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Ausgabe:

1984

Spalte:

445-447

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grese, William C.

Titel/Untertitel:

Corpus hermeticum XIII and early christian literature 1984

Rezensent:

Elsas, Christoph

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445 Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 6 446

Das Buch beeindruckt durch die Geschlossenheit der Konzeption, Der Vergleich des 13. Traktats aus der Sammlung hellenistischer
■ durch die Fülle neuer Deutungsvorschläge zu Einzelheiten des IPetr OfTenbarungsschriften mit seiner Thematik von der Notwendigkeit
sowie durch die umfassende Kenntnis und sorgfältige Auswertung der der Wiedergeburt für das Heil des Menschen ist eine wichtige und viel-
neutestamentlich-exegetischen, soziologischen und vor allem auch versprechende Fragestellung. Der Text wurde mit Richard Reitzen-
zeitgeschichtlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Literatur. Wer Steins „Poimandres" 1904 als ein wichtiger Text hellenistischer Reli-
sich mit dem 1 Petr beschäftigt, erhält aus dieser Untersuchung auf giosität mit besonderer Bedeutung auch zur Erforschung der Umwelt
vielfältige Weise Information und Anregung. des frühchristlichen Schrifttums bekannt. Leider gibt der vorliegende
Gleichwohl haben mich die Hauptthesen (nur auf diese kann hier Band zumindest für die neutestamentliche, kirchengeschichtliche und
eingegangen werden) E.s'nicht überzeugt. Ein primär soziologisches vergleichend religionsgeschichtliche Forschung wenig neue Denk-
Verständnis der Fremdlinge scheitert doch wohl schon an der Über- und Verstehensanstöße, erschöpft sich vielmehr in langwieriger,
legung, daß es in den 1,1 genannten Provinzen nicht nur Christen die- nicht selten sich wiederholender und die Forschungsmeinungen oft
ses sozialen Standes gab; schon die in 2,18 ff angeredeten Sklaven hat- minutiös diskutierender Detailanalyse des Traktats ohne darüber
ten solchen Status ja keineswegs. Darüber hinaus zeigt m. E. der Kon- hinausgehende Perspektive. Es bleibt damit eine sorgfaltige und reich
text aller drei Stellen, an denen der Fremdlingsgedanke begegnet, daß annotierte Ausgabe dieses einen Textes mit Übersetzung, Einführung
es sich um eine christlich begründete Fremdlingschaft und nicht um in die Forschungslage und inhaltlicher Aufgliederung und Kommeneinen
rechtlich sozialen Stand handelt: Die Aussage von 1,2 bezieht tierung sowie Bibliographie und Indices, was ja durchaus schon eine
sich auf 1,1 in der Weise, daß die Adressaten nach Gottes Vorherwis- wichtige und nützl iche Sache ist. Doch die vom Titel geweckten Ersen
„auserwählte Fremdlinge", Fremdlinge durch die Erwählung Wartungen werden enttäuscht, und man kann fragen, ob ein so aufsind
; der Gedanke der Fremdlingschaft dient in 1,17 vom Kontext wendiger Druck gerechtfertigt ist angesichts eines dann doch nur sehr
her zur Charakterisierung der gegenwärtigen Existenz: Dem „früher" kleinen Kreises von Spezialisten, die das Buch auch wirklich werden
(V. 14) steht die Jetztzeit der Fremdlingschaft gegenüber; in 2,11 brauchen können.

