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Ausgabe:

1984

Spalte:

496-497

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Berliner Theologische Zeitschrift, 1 1984

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Theologische Literalurzeilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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plariseh das U mdenken angesichts einer kritischen Situation verdeutlicht
. Pharisäer und Schriftgelehrte werden so zur Revision ihrer
Grundsätze als Voraussetzung zur Teilhabe an der Gottesherrschali
eingeladen. Ebenso /ur Umkehr ruft die verwandte Parabel
Lk I 1.5-8, wenn man mit Fridriehsen die Wendung diu ge ich ana-
ideian autOM nicht aufden Bittenden, sondern auf den um Hille Gebe-
lenen bezieht. - Einen knappen, das herkömmliehe Geschichtsbild
massiv korrigierenden ..Beitrag /ur Theologiegeschichte des Urchristentums
'" stellt IT Binder (Sibiu)zur Diskussion, indem er nach
der historischen Rolle des Silvanus Tragt (99-103). Im Anschluß an
Apg 15,32 wird dieser zeitweise Paulusbegleiter zu jenen „Propheten"
gerechnet, die erst im fünften Jahrzehnt das junge C hristentum apokalyptisch
mit einer Nahenderwartung überfremden, die weder die
Verkündigung Jesu noch die paulinisehe Grundkonzeption (Gal!)
bestimmt hat. Der Vf. ist radikal: Wer die Dinge anders sieht, muß das
NT als „sublimierle Fnttäusehung" begreifen. - CT Schulz eröffnet
die Reihe der kirchengeschichtlichen Beiträge mit einer Untersuchung
zu der von der russischen Forschung des 19. Jahrhunderts
stark herausgestellten Bewegung der Besitzlosen im Rußland des beginnenden
16. Jahrhunderts, die den Landbesitz der Klöster ablehnten
und für eine milde Behandlung der I läretiker eintraten (105-1 I 3).
Der genauere Vergleich der theologischen Grundaussagen der beiden
fühlenden Männer Nil Sorskij und Vassian Patrikeev lehn indes, daß
es sieh um keine geschlossene Bewegung handelt, wohl aber um eine
bedeutungsvolle Opposition. - Mit der für Wehrlosigkeit und Gütergemeinschaft
eintretenden Täufergemeinschaft der Unterer beschäftigt
sieh C.-H. Diedrich (I 15-126). Die 1622 aus Mähren ausgewiesene
Gruppe findet über Siebenbürgen ihren Weg nach Rußland,
wo sie 1770 bzw. 1772 in Visenski einen Bruderhof nach ihren
alten Grundsätzen errichten kann. Mit der Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht 1874 endet ihre wechselvolle Geschichte in Rußland
. Sie hat ein vergleichbares, aber doch auch andersartiges (iegenstück
in der Kommune der Duchoborcen, einer autochthonen spiri-
tualistischen Sekte, die unter Nikolaus I. ebenfalls ein gewaltsames
linde findet. - Anhand bisher nicht berücksichtigter Quellen geht
G. Wartenberg der Vorgeschichte und Existenz des von Moritz
von Sachsen gewünschten Leipziger Konsistoriums als „Versuch
eigenständiger Kirchenpolitik im albertinischen Sachsen" nach
(127-131). Dieses Konsistorium hat 1543/44 tatsächlich gearbeitet,
aber nicht als Verwaltungsbehörde, sondern als Beratungsgremium,
das von Fall zu Fall ohne feste Ordnung zusammentrat. Mit dem Tode
des Merseburger Bischofs Sigismund und den sich eröffnenden neuen
Möglichkeiten der albertinischen Kirchenorganisation erübrigte sich
diese interimistische Behörde. - W. Ger icke untersucht auffällige
„Müntzerische Anklänge" bei Dietrich Bonhoeffer (Polemik gegen
die „billige Gnade", Einsatz Tür die Sichtbarkeit der Kirche, aktiver
Widerstand gegen eine verderbte Obrigkeit) (133-144). Daß diese
Ähnlichkeiten offenbar nicht zufällig sind, beweist G. im Detail mit
der unbestreitbaren Tatsache, daß sich Bonhoeffer nachgewiesenermaßen
mit Müntzer und den „Schwärmern" beschäftigt hat. Wenn er
dennoch in seinen Schriften Müntzer nirgends namentlich erwähnt,
so erklärt sich das aus seiner Kritik an den ekklesiologischen Konsequenzen
, die Müntzeranders als Bonhoeffer aus der biblischen Identität
von Christus und Gemeinde zieht. - In den Bereich der Praktischen
Theologie führt E. Winklers Untersuchung zu „Rationalität und
Glaubensleben" (145-155). Erläutert wird die These: „In der Beziehung
von Theologie und Frömmigkeit ist das Erleben primär, das
rationale Verarbeiten sekundär" (147). Homiletische Konsequenzen
und liturgische Anmerkungen verdeutlichen exemplarisch, wie wiehlig
der Zirkel von Erlebnis und deutender Reflexion ist. - Eine willkommene
systematisch-theologische Ergänzung zu Winklers Aufsalz
bringen N. Müllers „Theologische Überlegungen zum Begriff"der
Glaubenscrlährung" (157-166). Das der modernen Theologie nachgesagte
Erfahrungsdefizit ruft nach einer sachgemäßen Rückgewinnung
des Erfahrungsbegriffs. In kritischer Interpretation von entsprechenden
Aussagen Tersteegens, Kants und Goethes wird .,Glaubenscrlährung
" als „meditative Wesensschau" bestimmt, die einerseits
Gollesbegegnung, andererseits Selbst- und Welterlahl ung und
damit insgesamt Wirklichkeitsgewinn zum Inhalt hat. - Ausgehend
von der Predigtnot der Gegenwart reflektiert W. Nagel über „Geistliche
Dimensionen der Predigtarbeit" (167-175). Da die akademische
Ausbildung hier in der Regel nichts beiträgt, muß dem Prediger die
tägliche Einübung in die Zuwendung zu Gott bzw. das tägliche
Schriftstudium umso selbstverständlicher sein. Erst dann werden auch
im Einzelfall Exegese, Meditation und Hinwendung/ur Gemeinde gelingen
. - Abschließend lölgen gewichtige „Systematisch-theologische
Überlegungen zur Osterpredigt heute"' von M. Petzoldt (177-191).
Entsprechend der Einsicht, daß sich Hermeneutik und Homiletik
zueinander verhallen wie Verstehen und Verkündigen, fragt P. nach
dem unterschiedlichen Zeugniswillen synoptischer und paulinischer
Ottertexte. Hermeneutiseh wichtig ist der synoptische Rückverweis
auf den vorösterlichen Jesus wie der paulinisehe Rückverweis auf den
Gekreuzigten und damit auf die Gesetzesthematik. Ostern erschließt
sich von daher als das „Weilergehen-mil-Jesus". als ganzheitliche
Durchbrechung des Mechanismus von Sünde und Tod durch Gott.
Greifswald Günter Haufe

