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Ausgabe:

1984

Spalte:

468-469

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Pastoraltheologie 1984

Rezensent:

Schmidt-Lauber, Hans-Christoph

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6

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richtig. Wer interessiert ist an den oft unterschiedlichen Auflassungen
und Lehraussagen der Kirchenväter von Auguslin bis zu den groben
Lehrern der Scholastik, der wird hier klare Aussagen und Zitate finden
. Bereits in einer Hinfuhrung (1,9-12) wird definiert, wie hoch die
Geschlechthchkeit in diesem „Grundkurs über Geschlechtlichkeit
und Liebe" nach der verbindlichen Lehre der katholischen Kirche gewertet
wird, nämlich als „Teilhabe am göttlichen Leben" (participa-
tio divinae vilae). Zurückhaltender wird dann die Sexualität beurteilt
als die „leibhafte Beziehung in einer Lebensgemeinschaft" (convi-
vium animarum et corporum), während schließlich die „Genitalüät"
abgeurteilt wird als „nur begehrende Liebe" (amor concupis-
centiae).

Es überrascht, mit welcher Entschiedenheit festgestellt wird, daß die
Bibel „neben der göttlichen Offenbarung auch .menschliche Zutaten',
die auf kulturgeschichtlich bedingte Gesellschaftsstrukturen und Auffassungen
zurückzuführen sind", enthält (1,14). In eindeutiger Weise
wird auch ein fundamentalistisches Verständnis der göttlichen Offenbarung
zurückgewiesen, weil dadurch die echten Aussagen der göttlichen
Offenbarung nicht von den kulturgeschichtlich bedingten
menschlichen Zutaten unterschieden würden. In diesem Zusammenhang
wird dann festgestellt, daß den Verfassern des Alten Testaments
eine Leibfeindlichkeit fremd sei (1,15), eine Aussage, die in dieser Verallgemeinerung
nicht aufrechterhalten werden kann, wenn man nur
an die Auslührungen von Psalm 51,7 denkt.

Nachdem in Kap. I des ersten Bandes die biblisch-theologische
Deutung menschlicher Geschlechtlichkeit in katholischer Sicht informativ
dargeboten wird, werden in den folgenden sieben Kapiteln
Lehraussagen der Kirchenväter in bezug auf geschlechtliches Verhalten
mit einer Ausführlichkeit und Bestimmtheit vorgetragen, die
ihnen geradezu normativen Charakter verleihen.

In recht breiten Abschnitten wird in fast allen Kapiteln die Frage
tangiert, ob und wieweit der Zeugungsfunktion ein primärer Stellenwert
im sexuellen Verhalten des katholischen Christen zukommt, ob
das Lustmotiv um des Partners willen vielleicht doch gesucht, nur geduldet
oder aber unterdrückt werden müsse (1,32ff, 84, 100 u. ö.).

Der zweite Band ist die unmittelbare Fortsetzung des Grundkurses
Scxualmoral I. Er wird von E. J. Cooper, Lehrbeauftragtem für
Katholische Theologie und Didaktik an der Universität Bonn, allein
verantwortet. Unter dem Leitgedanken „Leben in Liebe" werden die
Ergebnisse des ersten Bandes nun konkret auf die verschiedenen
Altersphasen und unterschiedlichen Lebenssituationen des Menschen
bezogen. Die Auslührungen haben einen bewußt didaktischen Charakter
, so daß man von einem Lernprogramm im besten Sinne lüreine
Erziehung in christlich verantworteter Liebe zur Partnerschalt in Ehe
und Familie sprechen kann.

Sechs Themenbereiche werden angesprochen: 1. Philosophischtheologische
Grundlegung, II. Geschlechtlichkeit im Kindesalter, III.
Die heterosexuelle Phase des Jugendalters, IV. Partnerschaftliche
Liebe in der Ehe, V. Die Familie als Anstalt der Personwerdung und
Hauskirche, VI. Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen.

So hilfreich die religionspädagogisch gut durchdachten Ausführungen
, Merksätze und Zusammenfassungen für den katholischen Christen
sein werden, so wenig eignen sie sich für ein interkonfessionelles
Gespräch. Hinweise auf protestantische Ethik und Zitate kommen
über schablonenhafte, mißverständliche Andeutungen nicht hinaus
und sollten besser fortfallen {1,85fT, 11,25 u. a.).

Beschwerlich ist, daß die für einen nicht-katholischen Christen
ohnehin als problematisch und nicht widerspruchsfrei empfundenen
Ausführungen in beiden Bänden durch Zeichnungen und Diagramme
erläutert werden sollen, die kompliziert und unanschaulich sind.

