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Ausgabe:

1984

Spalte:

29-31

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Ben-Chorin, Schalom

Titel/Untertitel:

Theologia Judaica 1984

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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Zelotentrupps mindestens ebenso fürchtete und haßte wie die Römer.
Auch die gegen Josephus gerichteten Aktivitäten des Johannes von
Gischala hätten zum Scheitern beigetragen. So sei Josephus in Jota-
pata, nach nur noch halbherzigem Widerstand, in römische Gefangenschaft
gekommen. - Das abschließende Kapitel VII ("Josephus in
Rome", S. 232-242) möchte aus der sich ändernden Lage des Josephus
in Rom auch seine sich verändernde literarische Tendenz in den
beiden Hauptwerken verständlich machen, deren differenzierende
Hauptmotive auf S. 240-242 noch einmal zusammengestellt werden.
-Zwei Anhänge bieten zunächst die dürftige archäologische und literarische
Überlieferung zu den Ereignissen der Jahre 66/67 in Galiläa
abgesehen von Josephus (S. 243-260) und eine synoptische Inhaltsübersicht
zu Vita und BJ 2 (S. 261-263). Bibliographie (S. 264-269),
Addenda von 1979 (S. 2700 und Indizes, von denen der Sachindex
fast nur Personennamen führt (S. 272-277), beschließen das Buch.

Die sorgfältige und stets sorgsam abwägende Arbeit ist ein jedenfalls
beachtenswerter, m. E. weithin überzeugender Beitrag zur inneren
Entwicklung des Josephus in seiner Zeit als Römer ebenso wie
während seiner Mission in Galiläa, desgleichen zum besseren Verständnis
der Gesamttendenz seiner beiden Hauptwerke BJ und
AJ/Vita und schließlich auch zur Rekonstruktion der geschichtlichen
Vorgänge in den galiläischen Jahren 66/67, an denen Josephus beteiligt
war. Die künftige Josephus-Forschung wird an dem Buch nicht
vorbeigehen können.

Naumburg Nikolaus Walter

Ben-Chorin, Schalom: Theologia Judaica. Gesammelte Aufsätze.
Tübingen: Mohr 1982, X,212 S. 8". Lw. DM 68,-.

Ohne Zweifel gehört der Autor der im vorliegenden Band vereinigten
Beiträge, bei denen es sich fast ausschließlich um wiederabgedruckte
Vorträge handelt, deren Vortragsform beibehalten ist, zu denjenigen
jüdischen Theologen der Gegenwart, die sich einer gewissen
Popularität unter Christen erfreuen dürfen. Durch umfangreiche
publizistische und ebenso vielfältige Vortragstätigkeit hat der jetzt
Siebzigjährige (geb. am 20.7.1913) in den letzten Jahrzehnten vor
allem das jüdisch-christliche Gespräch im deutschsprachigen Raum
mitgestaltet und dadurch zugleich nicht geringen Einfluß auf das
christliche Judentumsbild der Gegenwart genommen. Dementsprechend
sind im hier anzuzeigenden Sammelband im Teil I (S. 1-1 14)
Beiträge zum Thema „Judentum und Christentum" und im Teil II
(S. 115-198) Beiträge zum Thema „Vom unbekannten Judentum"
enthalten.

Die ersten drei Beiträge (1) „Bruder Jesus" (S. 1-13), (2) „Jesus und
die Pharisäer" (S. 14-27) und (3) „Jesus und Paulus" (S. 28-41) fassen
im wesentlichen das zusammen, was Vf. in seinen beiden Büchern
„Bruder Jesus - Mensch, nicht Messias" (1967) und „Paulus - der
Völkerapostel in jüdischer Sicht" (1970) bereits ausfuhrlich dargelegt
hat. Jesus und Paulus werden als Pharisäer unter Pharisäern geschildert
. Während jedoch Jesus, der „Ur- und Nur-Jude", zeit seines
Lebens der „Israel-Jude im eigenen Volk und Land" blieb, tritt uns
Paulus „als ein Gelehrtenschüler (. . .) aus der hellenistischen Diaspora
", als ..ein römischer Staatsbürger jüdischen Glaubens und hellenistischer
Kultur" entgegen.

In (4) „Antijüdische Elemente im NT" (S. 42-57) untersucht Vf.
IThess 2.15, das er als Ausdruck jüdischen Selbsthasses deutet,
Mt 27.25, was er nicht als „Selbstverfluchung", sondern im Rahmen
der „reich ausgebaute(n) Blut-Jcsu-Theologic" (Hehr 12.24;
Mt 26.28; 1 Kor 11.15; Kol 1,19 und Ephl.7) verstehen möchte,
sowie Joh 8.37-47(44). worin er „eine Rückblendung aus der Wende
des ersten Jahrhunderts in die Tage des Meisters selbst" erkennt.

