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Ausgabe:

1984

Spalte:

530-531

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Karl der Große und die schottischen Heiligen 1984

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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(1974/75). Andresen greift auf den Pariser Augustin-Kongreß 1954
zurück, dessen .Jbündiger Bericht unter dem Titel „Augustinus magi-
Ster" stand. Für manchen Forscher war Augustin „nach der Katastrophe
des zweiten Weltkrieges zur Cialionsfigur eines katholischen
Humanismus ecasmtscher Prägung geworden" (8). Danach kam es zu
einer „Intensivierung der Forschung in einer bis dahin ungeahnten
Weise", freilieh auch zu „einer Aufsplilterung des .Augustingesprä-
ches*, um nicht gar von einer Zersplitterung desselben zu sprechen"
(9). Diese „quantitative Intensivierung der Augustinforschung" nennt
V ..alles andere als begrüßenswert" (20). Er sympathisiert mit Dietrich
Ritsehl, der 1966 in der Karl-Barth-Festschrift über „Die Last des
augustinischen Erbes" geschrieben hatte. Neue Untersuchungen nehmen
alte f ragen wieder auf. so eine katholische Dissertation in Münster
1975 von Erich Feldmann „Der Einfluß des Hortensius und des
Manichäismus auf das Denken des jungen Augustin von 373" mit
734 Seiten Text und 393 Seiten Anmerkungen. Mit Recht fragt A„
-ob ein solcher Arbeitsaufwand wirklich für eine biographische Zielsetzung
vonnöten ist" (27). Lexikographische Arbeiten sind im Gange
bei der Wiener Kirchenvütcrkommission und vom Corpus Christia-
norum aus (30-34). Abschließend stellt A. fest: „Nach Jahrzehnten
des Höhenlluges . . . muß die Augustinforschung sich damit abfinden,
büß ihr Gegenstand nicht mehr so stark als Gesprächspartner in den
Gegenwartsproblemen gefragt ist. Im Gespräch der Fachgelehrten
unter sieh hat er aber seinen allen Stellenwert behalten. Daß diese
bereit sind, in solchen .Zeiten der kleinen Dinge' sieh auf die lexikographischen
Niederungen zu begeben, signalisiert zugleich ein neues
•Augustingespräch der Zukunft'." (33/34)

Band II enthält vier Beiträge zum Thema „Derbiblische Theologe".
Rudolf Lorenz. Gnade und Erkenntnis bei Augustin (ZKG 1964).
Zwei Beiträge stammen aus der Auguslinbiographie von Peter
Brown (1973): Volk Gottes - „Populus Dei" (126-146) sowie:
Christliche Lehre und Gelehrsamkeit - „Doctrina Christiana"
(147-161). Der Beitrag von R. A. Markus „Der heilige Augustin
über Geschichte. Prophetie und Inspiration" (162-178) war in
Madrid 1967 und Cambridge 1970 gedruckt worden. Danach gewann
Augustin durch seine Arbeit an den Büchern ..de civitate Dei" ein
bistanzierlercs Verhältnis zum römischen Reich. In Teil // „Der
Sezialethiker" (177-289) stellt Peter Brown „Sozialpolitische Anschauungen
Augustins" dar. die in dem Sammelband "Religion and
Society in the Age of Saint Augustine" (1972) gedruckt vorlagen.
Ulrich Duchrow kommt mit einem Ausschnitt aus seinem Buch
-Christenheit und Weltvcrantwortung" (1970) zu Wort: „Ergebnisse
und offene Fragen zur .eivitas'-Lehre Augustins" (205-226). Der
spanische Ordenslheologe Jesus Fcrnandez. Gonzales hatte mit einer
Arbeit über Augustin in Rom promoviert; eine gekürzte spanische
Fassung war 1969 gedruckt worden und erscheint hier nochmals gekürzt
unter dem Titel „Die Armut in der Spiritualität Augustins"
1227-298). Augustin fordert Armut in der Nachfolge Jesu für den einzelnen
Christen; von einer armen Kirche spricht er in dreifacher
" eise: .. I. Historisch - Die Kirche entstand aus armen Menschen . . .
-■ Theologisch - Die Kirche besteht aus armen Gliedern, und diese
sind Glieder eines armen Christus und eines armen Volkes ... 3. Sozial
- Die Kirche ist arm. wenn alles, was sie besitzt. Für die Armen ist.
Die Besitztümer der Kirche gehören den Armen, weil die Armen der
Kirche gehören. Hier müßte eigentlich die ganze Theologie des
Almosens beim hl. AugUStin eingefügt werden, die außerordentlich
reich an Aspekten ist, die aber zweifellos die größte Prüfung der
Armut darstellt. Armut endet so im Almosen als Beweis für den inneren
Verzicht." (258) In Teil /// „Der Lehrer der Erbsünde" untersucht
Walter Simonis den Zusammenhang zwischen „Heilsnotwen-
bigkeit der Kirche und Erbsünde bei Augustinus" (1968). Zunächst
will ernurdie „tatsächliche Verknüpfung" dieser beiden Ideen zeigen,
-nicht aber die innere Ableitung der zweiten aus der ersten" (302).
Zum Schluß freilieh sagt er: „Im Axiom .Salus extra ecclesiam non
est' li^ für Auguslin der innerste Kern und die Beweiskraft seiner
Erbsündenlchrc. Aus dieser ckklcsiologisch.cn Überzeugung heraus ist

