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Ausgabe:

1984

Spalte:

603-604

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Blevins, James L.

Titel/Untertitel:

The Messianic secret in Markan research, 1901 - 1976 1984

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Seite 1

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603

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 8

604

tenbcwegung zu deuten (und sei es als deren Antithese), entbehre jeder
historischen Fundierung.

Wichtigste Quelle bleibt Josephus. dessen Glaubwürdigkeit jedoch
kritischer gesehen wird (Ausnahme 123: das Testimonium Flavia-
num, das der Substanz nach als authentisch gilt). Die Widersprüche
seiner Darstellung des jüdischen Widerstandes in den Antiquitates
einerseits und im Bellum Judaicum andererseits werden in gründlichem
Einzelvergleich aufgewiesen (24-66). Während die Aufstandsbewegung
in dem bald nach 70 p.Chr. verfaßten BellJud als Werk von
Banditen erscheint, erfahrt sie in den späteren Ant eine gewisse Rechtfertigung
. Erst auf der Basis solcher Tendenzkritik ist ein zuverlässiges
Bild des geschichtlichen Ablaufs der Ereignisse von 4 a. Chr. bis
70 p. Chr. zu gewinnen (67-179).

Hier wie in anderen Punkten steht der Vf. keineswegs allein da. Nur
die wichtigsten seien genannt: Josephus gegenüber sind die anderen
Quellen (Philo, Tacitus, jüdische Zeugnisse) von geringerem Gewicht
(183-201). Zwischen Zeloten und Sikariern muß (wie G. Baumbach
aufgewiesen hat - ThLZ90. 1965 Sp. 727-740) unterschieden werden
(156-174). Viele für die Zelotenbewegung in Anspruch genommenen
jüdischen Stellen beziehen sich auf den Eifer für das Gesetz,
nicht auf revolutionäre Aktivität (202-232).

Das Geschichtsbild ist holzschnittartig einfach. Die Zeit des geteilten
Palästina von 4 a. Chr. bis 41 p. Chr. war eine Periode der Ruhe,
einzige Ausnahme ist die Rebellion des Judas Galilacus am Anfang
dieser Epoche. Als grundlegende Wende erscheint die Unterstellung
unter die Prokuratur 44 p. Chr.; erst jetzt bildet sich die Zelotenbcwe-
gung heraus. Entscheidendes Gewicht lallt auf den Nachweis, daß die
religiösen, politisch-administrativen und ökonomisch-sozialen Bedingungen
in beiden Perioden deutlich differieren (261-299). Ist dieser
in solcher Knappheit wie hierzu erbringen?

Nachdem schon früher Namen und Gestalten aus dem NT einbezogen
waren (vgl. 248-259). werden in einem letzten Teil die Konsequenzen
für die Exegese der in diesem Zusammenhang herangezogenen
synoptischen Perikopcn skizziert: Einzug in Jerusalem und Tempelreinigung
. Kaisersteuer, Jesu Gefangennahme und der sog. Stürmerspruch
Mt 1 1,12f par. Daß sie, was eine irgendwie geartete Beziehung
Jesu zur Zelotenbewegung angeht, negativ ausfallen, versteht
sich nach dem Vorangegangenen von selbst. Aber hätte hier nicht die
traditionsgeschichtliche Fragestellung ihr Recht? Die Herausbildung
der Tradition ist doch zu einer Zeit noch im Gange, in der (auch nach
dem hier dargebotenen Geschichtsbild) die Zelolenbewegung eine
Rolle gespielt hat. Der verständliche apologetische Eifer, einem theologischen
Rcvolutionarismus jede Grundlage zu entziehen, hat den
Vf. auf ein allzu einfaches Gegenkonzept fixiert.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Ble>ins. James L.: The Messianic Secrct in Markau Research,
1901-1976. Washington: University Press of America 1981. IV,
227 S.8

Der Verfasserstellt zunächst Wrcdcs Erklärung des Messiasgeheimnisses
in den Evangelien dar und referiert die ersten kritischen Stellungnahmen
, die durchweg von Ablehnung und Unverständnis geprägt
waren, weil bzw. insofern Wrede ein messianisches Bewußtsein
Jesu in Abrede stellte (1-39).

Die zweite Phase der Rezeption datiert Blevins von 1911-1920
(41-77). In ihr stößt Wredes Fragestellung zunehmend auf Interesse
und Verständnis, ohne daß Wredes Konsequenzen hinsichtlich des
messianischen Selbstbewußtseins Jesu von irgendeinem Forscher voll
akzeptiert worden wären. Zwischen Wrcdcs radikaler und der konservativen
Position setzt sich eine vermittelnde Ansicht durch, welche
das Messiasgeheimnis des Markusevangeliums als redaktionelle
Theorie auf einer historischen Grundlage erklärt.

