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Ausgabe:

1984

Spalte:

501-503

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schimmel, Annemarie

Titel/Untertitel:

Islam in the Indian subcontinent 1984

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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liehe Variante" der Reinkarnationslehre gibt, darf über der fernöstlichen
Variante nicht vergessen werden.

In einem Nachwort gibt Norbert Klaes. Professor für Fundamental-
theologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Theologischen
Fakultät Paderborn, neben Hintergrundinformationen über die
vom Vf. vorgetragene Reinkarnationsthcorie Hinweise für einen
Dialog aus der Sicht moderner katholischer Theologie. Er macht sich
Gedanken ..über eine Richtung, in die mit Hilfe einer modernen Hermeneutik
eschatologischer Aussagen die Auseinandersetzung über die
Wiedergeburt in der Zukunft vielleicht möglich wäre" (S. 195). „Fragen
und Aufgaben, die bleiben", werden benannt (S. 200). Hier muß
es im einzelnen allein schon aus einer anderen theologischen Position
heraus kritische Rückfragen und sachliche Ergänzungen geben. Es ist
Klaes unbedingt beizupflichten, wenn er seinen Beitrag mit der I est-
stellung sehließt: ..Das Gespräch der Religionen im Kontext heutiger
Weiterfährung hat erst begonnen. Es bleibt zu wünschen, daß der Dialog
über die Wiedergeburtslehre weitergeführt wird." (S. 202) Tor-
westen hat dazu einen niveauvollen Beitrag geleistet.

Halle (Saale) Helmut Obst

Schimmel, Annemarie: Islam in the Indian Subcontinent. Leiden-
Köln: Brill 1980. VIII. 303 S. m. I Kte gr. 8' = Handbuch der
Orientalistik. Abt. 2, Bd. 4. Abschn. .3. Kart, hfl 116.-.

Wenn von den Religionen in Indien die Rede ist. wird häufig nur an
die ..indischen Religionen" gedacht, an Vedismus. Brahmanismus.
Buddhismus. Jainismus. Sikkhismus und Hinduismus - aber nur selten
an den Islam, obwohl dieser schon im 7. Jh. in Indien Fuß faßte.
Was die Gegenwart betrifft, so ist die muslimische Bevölkerung
immerhin die drittgrößte der Welt - hinter Indonesien und Bangladesch
. Auch das wird oft vergessen, wenn es um die sogenannte
Renaissance des Islam geht und dabei vor allem die arabischen Länder
des Nahen Ostens und Nordafrikas, der Iran und Europa in den Blick
kommen. Nach der Teilung Indiens im Jahre 1947 blieben noch etwa
60 Millionen Muslime im Lande, heute sind es an die 80 Millionen!
Es ist also durchaus v onnöten. sich mit der Geschichte und Gegenwart
lies Islam in Indien zu befassen, und man ist der Islamkenncrin
V Schimmel zu großem Dank verpflichtet, daß sie eine Monographie
wie die vorliegende verläßt hat.

Die Darstellung ist ein mutiges Unternehmen, gemessen an der
Vielschichtigkeit der indischen Religionsgeschichte und der Geschichte
des Islam in diesem Umfeld. Wie die Autorin im Vorwort
betont, hat sie sich mehr auf bestimmte, für den Islam auf dem Subkontinent
repräsentative Persönlichkeiten als auf eine soziologische
Analyse orientiert. Es gehl ihr darum, daß der Leser mit dieser Darstellung
Einblick und Eindruck gewinnt von den "major trends of the
various Islamic movements in the Subcontinent and the "Islamic
feeling"'(2).

Das ersU Kapitel behandelt das Auftauchen und die Konsolidierung
des Islam auf dem Subkontinent (3-35). beginnend mit der
Eroberung von Sind (71 1/712) durch Muhammad ihn al-Qasim. der
aber keine Massenbekehrung der hauptsächlich buddhistischen Bevölkerung
anstrebte. Er setzte Buddhisten und Hindus den Schnltbe-
sitzern gleich und erlegte ihnen die entspreehenden Steuern auf Er
gründete Moscheen und ging mit den vorgefundenen Tempeln pfleglich
um. Mit alledem entsprach er muslimischer Praxis und setzte Zeichen
für die nachfolgenden Muslime in Indien. Diese werden im weiteren
behandelt. Die Stationen gehen über Mahmud von Ghazna. mit
dem die Islamisicrung größerer Teil Nordwcstindiens im II. Jh.
begann, die Ghoriden (12. Jh.). die ..Sklavenkönige" - wie die ersten
Sultane von Delhi im 13. Jh. genannt werden -. die afghanischen
Khaljis zu Beginn des 14. Jh.. die Tughluqen (14. Jh.) bis zum Einfall
Timurs im Jahre 1398 und dem Ende der ersten Periode islamischer
Geschichte in Nordindien. Außer auf Fragen der Beziehungen
zwischen Muslimen und Hindus wird im I. Kap. auch aufden Einfluß

des Sufismus. seine Ausbreitung in Indien, seine Vertreter und
Ordensgründungen eingegangen (23-35).

