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Ausgabe:

1984

Spalte:

476

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Von Nairobi nach Vancouver 1984

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Seite 1

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Theologische Literalurzeilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6

476

theologischen Auseinandersetzungen die Pneumatologie im Verbund
mit der Ekklesiologie neben Ciotteslehre und Soteriologie zum integrierenden
Bestandteil des Bekenntnisses der Kirche. Im Ergebnis
einer mit dem NC zum AbschluU kommenden Entladung des christlichen
Dogmas kann auf Cirund der biblischen Offenbarung der eine
Gott nur trinitarisch gedacht werden. Daß dies mit Hilfe der griechischen
Philosophie zum Ausdruck gebracht wird, sollte nicht zu dem
Mißverständnis verleiten, darin nur ein überaltertes Produkt abstrakter
Metaphysik zu sehen. Hauschild weist vielmehr daraufhin, daß
die heute zweifellos überholte griechische Onlologie gerade dazu in
Anspruch genommen wurde, um deutlich zu machen, daß es Gottes
Wesen ist, „ein in der Geschichte handelnder,... ein dem Menschen
zugewandter gnädiger Gott zu sein" (S. 42).

Bemerkenswerl sind indes nicht nur Inhalt und Entstehung von NC,
sondern auch seine Rezeption. Konstantinopel war kein gesamtkirchliches
Konzil; die westlichen Kirchen waren gar nicht vertreten. Da
der Kaiser auf Grund unmittelbarer politischer Interessen an seinem
Zustandekommen jedoch maßgeblich beteiligt war, konnte es immerhin
als Reiehskonzil gelten. Das hat die Anerkennung der Konzilsbeschlüsse
zweifellos begünstigt. Für Hauschild sind es letztlich jedoch
nicht diese, sondern inhaltlich bestimmte Gründe gewesen, daß
das Trinitätsdogma von 381 sich als konsensusläliig erwies. Indem es
von der Gesamtkirche rezipiert wurde, hat diese dem Konzil von
Konstantinopel ökumenischen Rang verliehen.

Diese Aulfassung vertritt auch Alexandre Ganoczy. In seinem
Beitrag über „Formale und inhaltliche Aspekte der mittelalterlichen
Konzilien als Zeichen kirchlichen Ringens um ein universales Glaubensbekenntnis
" geht er zugleich auf die gegenläufige Entwicklung
ein, die mit der einseitigen Einfügung des Filioque durch eine westliche
Provinzialsynode im Jahre 675 eingeleitet wurde und zum -
offenbar erst allmählich sich entwickelnden - Widerspruch der östlichen
Kirchen aus Gründen des Häresieverdachts lührte. In der Folgezeit
wurde im Osten wie im Westen der Gedanke des für die ganze
Christenheit verbindlichen ökumenischen Konzils mehr und mehr
preisgegeben. Eine Ausnahme bilden die intensiven, aber letztlich
doch erfolglosen Einigungsbemühungen des Konzils von Florenz
(1439) mit seiner Kompromißformel, daß der Heilige Geist ex patre
per filium hervorgehe. Heute neigt die ökumenische Forschung nach
Ganoczy eher dazu, in Aufnahme eines Vorschlages von Yves Congar
auf nachträgliche Änderungen am Wortlaut des NC überhaupt zu verzichten
und den so belastend gewordenen Einschub des Filioque lehramtlich
zurückzunehmen. Das setzt allerdings voraus, daß dieser Zusatz
von den orthodoxen Kirchen der Sache nach nicht mehr als häretisch
angesehen wird, was bei Anerkennung des Tatbestandes möglich
sein sollte, daß er „einem ganz bestimmten wesentlichen Anliegen des
Neuen Testaments entspricht" (S. 78).

„Das Filioque in der neueren ökumenischen Diskussion" wird
eigens auch von Reinhard Slenczka thematisiert. Seiner Ansicht
nach gibt es über Ursprung und Deutung der Filioque-Formel heute
eine weitreichende historische Verständigung, während dagegen die
dogmatische Problematik in ihren tieferen Zusammenhängen noch
kaum erfaßt sei. In der ökumenischen Diskussion wird die Einfügung
des Filioque „kanonisch als irregulär bezeichnet, dogmatisch aber
nicht als eine Irrlehre aufgefaßt" (S. 83), sondern im Sinne einer theologischen
und geschichtlichen Komplementarität angesehen. Diesem
Verständnis begegnet Vf. mit dem Hinweis auf die für die östlichen
Kirchen nicht akzeptable Identität von ökonomischer und immanenter
Trinität, durch die für sie die Unterscheidung von Schöpfer und
Geschöpf aufgehoben würde. Von einer anderen Voraussetzung her
kamen die westlichen Kirchen jedoch gerade zur Behauptung einer
solchen Identität, weil nämlich für sie Gottes Offenbarung immer nur
in Jesus Christus begegnet. Für Slenczka wird damit nicht nur eine
unterschiedliche theologische Akzentuierung erkennbar. Das Filioque
ist mehr als eine westliche Ausprägung der Trinitätslehre. Es steht

für eine andere theologische Konzeption dieser Lehre, die sich von der
der orthodoxen Kirchen deutlich unterscheidet.

