Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1984

Spalte:

554-556

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Lessing, Eckhard

Titel/Untertitel:

Kirche, Recht, Ökumene 1984

Rezensent:

Stein, Albert

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologische Literatur/eitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

554

wird - doch wohl auch .systematischen' Unterschied /wischen .einheitlicher
' Basis und .ganzheitlicher' Absieht. Und gerade am nun
jedoch spekulativ (!) gefaßten Begriff des ..Ganzen" kann Anselm
dann /eigen, dal.) PalmerS katechetisches Opus zu entscheidenden
Teilen nicht nur ..auf dem Weg zur Spekulation" im Sinne der idealistischen
Philosophie und der Vermittlungstheologie blieb (21-37).
sondern daß er sein „Gottesbild" (192-231) wie sein „Welt-Bild"
(231-289) als ..theologische Spekulation" für das katechetische
Denken und 1 landein umfassend fruchtbar machen wollte.

Es ist von hohem Reiz, dem Vf. auf den oft verschlungenen Wegen
seiner Palmer-Analyscn zu folgen, weil diese Beweisführung gleichsam
quer zum ja vor allem kaleehelisehen Material aus Palmcrs
unterschiedlichen Schriften verlaufen muß. Die großen Hauptteile
der Untersuchung, ..Die Genese des subjektiven Glaubens" (.38-191)
und ..des objektiven Glaubens" (192-289). vermögen den - wohl-
gemerkt: doppelten! - Anspruch der Untersuchung freilieh nicht
überall zu erfüllen; sollte Palmer sieh vielleicht doch der hier für ihn
behaupteten letztlich identitätstheologischen Vermittlung /wischen
den genannten Arten des Glaubens (290IE; bes. 30911', 32311) verweigern
? Man wird solche Fragen, die von Anselms Thesen und Ergebnissen
erstmals angeregt werden - und dafür sollte ihm nicht nur die
'cligionspädagogisehe Forschung Dank wissen -. kaum ohne ständige
Lektüre Palmers neben (!) dieser Arbeit beantworten können, und
sehon gar nicht in einer knappen Rezension. Leider wird dies aber
durch die Dissertation an vielen Stellen erschwert.

Als Beispiel verweise ich auf S. 56-64. wo Vf. in dauerndem Bezug
auf die Erstaullage der Palmersehen .Pädagogik' (dort 67-70) zwei
•.Lösungsmodelle" für den ..Organismus theologischer Wissenschaften
bei Chr. Palmer" skizziert. Palmer diskutiert dort mit einigen
damals führenden Autoren der Praktischen Theologie Berührung und
Abstand der Pädagogik zu dieser sieh allmählich organisierenden und
systematisierenden theologischen Disziplin. Er selbst nimmt keineswegs
, und am wenigsten als ..logische Konsequenz aus Stellung und
Funktion der Kirche bei der (lenese des subjektiven Glaubens" eine
••Einordnung der Pädagogik .in den Kreis der praktischen Theologie',
als eine .Hilfswissenschaft, als einen appendix" zu ihr" vor (Anselm.
58; unter Zitation von Palmer. 67 und 69). Dem Text bei Palmer
zufolge geht es gerade ihm nicht um eine Pädagogik als .Hilfswissenschaft
' oder gar als .appendix' zur Praktischen Theologie; diese Stich-
Worte, deren erstes er Hagenbachs ,.Enzyklopädie" (Palmer. 67)
entnimmt, will Palmcr (69) allenfalls und lediglieh denen (..man".
°°d.) konzedieren, für die die Pädagogik deswegen nicht zur Praktischen
Theologie gehört, weil sie ..über das bloß Kirchliche" hinausgeht
. Für Palmer selbst ist die ..evangelische Pädagogik" (!) ein ..notwendiger
Ausläufer der rein kirchlichen Tätigkeit in eine allgemein
enensehliehe"; sie (!) darf ..nicht da begrenzt oder abgeschnitten
werden, wo die letztere beginnt, da sonst auch die erstere in sieh selbst
unsicher, ja erfolglos werden würde" (69). - Es sei nebenbei vermerkt,
daß Hagenbaehs „Enzyklopädie" noch in der 10. Aullage (1880. 449)
d'e Pädagogik als „Hilfswissenschaft" aufführt.

Auf andere Weise problematisch als solcher Textumgang (vgl. z. B.
noch 65-67 zu Kateehelik. ' 1846. 538: 89 zu Pädagogik. 343) wirkt
steh der häufige, sehr bemühte Versuch des Vf. aus. für Palmer Vorwegnahmen
von religionspädagogisehen Positionen des 20. Jahrhunderts
zu konstruieren (/.. B. „Verschattung" Tillichs und Nipkows,
-1(,t „Kehrwerf-Lösung bei Vierzig. 39f. 44: 11. Kittel „vorbereitend
". 64 Anm. 142. vgl. ebenso 114; Auswirkung des „argumentativen
Instrumentariums". 113-115: 120; 122; 135 usw.). In solchen
^ersuchen tritt neben der leider unzureichenden Analyse jener Positionen
(bes. gravierend 11311) ein bedauerlicher Mangel der Arbeit
t sie verzichtet nämlich ohne Angabe von Gründen auf jede
Erstellung faktischer Auswirkungen der Palmersehen Katcehctik
D?w. Pädagogik in Schule und Kirche ihrer eigenen Zeit. Daß z. B. die
s°g- Stiehlsehen Regulative von 1854 auf Palmer ausdrücklich und
sehr bezeichnend Bezug nehmen (vgl. etwa B. Kruegcr, Stiehl und
seine Regulative. Weinheim 1970. 254. sowie die weitere dort verzeichnete
Forschungsliteratur), würde manche wichtigen Schlüsse des
Vf. stützen, andere in I rage stellen können. Es dürfte etwa die oben
notierte Aullagendiehte und -folge gerade der .Evangelischen Pädagogik
' erklären helfen.

