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1984

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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Durchdringung der menschlichen Lebenswelt für die von ihm erörterte
Problematik der „modernen westlichen Gesellschaft" gänzlich
unberücksichtigt läßt. Zum andern aber scheint Gr.-II. einen humanen
sowie gleichermaßen christlichen Grundwert offerieren zu wollen
: „offene, gleichwertige Kommunikation". Dieser Werl wird freilich
durchaus nicht eingehend begründet. Gr.-H. verlritt zwar die
These, es sei sinnvoll, „von empirisch feststellbaren Bedürfnissen ausgehend
Werte auszubilden" (100), bzw. über empirisch erhebbare
„elementare Bedürfnisstrukturen von Mensehen" einen möglichst
breiten Wertkonsens aufzubauen (98). Daß hier jedoch das diffizile
Problem der Begründung on \ erlurteilen zur Disposition stehen
dürfte, scheint ihn ebensowenig zu beeindrucken wie die Tatsache,
daß /ur Begründung des von ihm befürworteten humanen Grundwertes
insbesondere J. Habermas und K.-O. Apel eine beträchtliche
Reflexionsarbeit geleistet haben, die die Probleme wesentlich schärfer
sieht als er selbst (vgl. auch 1 82).

Bleibt am Schluß die frage, ob sieh die eingangs erwähnte Mühe
gelohnt habe. Der Rezensent vermag diese frage wenigstens insoweit
ohne Zögern zu bejahen, als er hoffen darf, dem potentiellen Leser des
angezeigten Buches womöglich jene Mühe zu ersparen. Mag diese
Bemerkung in ihrer Uneindeutigkeit verbleiben, so sei ein Argwohn
jedenfalls eindeutig, gewissermaßen in „offener Kommunikation"
ausgesprochen. Es ist dies der Argwohn, daß die bei Gr.-H. auffällige,
wohl doch ungewöhnliche Quantität an Buchveröffentlichungen über
den Zeitraum der letzten zehn Jahre zumindest im vorliegenden fall
nicht zugunsten der Qualität ausgefallen zu sein scheint, freilich steht
solcher Argwohn wohl bereits an der Schwelle dessen, worüber der
Rezensent ein Urteil sich erlauben darf.

Gerichshäin Wollgang Pfüller

Dort, Joseph: Bulletin de theologie fbndamentale (RSR7I. I9S3
S. 443^*88).

Möllmann. Klaus-Dieler: Mensch. Maschine. Menschensohn (Diss. theol.
Hamburg 1983).

Initiation a la pratique de la theologie. Public SO US la directum de B. Lauret et
I . Refoule. Tome III: Dogmatique2. 792 S. Tome IV: Ethique. 712 S.
Tome V: Pratique. 390 S. Paris: Cerf 1983.8-.
(yjjü, auch ThLZ 109.19X4 Sp. 285-288).

Pesch, Otto Hermann: Erfahrener Cilaube. Gotteserfahrung heule. V
(WuA(M) 24. 1983 S. 129-130).

Seekler, Max: Theologcin. Eine Grundidee in dreifacher Ausgestaltung
(ThQ 163.1983 S. 241-264).

Seils. Marlin: Marginalien zur lutherischen Theologie heute (ZdZ. 37. 1983
S. 302-307).

Walther. Christian: Die frage nach dem Sinn und der christliche Glaube
(NZSTh 25.1983 S. 273-289).

Systematische Theologie: Dogmatik

Kühne, Hans-Jochen: Schriftautorität und Kirche. Eine kontrovers-
theologische Studie zur Begründung der Schriftautorität in der
neueren katholischen Theologie. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1979. l66S.gr. 8" Pp. M 12.-.

Die vorliegende Dissertation wurde 1975 von der Theologisehen
Fakultät in Leipzig angenommen und kann als mustergültige kontro-
verstheologische Studie angesehen werden. Sie zeigt zugleich, daß
gediegene, auf die Lösung von Sachfragen hinzielende und sieh von
Polemik freihaltende Kontroverslheologie auch in der gegenwärtigen
Phase des ökumenischen Dialogs noch fruchtbar sein kann. Während
in dereinen Richtung, nämlich gegenüber den Kirchen und Kirchen-
leitungen. immer dringlicher die Rezeption der erreichten Konsense
eingefordert werden muß. gehen im theologischen Raum die Forschungen
und Auseinandersetzungen weiter. Und niemand braucht
sich Sorgen zu machen, daß das nach der erhofften offiziellen Rezeption
von Konsenserklärungen anders sein würde.

