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Ausgabe:

1984

Spalte:

21-25

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

1 - 25,14 1984

Rezensent:

Ruprecht, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 1

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Art vorgenommen werden (S. 1380- Zustimmung verdient auch, daß
Versuche, die Theophanieschilderung in der Sinaigeschichte auf vulkanische
Vorgänge zu beziehen, abgelehnt werden (S. 119f). Zurückhaltender
muß man m. E. der allzu sicher vorgetragenen Ansicht
gegenüberstehen, daß es kein einmaliges Ereignis am Sinai, keinen
Bundesschluß und kein Sinaifest gegeben hat (S. 125) und daß die
Sinaigeschichten vielmehr als „theologische Ätiologie des besonderen
Gottesverhältnisses Israels" zu verstehen seien (S. 129). Auch die
Deutung des wie ein Schmelzofen rauchenden Berges Sinai (Ex 19,18)
auf die Läuterung und Reinigung Israels durch Jahwe (S. 160) scheint
problematisch zu sein, da der Vergleich mit dem Schmelzofen wohl
nur das Rauchen des Berges verdeutlichen soll.

Ein weiteres Beispiel für Überinterpretation sind m. E. die Ausführungen
über die Amalekiterschlacht (Ex 17,8-16). Ex 17,14b und 16b
werden unter der Überschrift „Der eschatologische Jahwekrieg"
behandelt, was freilich bald durch die Bemerkung, daß „der Kampf
(beinahe) eschatologische Dimensionen" annehme, wieder entschärft
wird (S. 107). Ob man die Amalekiter als „Realsymbol des Bösen"
bezeichnen kann (S. 108), ist doch sehr fraglich.

Wiederholt wird auf Jahwe als König bzw. guten König des Volkes
hingewiesen (S. 42, 50, 95, 98), wogegen zu fragen ist, ob dies auf
Grund der Texte in Ex 17-34, in denen das Königsprädikat für Jahwe
jedenfalls nicht begegnet, möglich ist.

Auch diese Publikation zeigt, daß die Pentateuchforschung in Fluß
gekommen ist, und es ist noch nicht abzusehen, welche Lösungen, die
von vielen Forschern akzeptiert werden können - der Vf. ist sich
bewußt, daß sich seine eigenen früher vorgetragenen Hypothesen
nicht durchsetzen konnten (S. 17) -, gefunden werden. Augenblicklich
herrscht weithin eine große Unsicherheit hinsichtlich der „Quellen
", aber auch hinsichtlich der Abgrenzung der Erzählblöcke, wobei
der Vf. selbst gelegentlich schwankt (vgl. S. 29). Das Erkennen redaktioneller
Bearbeitungen und die Erfassung ihrer Intentionen ist ebenfalls
mit großen Unsicherheiten belastet.

Jena Eva Oßwald

1 Vgl. das Literaturverzeichnis und meine Rezension von P. Weimar und
E. Zenger. Exodus. Geschichten und Geschichte der Befreiung Israels. Stuttgart
1975,inThLZ 103, 1978 Sp. 255f.

' Vgl. die in Anm. 1 genannte Studie, S. 20 und E. Zenger, Das Buch Exodus.
Geistliche Schriftlesung AT 2, Leipzig 1978. S. 16.

Schreiner, Josef: Jeremia 1-25,14. Würzburg: Echter 1981. 148 S.
gr. 8* = Die Neue Echter Bibel, 3. Kart. DM 28,-.

35 Jahre nach W.Rudolph und F. Nötscher und 30 Jahre nach
A. Weiser legt J. Schreiner jetzt erstmals wieder einen Jeremia-
Kommentar in deutscher Sprache vor, zunächst beschränkt auf
Jer 1,1-25,14. Angesichts der Bewegung, die in der neuesten Phase der
Forschungsgeschichte auch die Jcremia-Forschung ergriffen hat, und
angesichts der methodischen Unsicherheiten, denen diese sich ausgesetzt
sieht', wird ein Kommentar zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
mehr als eine Zwischenbilanz sein können, vor allem auch dann,
wenn durch die Kommentarreihe ein deutlicher äußerer Rahmen
gesetzt ist. Um so mehr wird der Interessierte der Lektüre dieses Kommentars
mit Spannung entgegenblicken, zumal J. Schreiner vielen in
der Jeremia-Forschung kein Unbekannter mehr ist.