Aber der positiv e (irund für den Verzicht des Vf., solche Spuren zu
suchen und zu werten, liegt sicherlieh in seinem schon mit dem Untertitel
betonten Interesse an der „religionspädagogisehen I heoriebil-
dung der Gegenwart". Die oben nur zum Teil benannten häufigen
Versuche, Verbindungslinien herzustellen, münden in eine das Buch
abschließende Studie zum „Identitätsmodell Palmers als Anfrage an
die gegenwärtige religionspädagogische Diskussion" (334-363). Die
Möglichkeit zu dieser Anfrage sieht Anselm darin, daß trotz aller
Wandlungen im „Bedingungsrahmen" und im „Erlährungshinter-
grund" die „Grundprobleme . . . dieselben geblieben" seien (33 I f: vgl.
sehon die „fliese". 1 3). Und wieder gehört hier/u an erster Stelle „die
Frage nach dem Ganzen" (331). die ja nach Anselm das „religions-
pädagogisch-theologische Programm", „das Streben Palmers" kennzeichnete
, „das Ganze als Ganzes zu erfassen" (333: s. hierzu jedoch
oben über die Differenz Palmer/Zezschwitz). Mit dieser Frage wendet
sieh der Vf. den „Konzeptionen" von S. Vierzig und K. E. Nipkowzu.
denn für ihn haben sie „im idenlitätstheologisehen System Palmers
einen gemeinsamen Bezugspunkt" (33.5). Wie die Frage als „Anfrage"
erarbeitet und ob sie förderlich beantwortet wird, kann hier aus
Raumgründen nicht dargestellt werden: man wird auf ihr Echo bei
den gefragten Autoren selbst und ebenso bei dem noch beigezogenen
H. Schmidt (Religionspädagogische Rekonstruktionen. 1977; bei
Anselm 364-367) gespannt sein dürfen. Soviel jedoch ist auch hier
deutlieh: mit der vorliegenden Dissertation beginnt in einer ideen-
gesehichtlieh und theologisch wie pädagogisch spannungsreiehen
Situation der Religionspädagogik ein wichtiges Konzept der eigenen
Vorgeschichte das I ach und seinen (iegenstand einzuholen.

Man möchte hoffen, daß die Arbeit in diesem Punkt Schule
macht.

Berlin (Weit) PeterC. Bloth

Kirchenrecht

Lessing, Eckhard: Kirche - Recht - Ökumene. Studien zur Ekklesio-
logie. Bielefeld: Luther-Verlag 1982. 166 S. gr. 8 = Unio und
C onfessio.8. Karl. DM 32.-.

Der Münsteraner Systematiker gibt, nachdem sieh an der dortigen
Universität ein wissenschaftlicher Arbeitskreis mehrere Semester lang
mit Fragen der Ekklesiologie beläßt hat. in dem anzuzeigenden Werk
sieben Aufsätze aus seiner Feder an die Öffentlichkeit, welche das
Thema unter verschiedenen gegenwartsnahen Aspekten absehreiten
und durch ihre Schwerpunktsetzung ebenso wie durch manche anregende
Akzentuierungaufmerksam machen.

Der erste Beitrag über „die Konstitution der Kirche" (S. 9-20) stellt
einen auch für die weiteren Darlegungen wichtigen Zentralpunkt
heraus. Es geht darum, was die Kirche zur Kirche macht, um ihr
genuines Sein (S. 9). den unverwechselbaren Kern (S. 161). Jedoch
muß die Kirche nicht erst durch Verweisungszusammenhänge zur
Kirche gemacht werden, sondern begründet diese: der (ieist ist der die
Kirche konstituierende, der aber zugleich in seiner Besonderheit
erkannt werden will (S. 18). So kann von der Predigt, mit der alle
Formen von Verkündigung gemeint sein sollen, und vom Sakrament
her die Zeitigung der Kirche angemessen bedacht werden (S. 181).

Ein folgender, größerer Beitrag über „Grundfragen der evangelischen
Ekklesiologie" (S. 21-83) sehreitet deren Verhältnis zur Sote-
riologie, zum Katholizismus, zur Religion, zur Ethik und zur biblischen
Theologie ab. stellt sieh aber auch der Frage nach der politischen
Ekklesiologie. Lessing lehnt es ab. die christliche Existenz als
eine durch das Politische fundamental bestimmte anzusehen. ..Im

ZwHimnihaHf dtr Erörterung des Politischen auf Unterscheidungen
zuzugehen und trotzdem an der Einheit der Kirche festzuhalten, kann