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Ausgabe:

1984

Spalte:

456-458

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Drachenberg, Erhard

Titel/Untertitel:

Die mittelalterliche Glasmalerei in den Ordenskirchen und im Angermuseum zu Erfurt 1984

Rezensent:

Neumann, Helga

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6

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Kon/il"(Abb. S. 294). Es gab Krawalle katholischer Jugendlicher, die
zur Verhahung u. a. des Vorsitzenden des katholischen Gesellenvcr-
eins führte. Erzbisehof Deinlein trat Tür die Verhafteten ein (300).
Ausführlich untersucht U. den geistesgesehiehtliehen Standort des
Erzbischofs und sieht insgesamt eine „strenge Kirehliehkeit Deinleins
im Anschluß an Papst und Hierarchie" (321).

Im November 1869 reiste Deinlein nach Rom mit großen Vorbehalten
. So erklärte er dem Kirchenrechtler von Schulte im Mai 1869,
er wolle „alles tun, um eine Definition zu verhindern" (331). Kapitel
III ist übersehrieben: „Erzbisehof Michael von Deinleins Tätigkeit
auf dem Konzil - Mitglied der Opposition" (337-402). Deinlein
unterzeichnete am 26. I. 1870 die Petition von 46 deutsehen und
österreichischen Bischöfen gegen ein Dogma von der Unfehlbarkeit
des Papstes; er „gehörte von nun an konsequent zu den (iegnern der
Definition der Unfehlbarkeit des Papstes und sollte dieser Einstellung
bis zum Ende des Konzils treu bleiben" (370). Doch es gab Spannungen
innerhalb der Minoritätsgruppe. Deinleins Meinung erhebt U. aus
Randnotizen und Unterstreichungen im Handexemplar der neuen
Konstitution. Deinlein war „der Theologie des 19. Jahrhunderts verwurzelt
, wie sie von den Lehrern seiner Studienzeit gelehrt wurde, wonach
nämlich die Gesamtheit der Bisehöfe, Papst und Bisehofskollegium
, mit Unfehlbarkeit ausgestattet seien" (385). Deinlein erhielt
Urlaub vom Konzil aus gesundheitliehen Gründen, ein letztes Warnsehreiben
an den Papst hat er nicht mehr unterzeichnet. Viele Äußerungen
Deinleins werden zitiert, darunter die, er könne nicht verstehen
, „wie ein vernünftiger Mensch noch von einer persönlichen
Infallibilität des Papstes sprechen kann" (398). Tatsache ist, „daß in
keinem Hirtenbrief Erzbisehof Deinleins die l ehre von der Unfehlbarkeit
des Papstes auch nur ansatzweise begegnet''(401).

Noch spannender sind „Die Jahre nach dem Konzil im Erzbistum
Bamberg - Rezeption und Ablehnung der Konzilsbeschlüsse"
(Kap. IV, 403-606). U. spricht von einem „heißen Monat" nach Abbruch
des Konzils, er zitiert aus Zeitungen: Vom liberalen Nürnberger
Anzeiger bis zum ultramontanen Bamberger Pastoralblatt. Die Bayrische
Regierung erklärte, daß Für den Abdruck der Konzilsbeschlüsse
eine Druckgenehmigung einzuholen sei (443). Deinlein wollte seine
Opposition nicht fortsetzen. Er bat den bayrischen König um Erlaubnis
zur Veröffentlichung. Aber er war der einzige Bischof in Bayern,
der dieser Anordnung nachkam; die „Bischöfe von München, Regensburg
und Eichstätt hatten gegen die Plazetforderung protestiert und
das Dogma ohne staatliche Genehmigung verkündet" (469). Döllin-
ger. der bedeutendste Gegner des neuen Dogmas, war ein alter Studienfreund
Deinleins. Die Altkatholiken begannen sich zu konstituieren
. Deinlein war von vielen Seiten her bedrängt. In Bamberg setzte
sich der Generalvikar energisch für das neue Dogma ein. In einem
„Generalvikariatserlaß" vom 25.4. 1871 wird der Klerus zum Einsatz
für das neue Dogma aufgefordert, Döllinger wird verurteilt. Dabei
berief sich der Generalvikar auf das Einverständnis Deinleins. „Durch
seine Befürwortung des Generalvikariatserlasses war Erzbischof Deinlein
zwischen die Fronten von Kirchcngewalt und Staatsgewalt geraten
." (543). Die Altkatholikcn faßten Fuß, gerade auch in Bayreuth
und Erlangen; sie erklärten, Deinlein sympathisiere mit ihnen. Deinlein
schwieg und überließ seinem Generalvikar eine Zurückweisung
(561-65). Ein gewisser „innerer Umschwung des Oberhirten in der
Unfehlbarkeitsfragc" liegt vor (570). Es kam wieder zu Kontakten mit
Rom (585-88). Aber U. stellt fest: „Zweifellos noch heute umstritten
ist jedoch die Frage, ob das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes im
Erzbistum Bamberg publiziert worden sei und folglich Glaubensrelevanz
beanspruchen könne." (588) Im Gegensatz zu allen anderen
Bischöfen hat sich Deinlein „weder schriftlich noch mündlich, zustimmend
oder ablehnend, nachdrücklich vor Gläubigen des Erzbistums
zum Dogma geäußert. .." (593). U. meint, es sei „im Erzbistum
Bamberg zu keiner formellen Publikation des Dogmas gekommen
" (598). Der bald danach auch in Bamberg einsetzende Kulturkampf
rückte andere Probleme in den Vordergrund (602-06).
Deinleins Meinung zeigt sich wohl am deutlichsten in einem Brief

vom 21.3. 1871 an seinen alten Studienfreund Döllinger, der in
Band II - einem Quellcnband - abgedruckt wird. „Teuerster Freund!
Ich habe bisher aufrichtigen Anteil genommen an dem schweren
Kampf, welchen Du seil Monaten über das Dogma der Unfehlbarkeit
des obersten Lehramtes der Kirche mit Dir zu bestehen hast . . . Auch
ich war sehr gegen diese Lehre eingenommen, bis ich seit dem Monat
Juni v(origen) J(ahres) in Rom diese Lehre zum besonderen Gegenstand
meines Nachdenkens und gründlicheren Studiums gemacht
hatte. Da kam ich zur vollsten Uberzeugung, daß die Lehre des
Valicanum in Schrift und Tradition wohl begründet sei, daß der Papst
als Oberhaupt der Kirche kraft göttlicher Institution unfehlbar sein
müsse vi assistentiae Spiritus saneti wenn er ex Cathedra spricht, da er
sonst nicht das unerschütterliche I undament der Kirche, nicht der
sichere Führer und oberste Lehrer der ganzen Herde Christi sein
kann." (II, 717) - Die sachliche Ausbreitung des reichen Quellen-
malerials ist verdienstlieh, sie bereichert unser Bild von den innerkatholischen
Kämpfen um das Unfehlbarkeitsdogma erheblich.

Rostock Gert Hacndkr

Christliche Kunst und Literatur

Drachenberg, Fhrhard, Karl-Joachim Maereker, u. Christa Schmidt:
Die mittelalterliche Glasmalerei in den Ordenskirehen und im
Angermuseum zu Erfurt, hrsg. vom Institut für Denkmalpflege in
der DDR. Berlin: Akademie-Verlag 1976. X, 279 S. m. zahlr. Abb.
i. Text, 12 Farbtaf. 224 Abb. auf Tal'. 4" = Corpus Vitrearum Medii
Aevi. Deutsche Demokratische Republik, 1.1. Bd. I: Die mittelalterliche
Glasmalerei in Erfurt, Teil I. Lw. M 150,-

Draehenberg, Erhard: Die mittelalterliehe Glasmalerei im Erfurter
Dom. Textband. Hrsg. vom Institut für Denkmalpflege in der DDR
Berlin: Akademie-Verlag 1980. XVIII, 437 S. m. zahlr. Abb.,
20 Farbtaf., 24 Abb. auf Taf. 4" = Corpus Vitrearum Medii Aevi.
Deutsche Demokratische Republik, 1.2. Bd. I: Die mittelalterliche
Glasmalerei in Erfurt, Teil 2. Lw. M 280,-.

Die beiden vorliegenden feile des ersten Bandes mittelalterlicher
Glasmalerei in der DDR gehören zu dem internationalen Corpus der
Glasmalerei. Die Bestände auf dem (iebiet der Deutschen Demokrati-'
sehen Republik sollen in voraussichtlich 6 Bänden erlaßt werden. Die
Bearbeitung der Bände erfolgt nach Richtlinien, die für das ganze Corpus
verbindlich sein sollen. Dementsprechend ist der Aufbau beider
vorliegender Teilbände streng gegliedert und weitgehend übereinstimmend
.

Den ersten Abschnitt bildet jeweils ein Überblick über die Geschichte
der Forschung. Für Barfüßerkirche, Predigerkirche und
Augustinerkirche werden die wichtigsten Ergebnisse der einzelnen
Autoren in Klammern angegeben. In der Bibliographie der Erfurter
Fenster berichtet der Verfasser eingehend über die bisherigen Forschungsergebnisse
. Es wird deutlich, daß bereits im Anfang des
19. Jahrhunderts die künstlerische Qualität und die Schönheit der
Domfenster entdeckt wurden, daß die Wissenschaftler aber auch von
Anfang an die unterschiedlichsten Meinungen über Herkunft und
Entstehungszeit der Malerei vertraten. So wird die späteste Datierung
(1475-1488) von Kruspc 1889 und die früheste (1360-1370) von
Mosch 1952 vorgeschlagen. Über die Herkunft des Stils variieren die
Meinungen ebenfalls beträchtlich. Es werden thüringische, fränkische
und von der jüngeren Forschung hauptsächlich böhmisch-parlerische
Einflüsse vermutet.

Jede Kirche, in der sich mittelalterliche Glasfenster befinden, wird
einzeln behandelt. Eine knappe, an den schriftlichen Quellen orientierte
Baugeschichte sowie die Geschichte der Verglasung berichten
über die Fakten, die zur Bestimmung der Fenster nötig sind. Darüber
hinaus werden alle Regestcn zum Kirchenbau. zu Beschädigungen
und Restaurierungen zusammengestellt und zitiert.

Der Bestand, die Erhaltung, Technik, Farbe, Komposition und Iko-