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Ausgabe:

1984

Spalte:

499-501

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Torwesten, Hans

Titel/Untertitel:

Sind wir nur einmal auf Erden? 1984

Rezensent:

Obst, Helmut

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499

Theologische Literatur/eilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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che pythagoreische Lebensführung und die bekannte Diolima-Rcdc
aus Piatons Symposion als Zeugnis einer auf mystische Kontemplation
zielenden verleinerlen Religiosität.

Kap. V (S. 169-2 16) bringt ausgewählte Texte über die Mysterienkulte
und ihre VerheilJungen: von den lokalen I ruchtbarkeits-Myste-
rien der Erdgötlin in Phyla sowie von den überregional bedeutenden
Mysterien in Eleusis mit ihrem mythologischen Rahmen im sog.
Homerischen Demeter-Hymnus, ihren Kultvorschriften, der Hoch-
schät/ung ihrer Initiation und den Überlieferungen über die geheimen
Ritualien, dann auch vom ekstatischen Dionysos-Kult und seiner
Verankerung an Tempeln und Festen sowie von den Samothraki-
schen Mysterien der Kabiren.

Kap. VI (S. 217-245) beschließt den »and mit Texten zum Verständnis
des Todes und der Natur der Seele, die von Homer und den
Lyrikern an annähernd chronologisch angeordnet sind, um zu illustrieren
, wie sieh die Sichtweisen entwickelten, komplexer und von
Veränderungen im politischen und sozialen Gewebe griechischer
Zivilisation beeinfluß) w urden,

Berlin (West) Christoph Elsas

Torwesten, Hans: Sind wir nur einmal auf Erden? Die Idee dei
Reinkarnalion angesichts des Auferstehungsglaubens. Mit einem
Nachwort von N. Klaes. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1983.
206 S. 8'. geb. DM 26,80.

Die Idee der Reinkarnation gewinnt, zumindest in Westeuropa und
Nordamerika, ständig an Boden. Ein sicheres Indiz dafür ist u. a. der
Buchmarkt mit einer beachtlichen Zahl von Neuerscheinungen zu
dieser Problematik auch in renommierten Verlagen, vgl. z. B.
ThLZ 105, 1980 Sp. 633-634. Kirche und Theologie können nicht
länger an diesem ..Außenseiterthema" vorbeigehen, das, vielfach in
journalistischer Aufmachung, für nicht wenige „Christen" interessant
geworden ist.

Die Reinkarnationsidec wird, allerdings in sehr unterschiedlichem
Kontext, aus zwei Hauptquellen gespeist. Line ..westliche" Grund-
variante reicht von der griechischen Antike bis zu christlichen Sondergemeinschaften
der Gegenwart. Die „östliche" Variante hat ihre
Basis im Hinduismus und im Buddhismus. Ihre Ausbreitung im
„Westen" hängt eng mit der wachsenden Anziehungskraft „östlichen
" religiösen Gedankengutes zusammen.

Hans Torwesten schreibt die vorliegende Publikation auf der
Grundlage eines persönlichen Bekenntnisses zu zentralen Positionen
des Hinduismus (Neohinduismus), ohne mit dem Christentum, wie er
es von seiner neohinduistischen Stellung aus versteht, brechen zu w ollen
. Als Ausgangspunkt der Untersuchung hebt er die Frage hervor:
„Ist die Lehre von der Reinkarnation wirklich so unvereinbar mit dem
christliehen Glauben?" (S. 101) Seine erklärte Absicht ist. „als ein
.Sympathisant' der Reinkarnationslehre dem westlichen Christen
diese Doktrin alseine von mehreren Möglichkeiten vorzustellen und
vielleicht einige Vorurteile und Mißverständnisse aus dem Weg zu
räumen" (S. 1 1). Freilich,Torwesten ist mehr als ein „Sympathisant"
der Reinkarnationslehre. auch wenn er sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit
zum Bereich der „Maya" „nicht für das Wesentlichste hält"
(S. 13). Er konzentriert sich im Rahmen des Themas auf die Indivi-
dualeschatologie und will kein Standardwerk schreiben. Auch legt er
„keinen Wert auf Vollständigkeit", sondern überläßt sich „weitgehend
der Kunst der Improvisation" (S. 14). Über sie verfügt er
durchaus, dies macht das Buch anregend, eröffnet originelle Perspektiven
und erleichtert das Mitdenken. Hierin wie auch in der offenen
dialogisierenden Art der Darstellung liegt ein Vorzug des Buches. Als
kritische Gesprächspartner auf christlicher bzw. theologischer Seite
sucht er sich, das macht bereits ein Blick in das knappe Anmerkungs-
verzeichnis deutlieh, u.a. A. Rosenberg. P. Althaus, K.Barth und
R. Guardini, spannt den Bogen aber durchaus weiter und zeigt sich in
der einschlägigen Literatur belesen. Ausführlich setzt er sich mit

Alfons Rosenbergs Buch „Die Seelenreise" (Ollen 1952) auseinander
.