Theodor Sch neider geht in seinem Beitrag „Der theologische Ort
der Kirche in der Perspektive des dritten Glaubensartikels" auf die
Grundüberzeugung der frühen Christenheit ein, daß die Kirche Geschöpf
des Geistes Gottes ist und darum auf Cirund des 3. Artikels von
NC die Lehre von der Kirche bei der Lehre vom Heiligen Geist und
seinen Gaben ihren Ausgang nehmen müsse. Für die katholische Ekklesiologie
sei dies allerdings nicht immer und unangefochten bestimmend
gewesen. Indem das II. Vatikanische Konzil die Kirche als
Sacramentum bezeichnet, habe es den frühchristlichen Sprachgebrauch
von „Mysterium" wieder aulgenommen und dadurch den Gedanken
der vom Geist gewirkten und getragenen Kirche aus den altkirchlichen
Bekenntnissen wieder in die Ekklesiologie eingelührt.

Den Band beschließt eine „Gemeinsame Erklärung des Arbeitskreises
evangelischer und katholischer Theologen". Mit ihren Aussagen
zum trinitarischen Bekenntnis der Kirche, zum Problem des Filioque
sowie zur Rezeption und Interpretation von Kon/ilsenlscheidungen
läßt sie die Ergebnisse der Arbeitstagung zusammen. Der Konsensus
von Konstantinopel erscheint dabei als ein Modell dalür, „wie gestörte
Kirchengemeinschalf neu wachsen kann durch gemeinsame
Verherrlichung des Heiligen Geistes" (S. 121). Der spannungsvollen
Rezeptionsgeschichte des Nicaeno-Constantinopolitanums dürfte
eine solche Feststellung allerdings nur bedingt gerecht werden. Für die
heute um mehr Gemeinschaft ringenden und noch immer getrennten
Kirchen bleibt sie wohl äuch auf absehbare Zeit nur ein Ausdruck
noch unerfüllter Hoffnung.

Sehöneiehcb. Berlin Hclmul Zeddies

Von Nairobi nach Vancouver. 1975-1983. Offizieller Bericht des Zentralausschusses
an die Sechste Vollversammlung des Ökumenischen
Rates der Kirchen. Genf: Ökumenischer Rat der Kirchen
1983. XXV,265 S. 8". Pb.

In diesem Band liegt die ungekürzte und offizielle Fassung des
Berichtes des Zcntralausschusses vor. wie er von seinem Vorsitzen-,
den, Erzbischof Edward W. Scott (Anglikanische Kirche von Kanada
), an die 6. Vollversammlung des ÖRK erstattet worden ist. Die
in Vancouver vorgetragene gekürzte Fassung ist inzwischen auch erschienen
(Bericht aus Vancouver 1983, hrsg. v. W. Müller-Römheld,
Frankfurt/M. 1983 S. 199-213). Eine inoffizielle Berichterstattung
liegt mit dem Titel „Im Glauben handeln" von L. Howell (Genfund
Frankfurt/M. 1982) vor.

Scott formuliert in seinem Vorwort drei Fragen, die die Lektüre des
Berichtes begleiten sollen; I. Geht aus dem Bericht hervor, ob der Rat
der Vorstellung derer, die ihn gegründet haben, treu geblieben ist?

2. Erlaubt die Vorstellung der Gründer dem Rat auch heute noch, sich
im Gehorsam der Führung des heiligen Geistes anzuvertrauen?

3. Müssen Änderungen vorgenommen und neue Akzente gesetzt werden
, wenn der Rat in den kommenden Jahren als ein gehorsamer Diener
des Herrn wirken will? - Diese Fragen bestätigen auch den Eindruck
, daß Vancouver die Aufgabe hatte (und hat!), „die geleistete
Arbeit zu überdenken und Entscheidungen zur künftigen Ausrichtung
des Rates zu treffen" (VI). Über den Bericht hinaus ist die Einleitung
von Ph. Potter wichtig (VII-XXV), in der er besonders auf die
Richtlinien eingeht, die für die Programmgestaltung des ÖRK seit
Nairobi gelten: Wahrhaft ökumenische Gemeinschaft, Konkretisierung
unseres Glaubens. Kampf um wahre Menschlichkeit. In einem
Teil „Anhänge" werden eine Bibliographie (Ausgewählte Veröffentlichungen
zwischen 1975 und 1983) sowie die Mitgliederlisten des
Zentralausschusses und der ÖRK-Mitgliedskirchen (Stand; April
1983) mitgeteilt.

M. P.