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Ausgabe:

1984

Spalte:

31-33

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bauernfeind, Otto

Titel/Untertitel:

Kommentar und Studien zur Apostelgeschichte 1984

Rezensent:

Schille, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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Rahmen der Halacha, des Gesetzes (. . .), die unüberschreitbare
Demarkationslinie normativen Judentums", rebellierte.

Register der Namen, Sachen und zitierten Schriftstellen
(S. 199-212) schließen den Band ab.

Im Vorwort nennt Vf. diesen Band „ein Fazit des letzten Jahrzehnts
seiner theologischen Versuche". Als ein solches wollen die Beiträge
denn auch gelesen werden. Derjenige Leser, der darin Seite um Seite
neue Einsichten vermittelt zu bekommen hofft, wird nicht auf seine
Kosten kommen.

Das Erscheinen dieses Bandes begleitet der Wunsch des Autors:
„Möchten diese Essays dazu beitragen, die noch immer lastende
Fremdheit zwischen Judentum und Christentum abzubauen, um so
ein besseres gegenseitiges Verständnis anzubahnen."

Hinzuzufügen bleibt da nur: Möge dieser Wunsch in Erfüllung
gehen!

Berlin Stefan Schreiner

Neues Testament

Bauernfeind, Otto: Kommentar und Studien zur Apostelgeschichte.

Mit einer Einleitung v. M. Hengel, hrsg. v. V. Metelmann. Tübingen
: Mohr 1980. XVIII, 492 S., 1 Porträt gr. 8' = Wissenschaftl.
Untersuchungen zum Neuen Testament, 22. Lw. DM 120,-.

Volker Metelmann legt die Arbeiten zur Apostelgeschichte aus der
Feder des Ende 1972 verstorbenen Tübinger Neutestamentiers B. vor.
Man wird dafür besonders dankbar sein; denn das Werk B.s hat „sich
einen festen, bleibenden Platz in der Actaauslegung erworben" (Vorwort
von M. Hengel, S. VIII). Die Sammlung gliedert sich in drei
Teile: I erfaßt den Kommentar zur Apostelgeschichte von 1939 und
die im Manuskript bereits fertigen Stücke einer Neubearbeitung (Einleitung
und zu Apg 1,1-14, tatsächlich jedoch nur bis V. 12). II enthält
zwei Diskussionsbeiträge (das Gespräch mit G. Harbsmeier und
M. Dibelius) im Vorfeld lukanischer Theologie; III bringt kleinere
Studien, u. a. die bekannte Abhandlung: Tradition und Komposition
in dem Apokatastasisspruch Apostelgeschichte 3,20f (S. 473ff). Der
Hrsg. hat darüber hinaus eine Bibliographie B.s zusammengestellt
(IV: S. 487flf). Ein Druckfehlerverzeichnis schließt den Band (S. 492).
Es sind jedoch viele Druckfehler stehengeblieben, ich nenne nur von
den dort nicht aufgezählten: S. 331 Anm. 59 Z. 1 muß der Nebensatz
mit „da" (statt „daß") beginnen; S. 386 Anm. 12 liesGpttlob Schrenk
(nicht Schrank); S. 400 Anm. 61: Apg. 8,26ff; S. 407 nach Anm. 86
käme 87 (nicht 90); S. 430 Z. 12 ist eine Dublette zu Z. 10, offenbar
entstanden durch den dort fehlenden Seitentrenner. Bezüglich des
Drucks wurde in der Regel so verfahren, daß Wiederabgedrucktes
fotomechanisch reproduziert worden ist. Im Druckbild ergibt sich
daraus ein ständiger Wechsel zwischen Typenformen und -großen.
Das Neugesetzte läßt sich ziemlich einfach am Typenbild erkennen
.

Die Aufnahme beider Kommentare, aber auch die der weiterführenden
Diskussionsbeiträge erlaubt es dem Benutzer des Bandes, die
Weiterarbeit am Gegenstand verfolgen zu können. Man wird das besonders
begrüßen, zumal B. nicht zu den Forschern gehörte, die' den
einmal eingenommenen Standpunkt zäh festhalten. Er verstand sich
als form- (S. 442) und redaktionsgeschichtlichen Forscher. Aber er
war und blieb kritischen Übertreibungen abhold. Das macht die Lektüre
seines Werkes doppelt gewichtig.