Im ersten und umfangreichsten Teil der vorliegenden Publikation
wird unter der Überschrift „Reinkarnation und christlicher Gläube"
der Versuch unternommen, die Reinkarnationslehre mit traditionellen
christlichen Lehranschauungen in Beziehung zu setzen. Dabei
konstatiert der VI. zu Recht erhehliche. oft kaum zu vereinbarende
Unterschiede innerhalb der christlichen Fschalologie. Torwesten
sieht die Widersprüche im Zusammenlließen vieler heterogener Elemente
„aus mindestens drei Kulturkreisen" angelegt (S. 20). Im Kern
der Kritik an der christlichen Fschatologie steht die Ablehnung des
Fvolutionsprinzips und mit ihr die Negierung der Gesetzmäßigkeit
des Heilswegs im Kontext von Gesetzmäßigkeiten im Relativen und
Absoluten. Auf Erden Fortschritt und Entwicklung auf das Reich
Gottes hin, aber Stillstand im Himmel, „unten" Bewegung und
„oben" Stagnation. Diese verbreitete Grundslruktur christlicher
Fschatologie. „diese Schizophrenie", welche „auch schon manchen
Theologen aufgefallen" sei, will der Vf. zugunsten der Reinkarnationslehre
sprengen (S. 23).

Die Schlüssellunktion von Evolution und Gesetzmäßigkeit wird
neben einer Fülle anderer Aspekte, auf die hier nicht eingegangen
werden kann, auch im zweiten Teil „Eine Zwischenbetrachtung über
die Hölle" deutlieh. Der Vf. setzt sich, um die Begriffs Freiheit und
Person näher zu durchleuchten, mit den christlichen Lehren von der
ewigen Verdammnis, dem Schicksal der Höllenbewohner und der
Ewigkeit der Hölle kritisch auseinander. Er vertieft so die Diskussion
um Grundaussagen christlicher Fschatologie im Lichte der Reinkarnationslehre
.

„Problemen der Wiederverkörperungslehre" ist der dritte Teil
gewidmet. Dabei geht es um ausgewählte Probleme in hinduistischer
bzw. buddhistischer Sicht (Präexislenz. Reinkarnation als Strafe oder
Chance. Anfang und Ende der individuellen Seele). Nachdrücklich
wird „die buddhistische Lehre vom Nicht-Selbst" abgelehnt. Die neo-
hinduistische Grundposition des Vf. mit ihren Unterschieden zum
Christentum wie zum Buddhismus tritt klar hervor und wird in Beziehung
zu beiden gesetzt. „Man kann sagen, daß die vedantisehe
Atman- und Reinkarnationslehre eine Art Mittelstellung zwischen
christlicher und buddhistischer Lehre einnimmt." (S. I 49)

„Aulerstehung und Verklärung", der vierte Teil, nimmt zentrale
christliche Begrifft auf. die schon berührt wurden, nun aber mit Blick
auf die Reinkarnationslehre ausführlicher erörtert werden. Ihre Um-
deutungen, insbesondere die Auslührungen über Auferstehung bei
Paulus, müssen aus christlich-theologischer Sicht zu Widerspruch
geradezu herausfordern, können aber auch angesichts der Argumentation
mancher moderner Excgclen nachdenklich machen. Im Ergebnis
seiner Überlegungen meint der Vf.. die Frage, „ob wir die christlichen
Vorstellungen der Auferstehung, des Gerichts und der Verklärung in
die Reinkarnationslehre .einbauen' können", „mit einem eingeschränkten
Ja beantworten" zu dürfen. (S. 174) Dabei übergeht er.
daß ilie Grundlage vv le der Rahmen seiner Unideutungen (kein Schöpfergott
. Relativität von Person und Werk Christi usw.) nicht mehr
christlich sind. Die von Torwesten vertretene „Ewige Religion" kann,
wie der Hinduismus, wohl „eine gewisse Einmaligkeit des Kreuzestodes
Jesu und seiner Auferstehung" anerkennen, nicht aber die für das
( In istentum unverzichtbare - mag man das noch so engstirnig linden
-absolute Einmaligkeit (S. 165). Mit dieser Feststellung werden weder
die Möglichkeit noch die Notwendigkeit eines Dialogs zwischen der
„prophetischen Religion der .Verheißung'" im Westen und der
„mystisch-metaphysischen Religion" im Osten negiert, wohl aber
eine Synthese im Sinne der vom Vf. vertretenen „Ewigen Religion"
(S. 166). Wo es um die zentralsten Fragen des Gottes- und des Menschenbildes
geht, wird die Reinkarnationsidec zu einer Randfrage.
Allerdings bleibt sie auch in ihrer östlichen Variante eine gewichtige
Anfrage an die christliche Theologie. Zur weit zentraleren Herausforderung
wird sie jedoch dann, wenn sich ihre Vertreter bewußt auf den
Boden christlicher Grundpositionen stellen. Daß es auch eine „Christ-