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Ausgabe:

1984

Spalte:

25-26

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Good, Edwin M.

Titel/Untertitel:

Irony in the Old Testament 1984

Rezensent:

Seidel, Hans

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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Überlieferung verantwortlich? Für eine klare Differenzierung zwischen
mündlicher Überlieferung und späterer ,Verschriftung' muß die
formgeschichtliche Methode viel stärker Berücksichtigung finden als
bei Sch. und vielen anderen. Da dies nicht geschieht, wird auch der
Inhalt der Botschaft Jeremias fast bruchlos in eins gesehen mit dem
Aussagewillen der Späteren (S. 10f).

Diese Probleme haben für die Gesamtauslegung des JeremiaöucJi«'
auf der einen und der Auslegung der Prophetie Jeremias auf der
andern Seite größte Bedeutung. J. Schreiners Kommentar ist ein wichtiger
Schritt, um an ihre Lösung näher heranzukommen.

Langelsheim Eberhard Ruprecht

' Vgl. dazu F. Ahuis, Der klagende Gerichtsprophet, Stuttgart 1982, S. 4
Anm. 1+2.
2 Vgl. dazu F. Ahuis a.a.O., S. 134-139.

Good, Edwin M.: Irony in the Old Testament. 2nd ed. Sheffield: The
Almond Press 1981. 256 S. 8' = Bible and Literature Series, 3. Kart.
£5.95.

Ironie ist leichter zu erkennen als zu definieren. Der Vf. geht von
der griechischen Komödie aus, in der der alazon, welcher mehr
scheinen will als er ist, von seinem Gegenspieler, dem eiron, der
mehr ist als er scheint, bloßgestellt wird. Ironie wurzelt in diesem
Konflikt zwischen Anspruch und Wirklichkeit und ist die kritische
Haltung, die Dummheit und Aufgeblasenheit durchschaut, Pathos
und Falschheit entlarvt. Basis der ironischen Kritik ist "a vision of
truth" (25). Sie zielt daher nicht aufZerstörung, sondern aufdie Besserung
des Inkongruenten. Darin unterscheidet sie sich von Sarkasmus
und Verhöhnung, die nicht nur verletzen, vielmehr zerstören. Parodie
und Satire stehen dem Sarkasmus nahe, ihr Lachen hat einen bitteren
Beigeschmack.

Nach dem Hinweis auf einige mehr punktuelle Beispiele für Ironie
im Alten Testament (Ri 3; Am 1-2,5; Hos 6,3-4; 2Sam 11,1 ff) wendet
sich der Vf. größeren Textkomplexen zu. Er beginnt mit dem
Jonabuch, das er als Satire mit ironischem Charakter bezeichnet. Die
Alternative zu Jonas Absurdität sei die Absurdität Gottes, und das
Geheimnis der Gnade sei nicht geringer als das Geheimnis der Gerechtigkeit
.

Die Gestalt Sauls wird in die Nähe der griechischen Tragödie gerückt
. Seine Last sei "the tragedy of greatness". Thema der novcllcn-
artigen Erzählung sei die theologische Doppelbödigkeit des Königtums
. Saul bezahle eine fremde Rechnung. Die tragische Ironie liege
in der Spannung zwischen dem Auftrag Sauls und seiner Befähigung,
ihn zu erfüllen, zwischen seinem Rollenverständnis und der Rolle, die
Gott ihm zugedacht hat. Er sei eine ähnlich tragische Figur wie Ödi-
pus oder Othello.

Der IV. Abschnitt ist der Genesis gewidmet. Der Vf. geht nicht von
den Quellenschriften aus, sondern von der Endgcstalt. Die Vielfalt der
Thematik wird in Themenkreise aufgeteilt. Punktuelle Ironie, Ironie
in Episoden und Ironie in Themaform sind verschieden auf diese
Kreise verteilt. In Gen 1-11 sei mehr thematische Ironie zu finden. Sic
liege in der Diskrepanz zwischen dem Ziel und der Fehlerhaftigkeit
der Menschenschöpfung. Die Rückkehr zum Chaos der Urflut biete in
der Sintflutcrzählung eine ironische Konklusion zur Schöpfung.
Abraham lebe in der Ironie des Versprechens, zwischen Land- und
Volkvcrhcißung und ihrer Erfüllung. Jakob stehe in "the irony of
brotherhood", einer Form der Ironie, die den Triumph über die Gegner
einschließt, aber auch die Fähigkeit Israels zeige, über die eigene
Sicgcrpose zu lachen.