In der v orliegenden Studie geht es um die Begründung der Autorität
der Schrift und ihr Verhältnis zu Kirche und kirchlicher Tradition.
Der Vf. hat dieses im letzten Jahrzehnt allgemein weniger beachtete
T hema behandelt, indem er die Entwicklung der katholischen Theologie
von der Enzyklika „Divino anTante Spiritu" (1943) bis zum
Anfang der siebziger Jahre einfühlsam und systematisch nachzeichnet
. Zugleich konzentriert er die MateriaHülle auf jene Themen, die
nach wie vor Tür den Dialog zwischen evangelischer und katholischer
Theologie interessant und w ichtig sind. So ergibt sieh eine beachtliche
Vielfalt von Themenkomplexen: die Neubewertung der alt kirchlichen
Zeugnisse über die Kanonentstehung und die Konzilscntschei-
dungen von Trient (insbes. durch Geiselmann), die Bedeutung der
Schriftwerdung der apostolischen Uberlieferungen Tür die Autorität
des Kanons gegenüber den mündlichen Traditionen, die Inspiration
der Schrift als Kriterium Tür ihre Autorität und lrrlttmslosigkeit. die
Apostolizität der Schrift als Ausdruck der bleibenden Bindung der
Kirche an ihren apostolischen Ursprung, das Problem der Begründung
von Schriftautorität durch den Inhalt der Schrift, der Selbsterweis
der Schriften durch ihren Anrede- und Wort-Gottes-Charak-
ter. die Aulopislic der Kirche als mögliehe Begründung Tür die Schriftautorität
und die Autorität des Kyrios als Begründung der Autorität
der biblischen Schriften. Als Ergebnis der - soweit Rez. sehen kann -
im allgemeinen zutreffenden Darstellungen der katholischen Positionen
ergibt sieh für den Verfasser, daß es der katholischen l heologie
„gewiß um die Schrift als entscheidende Autorität in der Kirche" geht,
daß aber „fast vollkommen eine Deutung der Schriftautorität als kritische
Autorität gegenüber der Kirche" fehle (102): Entscheidende
Autorität in der Kirche als Kennzeichen der Mehrheitsmeinung
im katholischen Raum. Autorität gegenüber der Kirche als Minderheitsmeinung
mit K. H. Ohlig als I lauptvertreter.

Eine wesentlich kürzere Umschau bei evangelischen Systematikern
(bearbeitet weiden Peter Brunner, Carl Heut/ Ratschow. Karl
Barth und Gerhard Ebeling) führt zu dem Ergebnis, daß zwei Gesichtspunkte
nach reformatorischem Verständnis unverzichtbar
erscheinen: erstens der Sclbstcrweis der Sehriltautorität durch ihren
Gebrauch, und zweitens die konsequente Unterordnung von Kirche.
Amt und Bekenntnis unter die Autorität der Schrift.

In abschließenden Erörterungen werden sehr sorgfältig erwogene
Anfragen und Lernvorschläge Tür beide Seiten ausgebreitet, die darauf
hinauslaufen, die Krage nach der Schrift, ihrer Autorität und vor
allem ihrer, auch inhaltlieh alles kirchliche Denken und Handeln
bestimmenden Wirksamkeit zur Daueraulgabe zu machen. Die Schrift
als „ein ausgezeichnetes Werkzeug in der I fand Gottes, um jene Einheit
zu erreichen, die der Erlöser allen Mensehen anbietet". Mit diesem
Zitat, aus dem Ökumenismusdekret, dem ja wohl alle zustimmen
können, sehließt die Studie, die bei aller Hochachtung vor der geleisteten
Arbeit den Rezensenten auch ein wenig unbefriedigt läßt.

Zum einen ist dem Rezensenten nicht deutlieh geworden, welchen
dogmatischen Rang der Verlässerden noch verbliebenen Differenzen
in ökumenischer Hinsieht gibt. M. a. W.: Gibt es in diesem Bereich
noch Unterschiede, die als kirchentrennend anzusehen sind? Wenn ja.
welche sind es und wie wird begründet, daß um dieser oder jener Position
willen der Zustand der Kirchenspaltung aufrecht erhalten bleiben
muß? Gibt es keine so gravierenden Differenzen, dann wird sieh
schwerlich die These halten lassen, daß die frage der Schriftautorität
„das Hauptthema kontroverstheologischer Arbeit ... ist und werden
wird" (158).

Falls der Verlässer aber mit seiner These vom Hauptthema nicht so
sehr die (theoretische) Begründung von Schriftautorität meint, sondern
den mehr praktischen Erweis, daß alles Denken und I landein der
Kirchen schriftgemäß sein müsse, dann stellt sieh eine andere Trage,
nämlich, wie denn Sehriftgemäßheit praktisch erwiesen und hergestellt
wird. Wäre dann nicht eine neue Art des Umgangs mit der
Schrift zu fordern, geeignetere Methoden nicht nur der kognitiven
Auslegung, sondern auch des Schriftgebrauchs im Alltag und mithin
des schriftgemäßen LebensvolIzup? Diese Tragen führen dann schon