NdT im
Grunde weder einst auf der Seite des Papstes noch jetzt auf der Seite
des Konzils gestanden habe, sondern vielmehr im Dienste seines
aragonesischen Königs dessen Realpolitik aufschöne. In diesem
Zusammenhang ist wohl auch seine Pfingstpredigt 1441 zu sehen
gewesen. In ihr hatte NdT den (Konzils-)Papst „caput concilii et
ecclesiae" genannt und die Superioritätslehre nicht „Haec saneta"
gemäß dargelegt. NdT verteidigte sich damit, daß der Papst „Diensthaupt
" sei, derschismatische Papst aberauch das nicht.

Im zweiten Teil untersucht Vf. die Stellungnahmen zum Prozeß
gegen Eugen. Beide „sahen ihre Aufgabe darin, mit allen Mitteln des
Kirchenrechts nachzuweisen, daß ihre Partei die bessere Tradition auf
ihrer Seite hätte" (227), ob also einem Papst bei Häresieverdacht der
Prozeß gemacht werden dürfte oder nicht. Das Decretum Gratiani
war nach beiden Seiten hin auslegbar. Gab es, falls er Häretiker war.
einen Prozeß gegen ihn oder hatte er dann automatisch sein Amt verloren
, war also automatisch nicht mehr Papst. Wieder steht dahinter
die Frage: Ist das Konzil größer als der Papst oder umgekehrt. NvK
wirft dem Konzil das Verbrechen vor, gegen Eugen einen Prozeß
geführt, ihn abgesetzt und einen Gegenpapst gewählt zu haben. Die
Forderung nach konziliarer Superiorität hätte somit zur „destruetio
ecclesiae" geführt (277), während Eugen durch die Union mit den

Griechen Einheit gestiftet habe. NdT warf Eugen vor, sich gegen die
Reform gesträubt und durch Eröffnung des Konzils von Ferrara die
Kircheneinheit geleugnet zu haben. Damit sei er zum Schismatiker
und Häretiker geworden. Dies zu beweisen, bemüht sich NdT vor
allem. Eugen habe durch Ernennung von Gegenbischöfen Schismen
verursacht, Diözesen finanziell ausgesaugt (Simonie), ungerechtfertigt
Appellationen zugelassen etc., vor allem aberdie Basler Dekrete nicht
befolgt und dessen Vollmacht geleugnet. NvK konterte damit, das
Konzil wolle „die Unterwerfung des Papstes, nicht die Reform der
Kirche" (335).

Bekanntlich neigte sich allmählich die Waage zugunsten des
Papstes. Für seinen Einsatz wurde NvK von dessen Nachfolger mit
dem roten Hut belohnt.

Die Arbeit des Vf. ist gründlich und engagiert, aber doch recht
weitschweifig, sie erscheint manchmal wie ein Thema mit Variationen
(vgl. nur 23, 681). Man würde sich doch eine systematischere
Bearbeitung des Stoffes gewünscht haben. Aber man kann dem Vf.
bescheinigen, „dem Anspruch auf Objektivität genügt zu haben"
(XIX). Der Ausblick auf die Gegenwart ist denkbar kurz (449^351).

Leider hat Vf. wesentliche Auslührungen in die Anmerkungen
(Band 2) verbannt. Diese enthalten nicht nur Zitate und Auseinandersetzungen
mit Sekundärliteratur. Man könnte, überspitzt formuliert,
sich mit der Lektüre der Anmerkungen auch zufrieden geben. Nur
wird durch die heute weitverbreitete Unsitte, die Anmerkungen mit
Wesentlichem zu befrachten, nicht nur die Lektüre, sondern auch der
Gebrauch des Werkes erschwert, besteht doch die Gefahr. Wichtiges
zu übersehen.

Hatte Vf. sein Manuskript schon vor Erscheinen des Buches von
H. Schüssler, Der Primat der Heiligen Schrift als theologisches und
kanonistisches Problem im Spätmittelalter (1977, vgl. ThLZ 105,
1980 Sp. 48-50), abgeschlossen? Er führt es im Literaturverzeichnis
nicht auf, erwähnt es aber einmal in den Anmerkungen (II, 13). In
diesem Werk wird NdT ausführlich behandelt. Das Werk von
W. Krämer, Konsens und Rezeption. Verfassungsprinzipien der
Kirche im Baseler Konziliarismus konnte vom Vf. nicht mehr berücksichtigt
werden. Diese Veröffentlichungen aus letzter Zeit zeigen das
anhaltende Interesse an der Konzilsgeschichte. Vf. hat seine fleißige
Arbeit weithin „nebenberuflich" angefertigt. Das verdient alle Anerkennung
.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Hägglund, Bengt: Geschichte der Theologie. Ein Abriß. Übers, v. A.
O. Schwede. Berlin: Evang. Verlagsanstalt; zugl. München: Kaiser
. 1983.355 S.8'.

Das erstmals 1956 erschienene Buch des Lundenser Systematikers
hat in Schweden bereits seine 5. Auflage erlebt und ist in mehrere
Sprachen übersetzt worden. Die Rezension der ersten englischen Ausgabe
in der ThLZ (96, 1971 Sp. 371-373) gab die Anregung zur Übersetzung
ins Deutsche, für deren Qualität der Name von A. O. Schwede
bürgt. Die damals besprochene Fassung (nach der 3. schwed. Auflage)
ist inzwischen inhaltlich ergänzt worden. Das 34. Kapitel (The Theo-
logy of the Early 20th Century; Contemporary Trends) wurde teilweise
verändert und erweitert. Im ursprünglichen Schlußabschnitt zur
Debatte über Kerygma und Geschichte werden außer Bultmann und
Cullmann jetzt auch M. Dibelius und K. L. Schmidt, G. von Rad und
W. Pannenberg behandelt. Dazu kommen jetzt noch zwei weitere Abschnitte
. Unter dem Titel „Die Säkularisationstheologie" geht der
Vf. auf Gogarten. Bonhoeffer. die „Gott ist tof'-Theologie und den
sprachanalytischen Ansatz (am Beispiel Pauls van Buren) ein
(326-329). Das Ziel der Säkularisationstheologie sei es, „die Hauptgedanken
der Tradition mit einem modernen Weltbild zu konfrontieren
". Problematisch an solchen Lösungsversuchen sei „vor allem, daß
man meint, ein eindeutiges Wirklichkeitsbild beim säkularen Men-