Unter dem Thema (5) „Die Entstehung des Christentums aus dem
Judentum" (S. 58-71) erinnert Vf. an die jüdischen Wurzeln des
Christentums und weist auf die „Zusammengehörigkeit der beiden

Glaubensweisen" hin, wenn auch „jüdischer Monotheismus und
christliche Trinitätslehre, jüdischer Glaube an die Transzendenz
Gottes und christliche Inkarnationslehre, jüdischer Messianismus
und Christologie der Kirche (...) kontradiktorische Positionen" darstellen
.

Seine Antwort auf die Frage (6) „Ist im Christentum etwas von Gott
her geschehen?" (S. 72-85) nennt Vf. „ein(en) Versuch jüdischer
Theologie des Christentums". Er faßt sie so zusammen: „Jüdisch
gesehen, kann man so sagen, daß mit Jesus von Nazareth zwar nicht
das Reich Gottes angebrochen ist, aber eine gewaltige ,Wolke der
Zeugen' erstand, die, in der Nachfolge Jesu, sich auf den Weg zum
Reiche Gottes machten." Entsprechend wird das Christentum als Teil
des „aus mehreren Teilen" bestehenden einen Gottesvolkes gesehen,
dessen Wiedervereinigung nach Ez 37,15-17 - die beiden dort symbolisierten
zu vereinigenden Teile des gespaltenen Gottesvolkes deutet
Vf. auf Judentum und Christentum! - letztes Ziel bleibt.

In (7) „Dein Reich komme" (S. 86-100) gibt Vf. einen Überblick
über „Reich-Gottes-Erwartungen in jüdischer und christlicher Sicht",
der von den messianischen Hoffhungen der Propheten auf nationale
Restauration und Neuordnung der Welt zu einem universalen Friedensreich
, über deren Enthistorisierung (das meint deren Verinner-
lichung und Individualisierung) im Christentum bis zum „religiösen
Kitsch" überkommener Paradiesvorstellungen reicht.

Daß Jerusalem nicht nur eine Stadt, sondern auch eine ökumenische
Aufgabe der in ihr repräsentierten Religionen ist, läßt Vf. in (8)
„Die drei Mal heilige Stadt" (S. 101-1 14) der Frage nachgehen: „Wie
kann aus einem Zankapfel zwischen Religionen und Konfessionen ein
wirklicher Treffpunkt des Monotheismus werden?" In seiner Antwort
heißt es: „Vor allem ist die Befreiung der Glaubensgemeinschaften
aus dem Getto, in dem sich jede von ihnen befindet, die Voraussetzung
für ein Miteinander. Hinzu kommt die Überwindung des
Desinteresses am Anderen, das äußerlich der Toleranz gleichen mag,
in Wirklichkeit aus der Negation des Gegenüber resultiert. Judentum,
Christentum und Islam müssen sich ihrer Zeugenrolle vor einer neu-
heidnischen Welt bewußt werden . . . Nur wenn die Religionen
oder besser gesagt, ihre Träger erkennen (. . .): ,Es gibt viele Wege zu
Gott' (. ..), dann kann ein Nebeneinander, aus dem ein Miteinander
wird, erwachsen . . . Die Religionen als Vorposten eines universellen
Friedensreiches sollten in Jerusalem ihre sichtbaren Zeichen
setzen ..."

Den zweiten Teil eröffnet (1) „Vom unbekannten Judentum"
(S. 115-122), eine Bestimmung dessen, was Judentum ist, nämlich
„primär eine Volksgemeinschaft", dann „eine Religionsgemeinschaft
", die uns in „drei Denominationen" (Orthodoxie, konservatives
Judentum und Reformjudentum) entgegentritt. Daran schließt an
ein Gang durch (2) „Die Feste des jüdischen Jahres" (S. 123-135).

Die in (1) begonnene Begriffsbestimmung wird aufgenommen und
weitergeführt in (3) „Die Wurzeln des jüdischen Glaubens"
(S. 136-164). Vf. erläutert darin die Bedeutung der Torah in, ihrer
doppelten Gestalt als die „schriftliche und mündliche Lehre", sodann
den Sinn der Erwählung, nämlich zu Zeugen für den Einen Gott berufen
zu sein, ferner die Unterschiede zwischen jüdischem Verständnis
des Messianismus und der Christologie der Kirche und schließlich das
Verständnis des Monotheismus im Lichte der Bibel.

Wesen und Bedeutung der Torah als ein „Baum des Lebens für
alle, die daran festhalten" (Prov3,18) behandelt Vf. noch einmal
unter dem Thema (4) „Die Thora als Kern des jüdischen Glaubens"
(S. 165-174). In (5) „Wesen und Auftrag der Prophetie" (S. 175-189)
stellt Vf. die Prophetie als das dynamische Element in der biblischen
Überlieferung heraus, dessen Bewegungskraft darin begründet ist. daß
der Prophet „nicht Wahrsager der Zukunft, sondern Bringer der Gottessprüche
" ist. die den einzelnen wie das Volk stets neu in die Entscheidung
rufen.

Der letzte Beitrag (6) „Der verlorene Sohn Israels" (S. 190-198)
würdigt das Werk Spinozas, des „Outsiders normativen Glaubens",
der aus dem Judentum ausgestoßen wurde, weil er gegen den „feste(n)