Die Josephsgcschichtc lebe von der Spannung zwischen der Planung
des Menschen und der Providentia dei. Jakobs Liebe erzeugt

Neid, der Haß der Brüder bringt Josephs Aufstieg, und in allem wirkt
der Plan Gottes, der auch den Pharao einbezieht. Für die Ironie im
Buch Genesis kann zusammenfassend konstatiert werden: "God is
ironic about Israel. Equally, Israel is ironic about itself. Something
about Israel's faith opens out the free play of irony." (114) Ein ausführlicher
Abschnitt ist Jes 1-39 gewidmet (115-167). Als Mittel einer
besonderen ironischen Technik setze Jesaja ironic metaphor (Jes
7,4.7-9; 8,6-8; 10,5.14-15), attribution (Jes 10,14; 5,19; 28,15),
paronomasia (Jes 9,8-10; 22,1-2.5), litotes (Jes 10,7; 28,23-29), exag-
geration (Jes 5,11-12) und irony of coneept (2,6-22; 28,23-29)ein. Er
sei nicht der Vergangenheit und ihren Traditionen zugewandt, sondern
der Glaube Israels, der sich in der Gegenwart zu entscheiden
habe, stehe im Mittelpunkt seiner Verkündigung. Mit bitterer Ironie
geißelt er Israels Verfehlungen im politischen wie im ethischen Bereich
.

Innerhalb der Weisheitsliteratur verdeutlicht der Vf. sein Thema an
Qohelet (168-195) und Hiob (196-240). Bei Qohelet geht der Vf. kurz
auf die Frage der Einheitlichkeit und Autorschaft ein. Er stellt die
These auf, das Buch Qohelet "was a diary in which the writer set down
thoughts without telling us when or why" (172). Basisaxiome markieren
die thematische Einheit. In der Anwendung des Begriffes hebet
zeigt sich die ironische Grundhaltung. "Wisdom is ironic because it
lacks the power to alter a man's final fate, even though for the time it
may preserve him alive."(182) Im Buch Hiob zeige sich die Spannung
zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Verhältnis der heilen Welt
der Freunde (irony of the healthy) zum kranken Hiob, im Leiden
Hiobs (irony of the suflerer) und in der Haltung Gottes. "God's irony
turns out to be the irony of love." (239)

In einem letzten Abschnitt (Epilog) zieht der Vf. eine Art theologisches
Resümee. Er fragt, was Ironie mit dem Glauben zu tun habe.
Der Glaube des Menschen im Alten Testament sei frei von dem
Zwang zur Selbstrechtfertigung und magischer Verflechtung. "Libera-
ting faith is the condition of the true irony that fears neither to per-
eeive nor to State the ironic incongruities of which human life is so
füll." (244) Das gelte auch für unseren Glauben. Wer in der Freiheit
Gottes lebe, der könne in das befreite Lachen über sich und die Welt
einstimmen.

Bei einem solchen Versuch, anhand eines bestimmten Denkansatzes
große Linien durch das Alte Testament zu ziehen, bieten sich in
den Einzelheiten z. B. der literarkritischen Fragestellung angreifbare
Positionen. So wird man fragen können, ob das Übergehen der Quel-
lenfragc im Pentatcuch aus der Not der gegenwärtigen Pentatcuch-
forschung eine Tugend macht, ob Jes 14,24-32 und 20,1-6 zu den
echten Texten zu rechnen seien, ob die literarische Problematik des
Hiobbuchcs genügend in den Blick gekommen ist und anderes mehr.
Eine intensivere Beschäftigung mit den Texten hätte sicher die Publikation
unvertretbar vergrößert. Da der Vf. gegenüber der ersten Auflage
von 1965 einiges verändert und erweitert hat (z. B. das Kap.
Jesaja), fällt das Fehlen eines Abschnittes über Jeremia, Protosacharja
oder Daniel besonders auf. Oder sollten dort keine Texte die Diskrepanz
zwischen Anspruch und Wirklichkeit markieren?

Fragestellungen und Ergebnisse des Buches sind interessant ünd
anregend nicht zuletzt dadurch, daß sie aus einer nur literarisch
distanzierten Betrachtung auf die Existenz des Lesers zielen. Wenn
Ironie ein Zeichen befreiten Glaubens ist und ein solcher Glaube der
beste Fundus gegen jede Knechtschaft, dann müßte man über das Fehlen
der Ironic in Verkündigung und Theologie in der Gegenwart ernsthaft
nachdenken.

Diese dankbar angezeigten Impulse des Buches lassen für den Alt-
tcstamcntlcr die Frage nicht ganz verstummen, ob die Anwendung
eines so weiträumigen und kaum zu definierenden Vorgangs wie die
Ironie den Texten des Alten Testaments nicht einen Rahmen überlegt
, in den sie entweder alle irgendwie passen oder einer fremden
Fragestellung unterworfen werden.

Leipzig Hans Seidel