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Ausgabe:

1984

Spalte:

552-554

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Anselm, Helmut

Titel/Untertitel:

Religionspädagogik im System spekulativer Theologie 1984

Rezensent:

Bloth, Peter C.

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

552

Grundsat/ ist die Verzahnung der Sakramentenkatechese mit anderen
katechetischen Bereichen. Sakramentenkatechese gehört in ein
umfassendes katechetisches Konzept, die Verbindungslinien gehen in
viele Richtungen.

Bei der katechetischen Erörterung der einzelnen Sakramente entsprechen
sich die Gliederungspunkte. Die Verlassergehen jeweils von
der gegenwartigen Situation des Sakramentes aus: sie bestimmen
sodann die Inhalte des katechetischen Gesprächs und nennen an dritter
Stelle die Ziele. In einem v ierten Punkt wird der Versuch gemacht,
einige Hillen für die heutige Praxis zu geben. (Es wird etwa überlegt,
wie ein Katechumenat heute aussehen könnte; die Verfasser bieten
einen problemorientierten Firmkurs: sie nennen Zielspektren für die
Hinfuhrung der Kinder zur Eucharistie bzw . zum Bußsakrament; sie
stellen einen Katalog katechetischer Einzelaufgaben zur Krankensalbung
auf und schlagen Ansätze zum katechetischen Gespräch über
Ehe und Weihe vor.) Lernhinweise zu jedem Kapitel bilden den
Abschluß des Buches.

In das Buch sind viele pastorale Überlegungen der Würzburger
Synode und ihres Beschlusses ..Schwerpunkte heutiger Sakramenlen-
pastoral" eingegangen. Es bietet nicht nur sakramentenkatechetische
Orientierung, auch wer eine Einführung in das Verständnis heutiger
katholischer Sakramententheologie sucht, findet hier eine prägnante
Zusammenstellung. Wer das Anliegen der Sakramentenkatechese,
wie es von Enteis und Schmitt konzipiert ist. verstanden hat. hat
m. E. an diesem Excmpel Katechese überhaupt v erstanden.

Der ..Grundkurs" ist ein lernfreundliches Buch. Es bietet zur
schnellen Übersicht typographisch herausgehobene Zusammenstellungen
: etwa von fundamentalen Zielen (35) oder von Möglichkeiten
des Gesprächs über das Bußsakrament (182): es hebt wesentliche
Zitate, etwa aus dem genannten Synodenbeschluß oder aus Konzilstexten
, eindrücklich hervor: es arbeitet mit Skizzen (121), Übersichten
(68) und Vergleichen (I 13). Dennoch fiel es mir schwer, das Buch
in einem Zug durchzulesen. Das mag mit der für ein Sachbuch ungewöhnlich
fordernden Redeweise zusammenhängen (Es sind ..Entscheidungen
notwendig" . . .. diese Entscheidungen ..müssen" . . ..
diese Ausgangssituation ..verbietet" . . . [106; auf S. 107 kommt das
Wort „sollen" 15mal vor!]). Der größte Teil der Leser wird sich vermutlich
je nach Notwendigkeit über das eine oder andere Sakrament
und seine katechetische Vermittlung informieren wollen. Er wird das
Buch also nicht „von Deckel zu Deckel" lesen.

Bei den einzelnen Sakramenten finden sich überall hilfreiche Hinweise
für den Praktiker (zum Taufgespräch [5911], zur Bedeutung der
Sonntagsfeier für die Eucharistiekatechese [115], zum Zusammenhang
der Einführung der Kinder in das Bußsakrament mit der Praxis
der Erwachsenen [159]); das Buch läßt den Praktiker aber dann im
Stich, wo er wissen möchte, „wie man es macht". Die wichtigen prinzipiell
- und materialkatechetischen Ansätze werden nur in geringem
Maße formalkatechetisch weitergeführt. Die Verlässer versuchen
zwar bei jedem Sakrament die Linie bis hin zur praktisch katechetischen
Arbeit durchzuziehen, aber hier bleibt es dann bei einigen Proben
. Vorschlägen und Ratschlägen, welche die nach Praxishilfe
suchenden Mitarbeiter im pastoralen Dienst nicht befriedigen werden
. Wer eine Hilfe dafür sucht, ein mystagogisches Jahr mit Kindern
durchzufuhren,greife nicht nach diesem Buch.

Das Buch ist m. E. trotz, seiner Orientierung an den sieben Sakramenten
der katholischen Kirche - die Sakramente werden verstanden
als die Entfaltung des sakramentalen Wesens der Kirche (22) - ein
ökumenisch offenes Buch. Wer sich in der evangelischen Kirche
Gedanken über die Erneuerung der Abendmahlspraxis macht - seit
der M itte der siebziger Jahre ist ja das Abendmahl für Kinder im (le-
spräch -. wer eine nur traditionelle Taufpraxis überwinden will, wer
eine Phänomenologie der Vergebung sucht, findet Anregung in diesem
Buch. Beim Weihesakrament sind die Verfasser ausdrücklich der
Meinung, daß „die katechetische Erschließung des katholischen Verständnisses
v om priesterlichen Amt durchaus auf der Linie gegenwärtiger
ökumenischer Überlegungen liegt" (254).