Die katholische Kirche hat die hohe Bedeutung von Ehe, Familie
und Sexualität für eine intakte Gesellschaft, aber auch als Basis eines
lebendigen christlichen Glaubens stets anerkannt und sich deshalb um
die Familie gesorgt. So formulierte das II. Vatikanische Konzil: „Das
Heil der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft
ist zuinnerst mit dem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft
verbunden" (Gaudium et spes, 47). Deshalb lobten die Konzilsväter
all jene Staaten und Institutionen, die die Familie schützen und
fördern.

Dieser Zusammenhang interpersonaler und gesellschaftlicher Verhältnisse
, in den sich eine Sexualmoral unweigerlich gestellt sieht, ist
im zweiten Band desGrundkurses entfallet.

Aber darüber hinaus werden auch auf die Fragen der Familienplanung
, der Herstellung und des Gebrauchs von Anlikonzeptions-
mitteln, der Bedrohung der Familie und ihrer Sexualmoral durch unzumutbare
Wohnungsverhältnisse, Arbeitslosigkeit und Hunger in
vielen, überwiegend von katholischen Christen bewohnten Ländern
und die Probleme des Sexuallebens vor und außerhalb der Ehe befreiende
Antworten gegeben werden müssen.

Der Hinweis auf eine Äußerung des Papstes Johannes Paul II. in
„Familiaris Consortio" auf die Notwendigkeit einer zu beginnenden
Reflexion über diese Probleme könnte hier weiterführen (1,125).
(ireifswald Günther Kehnscherper

Schmithals, Walter: Bekenntnis und Gewissen. Theologische Studien
zur Ethik. Zum 60. Geburtstag hrsg. von Hans-Eberhard Heß und
Bernd Wildemann. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag 1983.
208 S.8 Kart. DM 24,80.

Außer dem Beitrag „Gewißheit und Bewährung" (172-184) sind
die in diesem Band zusammengefaßten Aufsätze und Studien von
Walter Schmithals sämtlich bereits veröffentlicht. Ihr bisher z. T.
schwer erreichbarer Abdruck, ihre thematische Einheit und besonders
der 60. Geburtstag ihres Vf. sind Gründe genug, diesen Band herauszugeben
. Sein Titel ist dem Thema der theologischen Stellungnahme
des Vf. zu der Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes
„Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung
der Kirche" entlehnt: „Das Bekenntnis der Gemeinde und das Gewissen
der Christen" (139-153). Danach stellt sich dem Vf. das Grundmuster
evangelischer Ethik in der Unterscheidung von Bekenntnis
und Gewissen. „Die Unterscheidung zwischen dem Bekenntnisstand
der Gemeinde und dem Gewissen des Christen ermöglicht einerseits
um der Liebe willen die Gemeinsamkeit in gewissenhaften politischen
Ermessensentscheidungen zwischen Christen und Nichtchristen, die
ein notwendiges Stück der politischen Kultur und Handlungsfähigkeit,
darstellt, andererseits um des Glaubens willen die Gemeinsamkeit des
Bekenntnisses und Lobpreises bei unterschiedlichen Gewissensentscheidungen
" (152). Beide Elemente laufen für den Vf. am ehesten im
Dank zusammen, der z. B. im erhaltenen irdischen Frieden zugleich
Gottes Langmut erblickt, mit seinem Gericht zu verziehen. Anstelle
aller Aufsätze des Bandes seien stellvertretend die folgenden genannt:
Aufgaben und Grenzen einer christlichen Ethik des Politischen
(12-24); „Selig sind die Friedfertigen" - Was meint die Bergpredigt
wirklich? (25-39); Politische Äußerungen der Kirche und ihrer Amtsträger
als Problem der evangelischen Theologie (125-134); „Rechtfertigung
und Recht" - ein aktuelles Stück Theologiegeschichte
(154-160).

M.P.

Praktische Theologie: Allgemeines

Klostermann, Ferdinand, u. Josef Müller [Hrsg.]: Pastoraltheologie.

Ein entscheidender Teil der josephinischen Studienreform. Ein Beitrag
zur Geschichte der Praktischen Theologie. Wien-Freiburg-
Basel: Herder 1979.242 S. gr. 8". Kart. DM 28,80.

Als Nachtrag und Ergänzung zu dem aus Anlaß des 200jährigen Bestehens
der Pastoraltheologie als selbständiger theologischer Disziplin
erschienenen Sammelband Praktische Theologie heute (Ferdinand
Klostermann/Rolf Zerfaß, Hrsg., München/Mainz 1974, vgl.
ThLZ 102, 1977 Sp. 53611) werden elf zum Teil sehr spezielle Beiträge
in lockerer Gliederung vorgelegt.

Im ersten Teil geht es um den Hintergrund der Entstehung der ein-