sie ihm anläßlich der Reflexion über die biblischen Texte zur
Gnadenwahl entstanden, und hierher kehrt sie stets wieder zurück -
freilich so. daß aus dem einfachen Axiom ein bewiesener Satz geworden
ist..." (327) Der abschließende Beitrag von Paul R icoeu r „Die
.Erbsünde' - eine Bedeutungsstudie" (329-351) geht davon aus. daß
auch reformierte Glaubensbekenntnisse von der Erbsünde sprechen.
Rieoeur bedauert es, daß die Probleme rationalisiert und als Streit von
Schulmeinungen ausgetragen wurden. Die Erbsündenlchrc „hat nicht
nur die Ebene der Verkündigung überschritten, sie erreicht auch einen
Punkt, wo die theologische Arbeit zur abstrakten Spekulation, zur
Scholastik hinüberschwenkt" (330). Durch seine Kritik will R. „die
.orthodoxe' Intention der Ursünde" wieder entdecken (331).

Dem Herausgeber ist zu danken für die Initiative, die zu diesen Bänden
führte, an denen er auch als Übersetzer mit beteiligt ist. Vielleicht
kann man einen 3. Band in nicht zu ferner Zeit erhoffen?

Rostock Gert HaenrJIcr

Shaw, Frank [Hrsg.]: Karl der Große und die schottischen Heiligen.

Nach der Handschrift Harley .3971 der Britischen Bibliothek London
zum ersten Mal kritisch ediert. Berlin: Akademie-Verlag
1981. XCVII. 335 S. gr. 8° = Deutsche Texte des Mittelalters,
LXXI. Kart. M 98,-.

Es handelt sich um den Text einer Legende, der in zwei Handschriften
überliefert ist. von denen die eine als die bessere erwiesen und der
Ausgabe zugrunde gelegt wurde. Der Abschnitt „Die Forschungsge-
schichte" geht auf beide Handschriften ein (XV1-XXI). Die lateinische
Quelle für die Legende in deutscher Sprache ist ein „Libellusde
lündacioneccelesieconsecrati Petri Ratispone" (XXIV-XXXIII). Als
Abfassungszeit der lateinischen Quelle werden die Jahre „zwischen
1250 und 1261" für wahrscheinlich gehalten (XXV). Das deutsche
Gedicht enthält am Schluß eine Datierung auf das Jahr 1445. Sein Inhalt
jedoch bezieht sich auf drei Klostcrgründungen. die sich in der
Karolingerzeit abgespielt haben sollen. Die Verse 1-6516 erzählen die
dramatische Gründungsgeschichtc eines Priorates Weihsanktpeter in
Regensburg, die Verse 6517-9024 die Gründung des Klosters St. Jakob
in Regensburg, die Verse 9025-9912 die Gründung des Klosters
St. Jakob in Würzburg. Alle drei Klöster werden auf schottische
Mönche zurückgeführt und Karl d. Gr. spielt dabei eine Rolle. Er soll
zweimal Regensburg erobert haben; in der 2. Schlacht sollen
.30 000 C'bristen umgekommen sein, auf deren Gebeinen eine Kirche
erbaut worden sei. Während Karl danach durch Krieg in Spanien festgehalten
wurde, machten sich schottische Mönche auf den Weg nach
Rom; unter ihnen warder heilige Marian. In Regensburg wurden sie
durch ein Wunder aufgehallen und erhielten die von Karl erbaute
Kirche. Der Papst wurde zur Weihe eingeladen; aber in der Nacht
vorher greift Petrus selbst ein und weiht jene Kirche: daher der Name
Weihsanktpeter. Karl verspricht der Stadt Regensburg seinen speziellen
Schutz, da sie neben Rom, Trier und Aachen die vierte erwählte
Stadt sei. Das 2. Gedicht beginnt damit, daß das v on Karl vorgesehene
(ickl nach seinem Tode veruntreut wird. Doch kommt aus Schottland
neues Geld, von dem in Regensburg ein St. Jakobsklosler gegründet
wird. Papst Hadrian gibt dazu Privilegien. Im 3. Gedicht will der Prior
tlcs Jakobsklosters von Regensburg nach Britannien reisen; er bekommt
aber in Würzburg vom heiligen Kilian den Befehl, an Ort und
Stelle ein neues St. Jakobsklostcrz.u begründen.

Die historischen Widersprüche liegen auf der Hand; Karl d. Gr.
starb 814, Papst Hadrian schon 795, Kilian wurde 688 Märtyrer! Der
historische Kern der Legende ist minimal: „Wahr an dieser Geschichte
ist. daß ein irischer Mönch namens Marianus sich tatsächlich
in Regensburg niederließ und dort für die Jahre 1074 und 1080
belegt ist." (XXXVIII) Dieser Marian ist mit einigen irischen Begleitern
aus Irland über Aachen nach Regensburg gekommen. Der lateinische
Libellus aus dem 13. Jh. und die ihm folgende deutsche Versdichtung
aus dem 15. Jh. verlegen die Geschichte in die Zeit Karls