Kapitel 2 „Die Zeit der unabhängigen Staaten - Das Anwachsen des
Schia-lslam" (36-74) ist regional gegliedert und behandelt die muslimische
Geschichte Indiens vom Beginn des 15. Jh. bis zur Mitte des
16. Jh. in Delhi (die Savyids und Lodies: im 15. Jh. wechselseitiger
Einfluß von Sufismus und Bhakti-Bewegung). Malwa, Jaunpur,
Kashmir (wo seit 1484 die Nurbakhshiy va-Bewegung ihren Einfluß
ausübte). Bengalen und auf dem Deecait (wo seit Ende des 15. Jh. von
den zuerst fünf, später drei Nachfolgestaaten der Bahmaniden drei
schiitische Sultanate waren: Bijapur, Golkonda und Ahmadnagar. -
Warum wird letzteres nicht eigens behandelt?). Weiter geht Vfn. auf
die Camatic, Gujarat und die ismailitischen Gemeinschaften ein,
wobei auf die interessanten Beziehungen zwischen Islam bzw. ismaili-
tischer Mystik und Hinduismus aufmerksam gemacht wird (70-74).

Im dritte» Kapitel geht es um die Glanzzeit des Islam in Indien:
"The Age of the Great Moghuls" (75-105). Im Anschluß an Babur
(der hier zu kurz kommt) werden die Herrscher des Mogulreiches
behandelt: Humayun und sein Kontrahent Sher Shah; Akbar der
Große. Indiens tolerantester Herrscher, seine umstrittene Stellung im
Islam und die von ihm gegründete synkretistische. elitäre Gemeinde
din-i ilahi. seine Toleranzformel ..Frieden mit jedermann", auch und
vor allem mit den Hindus, das Aufblühen von Malerei und Dichtkunst
während seiner Herrschaft; sodann Akbars rebellischer Sohn
Jahangir. in dessen Zeit die Wirksamkeit des Mystikers Ahmad
Sirhindi fällt, und sein Sohn Shahjahan. unter dem das Mogulreich
seine größte Prachtentfältung erlebte: weiter dessen Sohn Dara
Shikoh. der Islam und Hinduismus auf einen Nenner zu bringen
suchte und 50 Upanishadcn ins Persische übersetzte. Er wurde jedoch
von Aurangzcb (1658-1707) ausgeschaltet, nach dessen streng muslimisch
-orthodoxen Regime, das die Hindus nicht mehr als gleichberechtigte
Partner behandelte, das Mogulreich zerfiel.

Das vierte Kapitel ist dem Leben und den Sitten der Muslime, ihren
Heiligen und deren Grabstätten und der islamisch-mystischen Volksdichtkunst
gewidmet (106-149). Auf 44 Seiten erfährt der Leser eine
Fülle von Einzelheiten der muslimischen Volksrcligiosität (Riten. Sitten
und Gebräuche). In diesem wichtigen Kapitel vermittelt die kundige
Autorin dem Leser ein eindrucksvolles Bild vom religiösen
Leben. Denken und Fühlen der Menschen im Bereich des Islam über
den offiziellen Kultus hinaus. Um nur einiges zu nennen: Man erfährt
interessante Einzelheiten über die Gebetsplätze und Moscheen, ihre
Stile und Bauelemente, den Stil der Häuser, über Kleidung und Kopfbedeckung
. Namensgebung, über Riten mit den Neugeborenen, die
Beschneidung, soziale und ökonomische Aspekte der Heirat. Hoch-
zeitszeremonien, Sterberiten, Feste und Gedenktage. Ausführlich
wird die Heiligenverehrung behandelt: Riten und Gebräuche an den
Heiligengräbern, was Gläubige (Kranke insbesondere) vom Besuch
dieser Stätten erwarten. Die restlichen Seiten sind der mystischen
Volksdichtung in den einzelnen Regionen gewidmet.

Kapitel5 setzt die geschichtliche Darstellung fort: ..Indien nach
Aurangzcb: Muslimisches Leben und Denken zwischen 1707 und
1857" (150-188). Nach einer Schilderung der politischen Wirren, die
den Zerfall des Mogulreiches begleiten, geht A. S. auf drei bedeutende
Mystiker des I 8. Jh. in Delhi ein und stellt ihre theologischen Posil io
neu. ihre religiöse Wirkung und literarische Bedeutung dar. Es handelt
sich um Shah Waliullah Dihlawi (1703-1762), der den Koran in die
Urdu-Sprache übersetzte. Mazhar Janjanan (1699-1781). einer der
vier Säulen der Urdu-Literatur, und Khwaja Mir Dard (1721-1785). -
In der zweiten I Hüfte dieses Kapitels werden die Verhältnisse auf dem
Decean. in Sind und Oudh und die mit der Ausbreitung der britischen
Herrschaft (East-India-C ompany) in Indien sich ergebenden politischen
, wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Probleme differenziert
beschrieben.

Kapitel» setzt mit dem Jahr 1857 ein: „1857-1906: Die Zeit der
Reformbewegungen" (189-215). Die Rcformhcwcgungen entstanden
aus der von vielen Muslimen erkannten Notwendigkeil, neue