Die nächste Phase (79-116) grenzt Blevins von 1921-1930 ab. Sie
steht im Zeichen der formgcschichtlichen Entwürfe von Karl Ludwig

Schmidt, Martin Dibelius und RudolfBultmann. die Blevins zunächst
als solche darstellt, um danach jeweils die Stellungnahme der einzelnen
Formgeschichtier zu der Messiasgeheimnistheorie des Markusevangeliums
bzw. zu der Frage nach dem Messiasbewußtsein Jesu zu
erörtern. Bultmann ist der erste, der Wredes Theorie uneingeschränkt
übernimmt, doch übt die vermittelnde Einstellung von Dibelius
zunächst größeren Einfluß aus. Daneben begegnet weiterhin die konservative
Position (Schlatter; Zahn; Rawlinson u. a.).

Die nächste Phase (117-155) reicht von 1931-1950 und steht'im
Zeichen einer konservativen Modifikation der von Wrede entfalteten
Gedanken, die von J. Sehniewind, T. W. Manson, A. T. Cadoux
u. a. unternommen wird, doch begegnet weiterhin die .liberale" Position
(H. J. Ebeling; Ch. Guignebert).

Die letzte Phase (157-192) reicht bis zur Gegenwart (1951-1976).
Sie wird weiterhin von dem Nacheinander der .liberalen' und der
.konservativen' (V. Taylor; E. Sjöbcrg) Position bestimmt und steht
hinsichtlieh der erstem (Bornkamm; Marxsen u.a.) im Zeichen der
redaktionsgeschiehtlichen Methode, die Wredes Position stärkt.

Die Grenzen der Darstellung Blevins' sind deutlich. Der Verfasser
bespricht die wichtige bzw. die ihm wichtig erscheinende Literatur,
kann aber natürlich keine Vollständigkeit erstreben. Er beschränkt
sich auf deutsche und auf englischsprachige Veröffentlichungen unter
Einschluß einiger ins Englische übersetzten französischen Autoren
(Loisy; Guignebert). Die Einteilung in Dekaden ist einigermaßen
künstlich, doch nicht ganz anhaltlos. Die Unterscheidung zwischen
.liberaler' und .konservativer' Position hat ihr gutes Recht, doch rückt
diese an der Frage nach dem Messiasbcwußlsein Jesu orientierte Differenzierung
andere Probleme zu sehr in den Hintergrund, so vor
allem die Tatsache, daß die neuere .liberale' Forschung die Messias-
geheimnistheoric im Unterschied zu Wrede dem Evangelisten Markus
selbst, nicht der frühen Urgemeinde zuschreibt und darum Wrcdcs
Deutung, diese Theorie diene dem Ausgleich zwischen unmessiani-
scher Überlieferung und messianischem Bekenntnis, in der Regel
nicht festhalten kann. Vor allem wird kaum deutlich, daß es sich bei
Wredes Buch um eine exegetische Untersuchung handelt und daß
auch die daran anschließende Diskussion sich dort am fruchtbarsten
zeigt, wo sie die Mühe traditionsgeschichtlichcr Analyse auf sich
nimmt. Die ausführliche Wrede-Kritik, die H. J. Ebeling seiner 1939
erschienenen Arbeit über das Messiasgeheimnis vorausschickt, hat insofern
weit höheren wissenschaftlichen Rang.

Das aber, was Blevins bietet, ist sorgfältig recherchiert und zuverlässig
dargeboten. So hat er auch zutreffend beobachtet, daß bereits Bultmann
Wrede insoweit mißverstanden hat, als dieser Markus selbst für
den Schöpfer der Messiasgeheimnistheorie gehalten habe, ein Irrtum,
der seitdem bis in unsere Tage hinein vielfältig begegnet.

Der Ausblick (200-202), mit dem Blevins sein Büchlein schließt,
zeigt, daß ihm die neuralgischen Punkte der gegenwärtigen Erforschung
des von ihm behandelten Problems deutlich vor Augen stehen.
Den .Konservativen' empfiehlt er, sieh stärker den traditionsgeschichtlichen
Problemen zuzuwenden, den .Liberalen' aber, sich
darüber klar zu werden, warum Markus die Messiasgeheimnistheorie
schuf, wenn er doch zu seiner Zeit nicht mehr genötigt gewesen sein
könne, eine unmessianisehe Tradition mit dem Messiasbekenntnis zu
vermitteln - eine Aufgabe, die der Rezensent jüngst in seiner Weise zu
lösen versucht hat (Das Evangelium nach Markus. ÖTK 2, 52ff).

Herlin (West) Walter Schmithals

Romaniuk. Ka/imierz Ks.: Wiara vt zmartwychwstanie, pustj grob i
pajawienie sie zmartwychwstatego Chrystusa. Katowice: Ksiegar-
nia Sw. Jacka 1981. 100 S.. gr. 8" = Xttendc LectionisVl. Kart,
zl. 60.-.

Der polnische katholische Neutestamentler K. Romaniuk. Dozent
an der Katholischen Theologischen Akademie in Warschau und be-