Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1984

Spalte:

535-536

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schroll-Fleischer, Niels O.

Titel/Untertitel:

Der Gottesgedanke in der Philosophie Kants 1984

Rezensent:

Schleiff, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

535

Theologische Litcraturzeilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

536

Berg, Dieter: Studien zur Geschichte und Historiographie der Franziskaner
im Hämischen und norddeutschen Raum im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert
(FS 65,1983 S. 114-155).

Laiming, Raymond: The Augustinian uti/frui distinetion in the relation
between love for neighbourand love forCiod (Aug [L] 33, 1983 S. 165-231).

Deeorte, J.: Der Einfluß der Willenspsychologie des Walter von Brügge
OFM auf die Willenspsychologie und Freiheitslehre des Heinrich von Gent
(FS 65, 1983 S. 215-240).

DeTrocyer, Benjamin: Dietrich von Münstcr(um 1435-1515) (FS 65, 1983
S. 156-204).

George, Martin: Mystische und religiöse Erfahrungen im Denken Vladimir
Solov'evs(Diss.theol. Erlangen 1984).

Hoffmann, Adolf: Ist der Hervorgang des Wortes beweisbar? Bemerkungen
zuS Th. 127,1 und 1 32,1 (MThZ 34.1983 S. 214-223).

Marrone, Steven P.: Matthew of Aquasparta. Henry of Ghent and Augustinian
Epistemology aller Bonaventura (FS 65,1983 S. 252-290).

Meijering, E. P.: Melanchlhon and Palristie Thought. The doetrincs ofChrist
and Grace, the Trinity and the Creation. Leiden: Brill 1983. IX. 166 S. gr. 8° =
Studies in the HistoryofChristian Thought, XXXII. Lw. hfl 64.-.

Pattin, Adriaan: Thomas de Herenthals (FS 65, 1983 S. 205-214).

Swiridow, Iwan A.: Wege der russischen Theologie. Eine gcislesgeschicht-
licheSkizzez.uGeorgi FlorowskisLebenswerk(SOrth 1984,H.2S. 37-46).

Visser, Jan: Jansenismus und Konziliarismus. Ekklesiologische Anschauungen
des Nicolas LeGros(1675-l 751)(IKZ 73. 1983 S. 212-224).

Wilson, Gordon Anthony: Henry of Ghent's Critique of Aristotle's Concep-
tion ofGood Fortune(FS 65.1983 S. 241-251).

Vannoulatos, Anastasios: Die Mystik in Byzanz (EuA 59. 1983
S. 437-449).

Philosophie, Religionsphilosophie

Schroll-Kleischer, Niels Otto: Der Gottesgedanke in der Philosophie
Kants. Aus dem Dan. übers, v. E. Elarbsmeier. Odense: Odense
UniversityPressl981.227 S.gr. 8'. Dan. Kr. 130.-.

Die als Magisterarbeit am Philosophischen Institut der Universität
Odense entstandene Abhandlung zeigt, daß Kant mit seiner Postula-
tenlehrc eine Metaphysik neuer Art begründet hat. „Die Hauptthese
dieser Arbeit ist, daß die philosophiegeschichlliche Bewertung der
Moraltheologie Kants einer Revision bedarf, und dies nicht nur hinsichtlich
der noch immer verbreiteten neukantianisch inspirierten
Amputation von Kants metaphysica specialis, wonach der konstruktive
philosophische Beitrag Kants hauptsächlich in seiner Begründung
der naturwissenschaftlichen Erkenntnis besteht, sondern auch
hinsichtlich der sogenannten ontologischen Kantinterpretation, die
historisch gesehen in Auseinandersetzung mit der neukantianischen
Interpretation entstanden ist, und in der Kants metaphysica specialis
mit dem traditionellen Begriff der transzendenten Metaphysik identifiziert
wird." (14) Kants Kritik der Erkenntnis hat es unmöglich gemacht
, Gott weiterhin in theoretischer Spekulation zu erfassen. Des
Menschen Verhältnis zu Gott ist jetzt nicht mehr ein äußerliches Verhältnis
zu einer jenseitigen Substanz, sondern ein in der Moral
begründeter subjektiv-existentieller Glaube. Dieser Glaube hat mehr
Gewißheit als jedes überlieferte metaphysische Wissen, denn er steht
so fest wie das Moralgesetz selbst, das Wissen jedoch kann durch
Gegenargumente erschüttert werden. Als subjektiver Glaube ist er
doch nicht eine Fiktion, sondern „Glaube an einen wirklichen Gott
(eine transzendente Realität), der uns das Glück zuteil werden läßt,
dessen wir würdig sind, und der Harmonie zwischen den Reichen der
Natur und der Freiheit herstellt" (141).

