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Ausgabe:

1984

Spalte:

469-470

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Wenn Theologie praktisch wird ... 1984

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Seite 1

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469

Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6

470

zelnen pastoraltheologischen (Unter)-Disziplinen. Josef Müller erörtert
kurz die Frage, ob die Pastoraltheologie 1777 oder 1778 Universitätsdisziplin
geworden ist, und kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis
(13ff). Paul Wehrle untersucht die ersten pastoraltheologischen
Lehrbücher zur Homiletik, an die sich die Professoren streng
zu halten hatten (17ff). Der Prediger wird ganz im Sinne der Aufklärung
als Religionslehrer verstanden, wobei die Hinwendung zum
Hörer betont wird. Während die ekklesiologische Dimension unterentwickelt
bleibt, gewinnt die Rhetorik einen beherrschenden Platz:
Predigt als geistliche Rede (411). Walter Croce zeigt ausführlich die
Entwicklung der Katechetik zwischen dem Tridentinum und der
maria-theresianischen Studienreform von 1774 auf, wobei mit Recht
das Urteil Rautenstrauchs in Frage gestellt wird, daß die Katechetik
bislang „kleingehalten und schändlich vernachlässigt war" (43). Wie
im evangelischen Bereich, der leider nicht in die Darstellung einbezogen
wird, hat sich auch hier sehr viel getan. Allerdings wurden die
vielseitigen Ansätze vor Rautenstrauch nicht zu einer brauchbaren
Theorie zusammengefaßt, und auch dieser hat die Eingliederung der
Katechetik in die Pastoraltheologie und damit die Angleichung der
Katechese an die Predigt noch nicht überwinden können. „Rautenstrauch
bleibt zwar das große Verdienst, die Katechetik in ihrer Bedeutung
erkannt und in den theologischen Bildungsgang aufgenom-
riTen zu haben, aber zu ihrer inneren Gestaltung als einer echten Seelsorgedisziplin
vermochte er kaum einen Beitrag zu leisten." (130)
Zwei kleinere Beiträge beschließen den ersten Teil, Hans Hollerwegers
Darlegungen zum Anteil Rautenstrauchs an den liturgischen
Reformen, die damals natürlich noch nicht in das Zentrum
gottesdienstlichen Geschehens vorstoßen konnten (131 ff), und ein
Beitrag von Valentin Doeri ng und Josef M ü 1 le r zu Rautenstrauchs
Gesamtkonzept, wobei der gewählte Titel „Pastoraltheologie - Praktische
Theologie?" mehr verspricht als die im übrigen dankenswerte
Zusammenfassung der Reformideen hergibt.

Der zweite Teil ist dem Umfeld und vor allem den Auswirkungen
des Rautenstrauchschen Ansatzes gewidmet. Konrad Baumgartner
bietet einen Überblick zum Wandel des Priesterbildes vor allem im
17. und 18. Jh.. in dem die Vielfalt der Konzeptionen deutlich wird
(173ff). Die anderen Beiträge greifen einzelne Theologen heraus. So
untersucht Peter Hersehe den Einfluß des Jansenisten Melchior Bla-
rer auf Rautenstrauch (157fT), Paul Wehrle Stanislaus Kosta Kiepachs
homiletischen Kampf „wider die Weltbeglücker" der späten
Aufklärung (191 ff), Valentin Doe ri ng die homiletische Theorie und
Praxis von Benedikt Maria von Werkmeister, dem es um das „sittliche
Leben aus Glaube und Gottesliebe" geht (205fT). Als Beitrag aus der
evangelischen Theologie würdigt Wolfgang Steck die Praktische
Theologie von Ludwig Hülfeil, in der nach Wesen und Beruf des Pfarrers
gefragt und dabei eine konsequente Vermittlung von wissenschaftlichem
Ansatz und praktischer Realisierung, also eine neue
Relation zwischen Denken und Handeln angestrebt wird(2l9ff). Ein
letzter Beitrag von Norbert Mette führt mit Joseph Ambcrgcr in die
neuscholastische Verfestigung der Pastoraltheologie, die vom Bestehenden
ausgeht und ein mehr die Praxis legitimierendes als sie hinterfragendes
Kompendium der Pastoral vorlegt (2331T).

Der Aufsatzband ist eine Fundgrube für jeden, der sich mit der Entstehung
der Praktischen Theologie befaßt. Sofern die Entwürfe der
Aufklärungs/.cit sowie ihre zeitgenössischen Kritiker Gegenstand der
Beiträge sind, lassen sich interessante Verbindungslinien zu heutigen
Fragestellungen und Zeiterscheinungen ziehen.

Wien Hans-Christoph Schmidt-Lauber

Sonnenberg, Jürgen [Hrsg.]: Wenn Theologie praktisch wird ... Mit

einem Geleitwort von H. Thielicke. Stuttgart: Steinkopf 1983
384 S. 87 geb. DM 45.-.