schließlich werden christliche Weisungen mit der Fremdlingschaft be- Nach Text und Übersetzung (S. 1-33), die in Anlehnung an die angründet
, sie zeigt sich in einem Leben, das anders ist als das der Um- erkannte griechisch-französische Ausgabe des Corpus Hermeticum
weit. Auch scheint mir das Haushaltsdenken im 1 Petr keineswegs von von A. D. Nock und A. J. Festugiere (Paris 1954-60) gestaltet sind,
fundamentaler Bedeutung zu sein. Die Aufnahme der im Urchristen- folgt in Kap. II (S. 34-58) eine kurze Geschichte der Forschung zu Ur-
tum verbreiteten Vorstellung von der Gemeinde als Tempel ist in 2,5 sprung, Gemeinschaftsbildung und Sammlung der hermetischen Litern
. E. viel eher anzunehmen, da dort auch von Opfern und Priestern ratur mit besonderer Hervorhebung der Untersuchungen zum Ver-
die Rede ist, und die in 4,17 gebrauchte Wendung „Haus Gottes" ist hältnis von hermetischen und frühchristlichen Schriften sowie dann
in der Septuaginta fast durchweg auf ein Heiligtum bezogen. Die speziell zum 13. Traktat. Das weitaus umfangreichste Kapitel III trägt
Haustafel aber wird gerade nicht von 2,5 her begründet (so S. 205), den gleichen Titel wie der Band, doch zeigen die Unterüberschriften
sondern mit dem Fremdlingsgedanken 2,11, und in ihr geht es nicht sachgemäßer den Inhalt, nämlich „Form von CH XIII" (S. 59-61),
um eine „Hausordnung", die innergemeindliches Leben regelt, son- „Struktur von CH XIII" (S. 61-62) und „Detailanalyse von CH XIII"
dem primär um das Verhalten der Christen zur nichtchristlichen Um- (S. 62-197), wobei letztere dem Textverlauf folgt. Vergleichbare Stelwelt
(vgl. 2,13-17. 18ff; 3,1 0-Die Übernahme einer am Sektenwesen len aus frühchristlicher Literatur werden nach Zettelkastensystem
orientierten Terminologie und Vorstellungswelt ist zumindest miß- jeweils mit ihrer formalen oder inhaltlichen Übereinstimmung und
verständlich, da das Gegenüber zu einer Sekte gewöhnlich die Groß- Verschiedenheit angefügt. Es bleibt bei Einzelheiten, zu einer Auskirche
ist. Daß die Adressaten in der Gefahr sozialer und kultureller wertung für ein besseres Verständnis des frühen Christentums in
Assimilation standen (so S. 211). ist dem IPetr ebensowenig zu ent- einem wirklichen Vergleich des Gedankengebäudes des Traktats mit
nehmen (vgl. dagegen 4,4) wie ein Leidensverständnis, das der Ge- Denkstrukturen christlicher Literatur kommt es nicht. Auch das
meindesolidarität dienstbar gemacht wird (so S. 115 u. ö.), in 1,7; kurze Schlußkapitel „Folgerungen" (S. 198-202) resümiert nur das
2,20ff; 4,13.erfährt das Leiden vielmehr eine theologisch-christo- negative Ergebnis der Diskussion um Einflüsse des Neuen Testaments
logisch gefüllte Sinngebung, die bei der von E. vertretenen soziologi- auf CH XIII und stellt nochmals die immer wieder im Verlauf der
sehen Exegese zu verschwinden droht. Detailanalyse herausgearbeiteten Besonderheiten des Traktats zusam-

Bcrlin Christian WolfT men: ..... .....

Der Traktat ist eine Erklärung des „heiligen Gesetzes , mit dem er

beginnt, nämlich daß keiner vor seiner Wiedergeburt gerettet werden

, ,r , _ _, , , ., , _ . , _ , kann. Allein die Wiedergeburt ermöglicht die so oft in der hellenisti-

Vgl. vor allem The Elecl and Ihc Holy: An Exegetical Examination of . „ 7 ■ , • j

1 Peter 2:4-10 (Nov Test Suppl 12) Leiden 1966; und den Forschungsbericht scnen Welt eesucnte Schau g°«llcher Wahrheit. Der nicht w.eder-

The Rehabilitation of an Exegetical Step-child: I Peter in Recent Research, geborene Mensch kann sie nicht erreichen, weil sein Wahrnehmungs-

JBL 95,1976 S. 243-254. und Erkenntnisvermögen auf die physische Welt beschränkt sind.

Dort aber ist alles in stetem Wechsel, während die Wahrheit perdefi-
nitionem unwandelbar ist. Der Mensch muß deshalb göttlich werden,

^ xi, m- r ii viii j i- i /-n. ■ M damit er das Göttliche erkennen kann. Diese auch sonst bekannten
Grese, William C.: Corpus Hermeticum XIII and Earlv Christian Li-

terature. Leiden: Brill 1979. XIII, 229 S. gr. 8" = Studia ad Corpus Gedankengänge erhalten in CH XIII eine Besonderheit durch die

Hellen isticum Novi T CS tarnen ti V. Lw. hfl 96.-. nähere Erklärung der Notwendigkeit der Wiedergeburt aus der Geburt

des Menschen, durch die er den spirituellen Kräften des Tierkreises

Die Untersuchung bietet die leicht revidierte Version einer unterworfen wird, die seinen physischen Leib als Gefängnis formen,

Ph. D.-Dissertation an der Claremont Graduate School 1977 und will um seine Wahrnehmung auf das Physische zu beschränken. Deshalb

ein vorbereitender Beitrag zum internationalen Forschungsprojekt kann der Mensch aus eigenen Kräften keine Wiedergeburt erlangen,

Corpus Hellenisticum Novi Testamenti sein, das religiöse und litcra- sondern braucht sogar schon für den ersten Schritt, das Unheilvolle

rische Parallelen zum Neuen Testament aus der Literatur der hclleni- seiner gegenwärtigen Situation zu erkennen, göttliche Hilfe. Tat steht

stischen Welt sammelt, um unser Verständnis der neutestamentlichen in CH XIII für den nicht wiedergeborenen Menschen, der sich um

Schriften zu fördern, und neben dem Neuen Testament andere früh- eine Schau Gottes bemüht und doch durch seine törichten Fragen

christliche Dokumente (maßgeblich in der dem Wörterbuch zum zeigt, wie weit entfernt vom Göttlichen er ist, bis er schließlich die

Neuen Testament von Walter Bauer zugrunde gelegten Auswahl) in Hoffnungslosigkeit seiner Ausgangsposition erkennt und dann von

das Untersuchungsziel einbezieht. Hermes durch das Ritual der Wiedergeburt in ein göttliches Wesen