In einer späteren Auflage müßten einige Satz- bzw. Satzkonstruktionsfehler
korrigiert werden (26:98: 185: 188:236:243). Die genetische
Gleichwertigkeit der Frau ist schon seit 1827 durch Karl Ernst
von Baer erkannt worden und nicht, wie auf S. 221 behauptet, erst
1875 (vgl. Ch. Singer - E. Ashworth Underwood. A short Flistory of
Mediane. Oxford ' 1928.204).

Stotternheim Franz Georg Friemel

Anselm, Helmut: Keligionspädagogik im System Spekulativer Theologie
. Untersuchungen zum Werk Christian Palmers als Beitrag zur
religionspädagogischen Theoriebildung der Gegenwart. München:
Kaiser 1982. 391 S. 8° = Münchener Monographien zur historischen
und systematischen Theologie. 8. Kart. DM 78,-.

Der große württembergische Katechetiker Christian Palmer
(1811-1875) verdient schon seit langem eine eindringende Untersuchung
. Seine mehr als ein Menschenalter umfassende, thematisch
weilgespannte literarische Tätigkeit berührte nahezu alle Bereiche der
Praktischen Theologie und war darüber hinaus mit v ielen systematischen
und enzyklopädischen Tendenzen um die Mitte des 19. Jahrhunderts
verflochten. Nicht nur aus simpler Geschichtsvergessenheit
der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts oder - wichtiger! - aus der
gerade in ekklesiologischer und katechetisch-religionspädagogischer
Hinsicht ideell wie strukturell gründlich gewandelten Situation dürfte
die Tatsache resultieren, daß in den letzten zwanzig Jahren außer
gelegentlichen SpezialStudien (vgl. z. B. D. Rössler, Prolegomena, in:
ZThK 64, 1967. 35711';.!. Henkys,Zur Katechumenatsidee, in: Theol.
Versuche IV. 1972. 17911) und pauschalierenden Charakterisierungen
(vgl. bes. G. Boekwoldt, Religionspädagogik = Urban-TB 183. 1977.
30-35) keine Versuche vorliegen, die Arbeit Palmers zu sichten und
ihren Ertrag zu sichern. R. Fischers Münstersehe Dissertation u. d. I
Religionspädagogik unter den Bedingungen der Aufklärung (= PF 54.
Heidelberg 197.7) bildet kaum mehr als eine Ausnahme, und mit ihr
setzt sieh der Vf. der hier zu rezensierenden Erlanger Dissertation von
1980 denn auch ständig scharf auseinander. An heulen Arbeiten
zeigen sich jedoch spezielle Eigentümlichkeiten, ja Eigenheilen ihres
Gegenstandes, also Palmers selbst, die seine Rückgewinnung erschw eren
: sie dürften sogar die vom Vf. energisch geforderte und akribisch
angestrebte „Werktreue" (35) einer religionspädagogischen Darstellung
und Würdigung Palmers an ihre Grenzen führen.

Anselms Untersuchung hat sicherlich ihr Hauptverdienst in dem
Bemühen, die in der langen Wirkungszeit Palmers zutage tretenden
Unausgeglichenheiten vor allem seines katechetischen Denkens auf
der Ebene eines Systems zu vermitteln. Dabei muß der Vf. das schon
1863 von G. V. Zezschwitz gekillte Urteil widerlegen, „in Palmers
Katechetik" steche „der Mangel systematischer Anordnung und Ent-
wicklung des Stoibs so hervor, daß schon die Übersicht der Hauptkapitel
, nach denen er denselben verteilt, jeden einheitlichen Eintei-
lungsgrund vermissen läßt" (v. /... System der christlich-kirchlichen
Katechetik, Bd. I, 3 ; verkürzt zit. Anselm. 26). Er tut es. indem er die
Absicht der Palmerschcn Katechetik. im l nlcrschied zur Bearbeitung
der gesamten „Menge einzelner Bestandteile einer Wissenschaft . . .
auch das (ianze eben als (ianzes erkennen zu lassen" (P„ Katechetik.
"1846. VIII; Anselm. 27. s. auch die verkürzten Zitate ebd.
Anm, 331). als „Programm" seines Autors im „Bereich der Religionspädagogik
" einschätzt. Auf diese Weise wird indessen ein „einheitlicher
Einteilungsgrund" als Fundament „systematischer Anordnung
und Entwicklung des Stoibs" nicht aufgewiesen - das Urteil
Zezschwrtzens bleibt also bestehen -; aber Anselm gewinnt so immerhin
die Möglichkeit, das schwierige Verhältnis /. B. zw ischen Palmers
.Evangelischer Katechetik' (1844. 21846. "1875) und dessen .Evangelischer
Pädagogik' (1853." 1855.41859. ncarb. von E. Gundert 1882)
im Sinne von Teilen eben des „Ganzen" einer Wissenschaft zu verstehen
. Damit steht, was der Vf. allerdings nicht ausspricht, die Differenz
zwischen Zezschwitz und Palmer auf dem mindestens methodischen
, aber - wie im Blick auf Palmer überzeugend nachgewiesen