So korrigiert er (S. 383ff: Vorfragen zur Theologie des Lukas) die
These von M. Dibelius (S. 395 ff), die Missionsreden der Apg seien im
wesentlichen dem Predigtstil des ausgehenden 1. Jh. zu danken, mit
dem bedenkenswerten Hinweis, echte Heidenpredigten kenne die Apg
nur zwei (Athen, Lystra)! Lukas habe normalerweise die zu seiner Zeit
längst nicht mehr mögliche Synagogenpredigt dargestellt. Dann erscheinen
die Reden der Apg insgesamt viel deutlicher als literarische

Entwürfe, als dies die gegenwärtige Forschung anzunehmen pflegt.
Man müßte zu ihrer Erklärung andere Voraussetzungen ansetzen als
einzig die Missionspredigt der lukanischen Zeit. In diesen Zusammenhang
gehört auch die Überlegung zu Gal 2 (S. 449ff: Der Schluß der
antiochenischen Paulusrede), daß hier der Übergang vom Rede-Referat
zur literarischen Aktualisierung belegt werden kann, den man normalerweise
in der antiken Historiographie beobachtete. „Lukas unterscheidet
sich auf diesem Gebiet von Paulus nur im Sekundären, nicht
im Wesentlichen. Für das formale Verständnis der lukanischen Reden
ist Thukydides nicht wichtiger als Paulus." (S. 459)

Widerspruch meldet B. auch auf dem Gebiet an, das die Diskussion
um den sog. „Frühkatholizismus" zu klären versucht (S. 353ff: Zur
Frage nach der Entscheidung zwischen Paulus und Lukas; vgl. auch
S. 417IT). Er geht auf die von P. Vielhauer und besonders von
G. Harbsmeier vorgetragene These ein, zwischen Paulus und Lukas
sei eine unseren theologischen Widerspruch herausfordernde Differenz
festzustellen. B. bestreitet nicht die Differenz, aber deren Tragweite
. Lukas dürfe nicht einfach innerhalb des Kanons zurückgestellt
werden. Denn es sei noch nicht einmal geklärt, ob Lukas überhaupt
als Theologe und nicht vielmehr als referierender Erzähler aufgetreten
sei. „Er will verkündigen, aber in dem uns aus seiner Feder
erhaltenen Werk ausschließlich dadurch, daß er erzählt"
(S. 379, Sperrungen vom Autor). Damit ist gewiß der ganze Fragenkreis
noch nicht erledigt, aber doch an einem kleinen Einzelpunkt
angedeutet, daß im Problemfeld des „Frühkatholizismus" möglicherweise
, und zwar anders als heute allgemein angenommen, sogenannte
„nichttheologische Faktoren" eine beträchtliche Rolle spielen
.

In der Einleitung zur Neuauflage des Kommentars (S. 283ff) führt
B. vor allem das Gespräch mit E. Haenchen. Die in der 1. Auflage vorgetragene
Annahme, das Proömium der Apg sei redaktionell verformt
worden, wird nicht preisgegeben, aber in aller Breite diskutiert; von
den ca. 40 S. der zweiten Auflage sind etwa die Hälfte dieser Diskussion
gewidmet! Die Schwierigkeit der These B.s gründet besonders
darin, daß er mit guten Gründen sachliche Gesichtspunkte zurückstellen
will und einzig philologisch-stilistische Argumente zählen
läßt. Wie wenig dann aber auszurichten ist, gesteht sich B. nicht ein.
Das zeigt sich jedoch für den kritischen Leser auf S. 300, wo B. die
sprachlichen Argumente E. Haenchens als Kriterium abweist. Haenchen
hatte eine rhythmisch tadellose Wortfolge erkannt. B. bemerkt
hierzu: „aber ein Argument für die rein lukanische Herkunft von V. 1
liegt darin nicht", der Redaktor habe ebensogut rhythmisch tadellos
formulieren können. Damit ist ein Todesurteil gesprochen! Das
Todesurteil über stilistische Argumente insgesamt und über die Debatte
um das stilistische Manko von Apg 1,1 ff insbesondere! Denn
wenn stilistische Beobachtungen nicht hinreichen, um einen tadellos
formulierten Satz als lukanisch oder unlukanisch zu bezeichnen, dann
dürften sie auch nicht geeignet sein, einen stilistisch weniger gelungenen
Satz zu beanstanden. - Kommt man auf dem enger stilistischen
Feld nicht voran, muß man seine Argumente im weiteren Bereich der
Sachfaktoren suchen. B. möchte das vermeiden. Aber er erliegt
schließlich doch dieser Gefahr. Nur muß der Leser lange suchen, ehe
er die im Hintergrund stehende Gesamtvorstellung entdeckt, von der
aus der Autor denkt, die Apg sei vornehmlich an NichtChristen geschrieben
(S. 323). Nun ist natürlich nicht mehr sicher, ob sie wirklich
nach dem Lukas-Evangelium abgefaßt wurde: „Es spricht ja manches
dafür, daß er zuerst die Monographie über das verdächtige Wachsen
der Gemeinden schrieb und danach erst den Plan faßte, sich dem zentralsten
Bereich ... (Luk. 1,1) zuwenden. Hier mußte er ja in weit
höherem Grade als in der Apg. als Lehrer auch der Christen hervortreten
." Wer diesen Denkhorizont B.s beachtet, begreift besser,
warum sich B. immer wieder energisch für die Differenz zwischen
Evangelium und „Monographie" einsetzt: Aus der gattungsgeschichtlichen
Unterscheidung, darf auf die Besonderheit der Apg gefolgert
werden. Aber war das Unternehmen, die Anfänge der Verkündigung
darstellen zu wollen, wirklich so neuartig? Hat Lukas nicht doch,