In einem Überblick von den vorkritischen Schriften bis hin zum
Opus Postumum wird gezeigt, wie Kant zu seiner neuen Erkenntnis
kam und wie er sie entfaltete. Es wird daraufhingewiesen, „daß seine
philosophiegeschichtlichen Wurzeln nicht in erster Linie bei Piaton,
Aristoteles, Thomas, Wölfl'oder Crusius zu suchen sind, sondern eher
bei Rousseau, mit dem Kant in einer Reihe von grundlegenden moralphilosophischen
und religionsphilosophischen Fragen auf einer Linie
liegt" (109). Rousseau war es, der es ablehnte, Gottes Existenz durch
theoretische Spekulation zu beweisen, und der das Gottesverhältnis

mehr subjektiv-cxislcntiell im Erleben von Bewegung, Ordnung und
Zweckmäßigkeit in der Natur, in der Erkenntnis der eigenen Freiheit
und auch schon in der Stimme des Gewissens begründete. Von hieraus
entwarf Kant seine Moraltheologie.

Gelangte man vor Kant von der Erkenntnis der Welt zur Erkenntnis
Gottes, so wandte sich nun Kant von seiner moralischen Gottesgewißheit
her der Welt zu. Die theoretische Vernunft hat bei Kant nicht nur
die Aufgabe, kritisch die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens
aufzuzeigen, sondern auch die, sich von der praktischen Vernunft
Ausrichtung und Ziel geben zu lassen. Die Einheit von theoretischer
und praktischer Vernunft ist darin gegeben, „daß wir uns die
Möglichkeit denken können müssen, daß die Gesetzmäßigkeiten der
Natur mit unserem moralischen Ziel harmonieren, aber das bedeutet
nicht, daß wir im Konkreten den Willen Gottes durchschauen können
" (I 78). Von Gott als der allerhöchsten Vernunft ist anzunehmen,
daß er die übersinnliche Welt schallt und kennt, in der Natur und
Freiheit ganz vereint sind, und daß er weiß, wie sie der Sinnenwelt zugrunde
liegt. Es fehlt in der Abhandlung ein Hinweis darauf, daß das
„Ding an sich" die Welt ist, wie Gott sie sieht. Als solche gehört das
„Ding an sich" in die von Kant neu begründete Metaphysik mit hinein
.

Die Arbeit bietet eine Fülle von Denkanstößen für die Interpretation
der kantischen Philosophie und für ihre Einordnung in die Philosophiegeschichte
. Nicht zuletzt ist sie eine gute Hilfe für den Theologen
, sich darüber klar zu werden, daß christlicher Goltesgiaube nicht
in der Verehrung eines Größeren seine Vollendung lindet. sondern im
Leben in ihm.

Neinstcdl Hans Schleif!'

Wojtyta, Karol: Person und Tat. Endgültige Texllässung in Zusammenarbeit
mit dem Autor von Anna-Teresa Tymieniecka. Mit
einem Nachwort zur deutschen Ausgabe von A. Poltawski. Aus
dem Poln. v. H.Springer. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1981.
374 S. 8". Lw. DM 58.-.

Das Buch vermag unter verschiedenen Gesichtspunkten einiges
Interesse zu wecken. Auf der einen Seite ist es die Person des Autors,
des ehemaligen Kardinals und Erzbisehofs von Krakau, der seit 1978
als Papst Johannes Paul II. das höchste Amt der römisch-katholischen
Kirche innehat. Seitdem sind zwar viele Fragen, die sich an seine Person
richteten, beantwortet worden. Wojtyla ist bekannt geworden wie
kaum ein zweiter Mensch auf dieser Erde. Trotzdem aber bleibt noch
immer manches offen. Und deshalb greift man umso lieber nach seinen
Büchern. Wenn ein solcher Autor dann aber ein solches Werk
vorzuweisen hat, kann es erst recht mit Interesse rechnen. Denn „Person
und Tat" - das ist ein ausgesprochen philosophisches Thema. Auf
einer besonderen werbenden Banderole empfiehlt der Verlag das
Werk als „Das philosophische Hauptwerk des Papstes. Die Grundlage
seines weltweiten Kampfes für die Würde und die Rechte der menschlichen
Person." Nun konnte man freilich sofort nach seiner Wahl zum
Papst erfahren, daß Wojtyla lange Jahre als Professor für philosophische
Ethik an der Universität Lublin gewirkt hat und schon sein
Studiengang gerade auf dem Gebiet der Philosophie erhebliche
Schwerpunkte aufwies. Er habilitierte sich mit einer Arbeit über den
deutschen Phänomenologen Max Scheler und dessen Begründung der
Wertethik. Dennoch ist es von besonderem Interesse, wenn ein Erz-
bischof und Kardinal solch ein Buch veröffentlicht - es erschien erstmals
1969, eine zweite Auflage wurde zum Zeitpunkt der Wahl Woj-
ty las zum Papst gerade vorbereitet - und es auch als Papst weiter verbreiten
läßt (vor der deutschen erschien bereits eine englisch-amerikanische
Ausgabe). Es erhält damit doch einen besonderen Rang. Die
Verbindung von damaliger und heutiger Lehre, von einstiger Theorie
und gegenwärtiger verantwortlicher Leitung scheint beabsichtigt und
wird ja durch jene Werbung auch direkt hervorgehoben. So stellt sich
sofort die Frage, inwiefern das möglich ist.