Berliner Theologische Zeitschrift. Thcologia Viatorum Neue folge.
Halbjahresschrift für Theologie in der Kirche. Herausgegeben im
Auftrag der Kirchlichen Hochschule Berlin (West) von Carsten
Golpe. Christoph Gestrich, Klaus-Peter Jörns, Peter v.d. Osten
Sacken und Peter V eilen. Schriftleiter Klaus-Peter Jörns. W ichei n
Verlag Berlin (West). I, 1984. Heft I.

Seil 1948 49 erschien das Jahrbuch „Thcologia Viatorum" vier
Kirchlichen Hochschule von Berlin (West). An seine Stelle ist nun
eine Halbjahresschrift getreten, die „Berliner Theologische Zeitschrift
"' (= BThZ). Die Kontinuität zwischen beiden Veröffentlichungen
wird unterstrichen durch den Untertitel der neuen Zeitschrift:
Thcologia Viatorum Neue Folge, sicher auch durch den weiteren
Zusatz: I lalbjahresschrift für Theologie in der Kirche.

Das Vorwort in I lefl I. I 984 knüpft an Traditionen aus der Bekennenden
Kirche an. Die Zielstellung der Zeitschrift wird u. a. so
bestimmt: „Die wissenschaftliche theologische Arbeit in den Beiträgen
der Zeitschrift soll deshalb nach Möglichkeit jeweils so weit vorangetrieben
werden, daß die Bedeutung des in den Einzeldisziplinen
Erforschten für Theologie und Kirche bzw. Tür beide zusammen aufgewiesen
wird", ein ebenso zustimmungswürdiges wie schwieriges
Vorhaben! In seinem Dienst steht neben Auswahl der Themen und
Autoren gewiß auch die Aufteilung der Beiträge in sechs Rubriken:
Einzeldarstellungen - Theologie in biographischem Kontext - Zur
Person - Rezensionen - Visitation - Dokumentation u. Kommentar.
Zeitschriften-Aufsätze im üblichen Sinn sind demnach hauptsächlich
in Rubrik I und 2 zu erwarten. In diesem Heft sind das bei einer
Gesamtseitenzahl von I 72 S. sechs:

Walter Z i m m erli: Biblische Theologie (bereits englisch erschienen)
(5-26),

Rudolf M a u : Die marxistischen Luther- Thesen der DDR (27-44).

Carsten Golpe: Zur Bezeichnung und Bezeugung des „Heiligen
Krieges" 1(45-58).

Christoph Hinz: Predigt zu Micha 6, 8 (59-63).

Eberhard Jüngel: Das Geheimnis der Stellvertretung. Ein dogmatisches
Gespräch mit Heinrich Vogel (bereits in ZdZ erschienen)
(65-80),

Jürgen Seim: Politische Predigt bei Hans Joachim I wand (8 I -96).

Die beiden letztgenannten Beiträge gehören zur Kategorie „Theologie
in biographischem Kontext"". Unter „Zur Person" wird eine
Gedenkrede auf Gershom Scholem abgedruckt (t 1982) (97-106). Am
Schluß der „Rezensionen" (insgesamt Tünl) findet sich noch ein
eigentlich zum biographischen Bereich gehörender Beitrag: die
Bibliographie O. A. DUschneider (allerdings unvollständig, vgl. z. B.
ThLZ 86. 1961 Sp. 255-266). Unter „Visitation"" wird über die Internationale
Konferenz „Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden"