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Ausgabe:

1984

Spalte:

447-448

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hedrick, Charles W.

Titel/Untertitel:

The Apocalypse of Adam 1984

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Seite 1

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Theologische Literaturzeilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6

448

verwandelt wird, indem.göttliche Kräfte in Tat eintreten und die
gelängen haltenden Tierkreis-Kräfte vertreiben. Diese Wiedergeburt
macht ihn zugleich unsterblich und versetzt ihn in die Gemeinschaft
mit den Kräften, die den Himmel mit ihrem Gotteslob lullen. Um ein
solches Konzept realisierter Eschatologie zu entwickeln, benutzt der
Autor verschiedenes Traditionsmaterial, darunter auch solches, was
in CH 1, dem bekannten Poimandres-Traktat, zu finden ist, was er
aber im Sinne seiner besonderen Anthropologie neu interpretiert:
CH Xlll geht gegenüber CH I nicht vom Fall eines himmlischen Urmenschen
aus, sondern von der Geburt unter der Bestimmung durch
den Tierkreis und entsprechend nicht von einem Erlösungsweg durch
Erkennen des Göttlichen im Menschen, sondern durch Erkennen der
eigenen Hilflosigkeit und Abhängigkeit von einer Wiedergeburt, die
erst in ein göttliches Wesen transformiert, dem dann wie in CH 1 volle
Selbsterkenntnis möglich ist. Die Diskussion um die kultischen Materialien
in CH Xlll entscheidet der Vf. so, daß er hierin Traditionen
sieht, die als Hilfen in der Unterweisung benutzt werden, die der Text
geben will: Die liturgischen Referenzen intendieren nicht, eine Wiedergeburt
des Lesers zu bewirken, sondern sie sollen diejenigen, die
bereits initiiert, wiedergeboren sind, daran erinnern und diese besondere
Erklärung der Wiedergeburt auf die Zeremonie der Wiedergeburt
beziehen, die der Leser schon erfahren hat. Nur in diesem Sinne will er
mit Richard Reitzenstein in CH Xlll ein „Lesemysterium" sehen.
Damit ist die Eigenart des Traktats verdienstvoll herausgearbeitet.
Für die religionsgeschichtliche Einordnung ist man weiter auf die bisherigen
Arbeiten und neue Untersuchungen angewiesen; hier würde
sich K.-W. Trögers Ansatz (Mysterienglaube und Gnosis im Corpus
Hermeticum Xlll, Berlin 1971 janbieten.

Berlin (West) Christoph Elsas

Hedrick, Charles W.: The Apocalypse of Adam. A Literary and
Source Analysis. Chico, CA: Scholars Press 1980. XV, 308 S. 81 =
SBL. Dissertation Series, 46. Kart. $ 10,95.

Die vorliegende Arbeit ist Hedricks Ph. D.-Dissertation, mit derer
1977 an derClaremont Graduate School bei James M. Robinson promoviert
hat.

Ihr Autor ist ein Mann, dessen Bedeutung für die Nag Hammadi-
Forschung weit über das hinausgeht, was er hier zu einer speziellen
Nag Hammadi-Schrift ausführt. Als Mitglied des U. S.-amerikanischen
Coptic Gnostic Library Project war er in dem fruchtbaren
Jahrzehnt von 1970 bis 1980 sozusagen die „rechte Hand" des Projektleiters
James M. Robinson und eine der Schlüsselfiguren bei der
papyrologischen Arbeit im Koptischen Museum von Kairo zur Vorbereitung
der großen Faksimile Edition. Reflexe davon (Bemerkungen
zur Anzahl fehlender Zeilen, zur Größe von Lakunen, zur Plazierung
von Fragmenten, etc.), die sich auch in der hiesigen Arbeit immer wieder
finden, wird der eingeweihte Leser also mit besonders großer Aufmerksamkeit
zur Kenntnis nehmen.

Auch der Gegenstand der Dissertation, die gnostische Adamapokalypse
, als fünfte und letzte Schrift in Codex V erhalten (p. 64,1-85,32),
ist nicht irgendeine Nag Hammadi-Schrift, sondern eine, die seit ihrer
erstmaligen Veröffentlichung im Jahre 1963 durch A. Böhlig (vgl.
ThLZ 90, 1965 Sp. 359-362) in der Gnosis-Forschung, vor allem als
Beleg für die These vom ursprünglich nicht-christlichen Charakter
der Gnosis, aber auch als Repräsentant des Sethianismus, bereits eine
zentrale Rolle gespielt hat. Charakteristisch für ApcAd ist ja der
Reichtum an echten jüdischen, auch außerbiblischen, Traditionen,
die als der gnostischen Interpretation zugrundeliegend noch leicht zu
erkennen sind, bei gleichzeitigem völligen Fehlen (eindeutiger) christlicher
Züge.

Die Perspektive, unter der H. an ApcAd herantritt, erinnert an den
allgemeinen und bedeutenden Sachverhalt einer fruchtbaren Wechselbeziehung
zwischen der exegetischen Arbeit am NT und am Corpus
der Nag Hammadi-Schriften. Hier ist die Richtung so, daß ntl.

Methoden auf eine Nag Hammadi-Schrift angewendet werden (vgl.
S. 1-3).

Der besondere Aspekt, um dessen Erkenntnis und Erklärung es H.
zentral geht, ist die traditionsgeschichtliche Schichtung bzw. die geschichtliche
Dimension von ApcAd. Es liegt hier eben nicht alles auf
einer einzigen literarischen Ebene, sondern auf verschiedenen. Das
wurde an sich schon früh gesehen. Aber H.s Arbeit ist der auffälligste
und konsequenteste Versuch, diese Seite des Textes, und zwar mittels
einer ganz bestimmten Theorie (die man eben auch als Spiegel für die
betreifende Problematik an sich benutzen kann) zu erhellen.

H.s Ausgangspunkt ist die Erkenntnis des in der Tat erstaunlichen
Sachverhalts, daß ApcAd anscheinend zwei verschiedene Einleitungen
(einerseits: 64,6-65,23 + 66,12-67,12; und andererseits:
65,24-66,12 + 67,12-21) und zwei verschiedene Schlüsse besitzt
(einerseits: 85,19-22a;andererseits: 85,22b—31).

Seine These, die sich noch auf weitere Sprünge oder Abnormitäten,
auch im Inneren des Textes, stützen kann, lautet: ApcAd besteht aus
zwei Quellen (source A und source B genannt), die ein Redaktor gegen
Ende des I.Jh. n.Chr. in Palästina (vgl. S. 213-215) zusammengearbeitet
und mit seinen eigenen Verdeutlichungen und Akzenten versehen
hat. Die beiden Quellenblöcke würden - abgesehen von Einleitung
und Schluß - einfach nacheinander geboten. Der Einsatz des
Corpus von source B (die übrigens nur teilweise geboten werde und
auch gar keine einheitliche Größe gewesen sein müsse) sei durch die
Zäsur in 76,8 gegeben. Als redaktionelle Elemente werden sieben
Glossen (65,3-9; 69,10-17; 71,4-8; 76,6-7; 76,11-13; 82,18-19;
83,4-7) und praktisch der ganze Schlußteil - mit Ausnahme eben von
85,19-22a als dem Schluß von source A - (84,4-85,18.22b-3l)
gerechnet.

Der Inhalt des Werkes und der Gang der Darlegungen im einzelnen
ist ganz auf die Demonstration und Auswertung dieser These fixiert.
Die These steht nicht am Ende, sondern gewissermaßen am Anfang
des Buches. Die Darbietung erfolgt im wesentlichen in drei Abschnitten
. Der erste, der der Identifikation der Quellen und der Redaktion
gewidmet ist, umfaßt relativ wenig Seiten (S. 21-57). Es folgt sogleich
als umfangreichster Teil die sachliche Charakterisierung der beiden
Quellen und der redaktionellen Teile: "The Character of the A
Source" (S. 59-95); "The Character of the B Source" (S. 97-184);
"The Redactor" (S. 185-226). Den Abschluß bildet eine mit exegetischen
Anmerkungen versehene Textausgabe - aber nun eben nicht
der Adamapokalypse, wie sie wirklich ist, sondern eine Textausgabe
der rekonstruierten Elemente: Source A (S. 229-258); Source B
(S. 259-281); The Redactor (S. 283-298). Die dabei verwendete Fassung
des koptischen Textes ist übrigens nicht absolut identisch mit der
der Ausgabe von George W. MacRae in "The Coptic Gnostic
Library" (NHS XI, 1979; vgl. ThIZ 107, 1982 Sp. 8240- Es geht hier
nicht darum, daß H. in der Rekonstruktion von Lücken kühner ist als
MacRae, sondern um gelegentliche kleine und kleinste Unterschiede
im Detail der Präsentation des erhaltenen Bestandes. Das Auffälligste
in diesem Bereich ist eine differierende Zeilenzählung von p. 69, weil
H. nicht akzeptieren kann, daß oben wirklich eine Zeile fehlt.

Natürlich gibt es auch Fragen, die man an H.s Buch richten kann.
Eine ist, ob er nicht doch den selbst beschworenen fruchtbaren Pluralismus
der exegetischen Methoden etwas aus dem Auge verloren hat
und sich zu einseitig und zu schnell auf eine einzige, die Literarkritik,
festgelegt hat. Es scheint mir noch nicht ausgemacht zu sein, daß diese
Literarkritik wirklich als die einzige bzw. die evidenteste Erklärung
der vorhandenen Ungereimtheiten dieses Textes gelten darf, eines
Textes, dessen „Sorte" ja noch nicht einmal völlig deutlich ist.
(Manchmal kann man sogar den Eindruck haben, er sei eigentlich nur
eine Variantensammlung zu einer Schrift.) Auch gibt es immanente
Probleme der vorgeschlagenen Lösung. Bei der Quelle A wird es
mir vor allem zum Problem, woher Adam eigentlich weiß, was er dem
Seth über die Zukunft sagt.

Berlin Hans-Martin Schenke