„. .. ist sie interessant", kann man den Titel dieses Sammelbandes
ergänzen, der bibliographisch nicht als Festschritt gilt, aber zum

60. Geburtstag des Hamburger Hauptpastors H.-J. Quest entstand.
Der Inhalt ist locker geordnet, das Titelmotiv zieht sich aber durch die
bunte Vielfalt der Beiträge. Auf das Luther-Jubiläum beziehen sich
besonders W. Conrad: Examenspredigten im Lutherjahr; W.
Grünberg: Luthers Kleiner Katechismus - ein Volksbuch? L. Möttau
pt: Die Zwei-Reiche-Lehre Luthers und der demokratische
Staat: U. Wilckens: Die „Freiheit eines Christenmenschen" heute.
Die umfangreichsten Aufsätze behandeln den Alkoholismus (W. H.
Lechler, S. 130-173) und die Bedeutung des Predigers Für die Wirkung
der Predigt (A. Denecke S. 259-289 mit Auswertung einer von
D. durchgeführten Befragung). Die Palette der weiteren Autoren und
Themen sei an einer Auswahl aus den 29 Beiträgen illustriert: J. Sonnenberg
: Über die Vermittlung theologischer Werte in der evang.
Jugendarbeit; M. Krauss: Die Ordination des Diakons; G.
Heintze: Am Lernen bleiben! A. Papaderos: Skizzen aus dem
Leben kretischer Priester; W.-D. Barchewitz; Diener vieler Herren
(als Ghostwriter von vier Bundespräsidenten); A. Nelle: Gottesdienst
im Fernsehen; Ch. Vasterling: Liturgie und Volksmission;
H.-J. Tetzlaff: Die Last mit der Leitung. Die Kurzweiligkeit der
abwechslungsreichen Lektüre wird durch viele narrative Stücke
erhöht.

E.W.

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Winkler. Eberhard [Hrsg.]: Das Wort der Hoffnung. Beispiele für
Seelsorge und Predigt bei Todeställen. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1983. 131 S. gr. 8'. Lw. M 7,-. Ausland 9,50.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, daß zwölf Bestattungsreden
in ihrem homiletischen und seelsorgerlichen Kontext wiedergegeben
werden (II. Predigt und Kommentare, S. 24-100). Sieben Autoren berichten
über ihre Trauergespräche, über homiletische Vorerwägungen
für die Rede und erzählen auch davon, wie darüber hinaus seelsorgerliche
Kontakte vor und nach der Bestattung bestanden haben. Da wird
ehrlich die Begrenztheit aller menschlichen Bemühungen um Verbundenheit
in der Trauer deutlich, aber zugleich auch das Ringen um
menschliche und geistliche Nähe offenbar. Praktiker berichten, lassen
sich zugleich - in der Regel vom Herausgeber - kritisch befragen und
haben selbst wieder das letzte Wort. Hinweise zum Kasus und zur Bestattungssituation
in unserem Lande, homiletische Erwägungen,
nachgehende Seelsorge, Darbietung der Predigt, Kommentar des Kritikers
, Antwort des Predigers: In ähnlichen methodischen Schritten
laufen fast alle Beispiele ab. Die exegetische Reflexion - bis auf S. 60ff
- tritt ebenso zurück wie eine systematisch-theologische Überlegung.
Kcrygmatische und thetischc Partien in den Reden werden hier und
da als autoritär und rational empfunden (S. 42,68, 73). Empathie und
menschliche wie geistliche Weite im Verstehen sind gefragt. Damit
sind Schwäche und Stärke der Beispiele und ihrer Darbietung markiert
. Daß trotz aller erfreulichen Nähe zum Arbeitsprozeß eine letzte
Distanz bleibt, weil Notizen trotz aller Genauigkeit nicht die persönliche
Begegnung ersetzen können, zeigt sich hier wie bei aller Literatur
dieses Genus.

„Praktisch-theologische Voraussetzungen" (S. 9-23)beschreiben in
wenigen und darum nicht sehr ausführlichen Abschnitten die homiletische
und scclsorgerlichc Situation zwischen Sterben und Bestatten.
„Der Prediger kann nur aus der Scelsorge wissen, welche Kommunikationsbasis
jeweils vorhanden ist. Die in diesem Buch vorgelegten
Beispiele und Analysen vermitteln ein Bild von der Vielfalt der zu erwartenden
Situationen und damit der Verschiedenheit des Aussagbaren
" (S. 9). Nicht ganz deutlich sind die Bemerkungen zu den
„kirchlichen Ordnungen". Liturgische Bindungen und Kirchen-
steuerbarricren werden kräftig relativiert, weil „die kirchliche Bestattung
" ein „diakonischer Akt" sei (S. I I). Der Abschnitt „zum Inhalt