Der Kommentar erscheint in der Reihe „Die Neue Echter Bibel.
Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung" und
versteht sich als Nachfolger des genannten Kommentars von F. Nötscher
in der Reihe „Echter Bibel". In der Anlage schließt sich die neue
Reihe der alten an: Die Übersetzung des Textes nimmt etwa die obere
Hälfte der Seite ein. die untere in zwei Spalten die Auslegung, dazwischen
knappe textkritische Anmerkungen. Am Rand der Übersetzung
finden sich Querverweise zu anderen Bibclstellen, eine gegenüber der
alten Reihe willkommene Neuerung.

Wie überhaupt „Die Neue Echter Bibel", soll auch dieser Kommentar
allen dienen, „die das Alte Testament besser kennenlernen
möchten, besonders denen, die den Reichtum an alttestamentlichen
Lesungen, den uns (sc. der katholischen Kirche) die erneuerte Liturgie
geschenkt hat, für sich oder andere erschließen wollen", wie es auf
dem Rückendeckel des Buches heißt. Diesem Interesse dienen innerhalb
der Auslegung auch die zahlreichen Hinweise auf den Ort der
jeweiligen Texte in den betreffenden Lesungsreihen, welche sich
naturgemäß vornehmlich an katholische Leser richten. Dennoch ist
zu wünschen, daß der Kommentar auch viele Leser aus dem protestantischen
Bereich finden wird, nicht zuletzt auch wegen der zugrunde
gelegten Einheitsübersetzung, deren Textanordnung allerdings
nicht immer mit der Auslegung in Einklang gebracht werden kann.

So bleibt es z. B. ein Geheimnis, weswegen 3,19—t,4 in Verszeilen gesetzt ist,
während 1,1 -3,18 in Prosa gedruckt sind. Auch die Absätze in der Übersetzung
stimmen nicht immer mit den in der Auslegung vorausgesetzten Perikopen
überein, so z. B. der Absatz zwischen 2,28 und 2,29 in der Übersetzung (S. 23)
und die Behandlung von 2,26-29 als Texteinheit in der Auslegung.

Die wichtigste Sekundärliteratur ist bis in die jüngste Vergangenheit
hinein berücksichtigt (S. 12) und zeigt, daß sich Sch. auf der Höhe
forschungsgeschichtlicher Diskussion befindet. Wie grundlegend sich
diese gewandelt hat, verdeutlicht besonders der Vergleich mit dem
Standardkommentar zu Jeremia von W. Rudolph, dessen letzte Auflage
fast 14 Jahre zurückliegt.

Wie sehr die forschungsgeschichtliche Diskussion im Fluß ist,
beweist in der Einleitung des Kommentars der Rückgriff Sch.s auf
einen erst bei der Drucklegung erschienenen Aufsatz von R. Al-
bertz zur Frühverkündigung Jeremias (S. 9). Er nimmt dessen These
auf, daß Jeremia in seiner Frühzeit, während der josianischen Expan- .
sionspolitik, von Anatot aus vor allem Heilsprophet für das Nordreich
gewesen sei, während er im Kommentar die in 2,4-4.2 enthaltenen
Heilsworte der dtr. Schicht zuschreibt. Daß Sch. hier zu einem Problem
, das sicherlich noch weiter kontrovers diskutiert werden wird,
zwei verschiedene Lösungsansätze vorführt, zeigt seine Umsicht und
Vorsicht als Exeget.

Worum es Sch. geht, zeigt er in der knappen Einleitung (S. 5-11):
„Bei Jeremia kann man lernen, was es bedeutet. Prophet, Bote des
Herrn zu sein" (S. 5). Darum geht es Sch. vor allen Dingen zu zeigen,
was es bedeutet, daß Jeremia Bote Jahwes ist. Als Bote tritt uns Jeremia
entgegen im Berufungsbericht (Jer 1), in den zahlreichen Botenworten
, die Jeremia im Auftrage Jahwes ausrichtet, in den Eigenberichten
über symbolische Handlungen (Jer 13; 16; 18; 19) und in
den Klagen, besonders Jer 20,7-9. Diese - zutreffende - Grundidee,
daß Jeremia Bote gewesen ist, wird allerdings mitunter so beherrschend
, daß sich aus ihr problematische Urteile für die literariscfie
Schichtung ergeben. So ist für Sch. z. B. in Jer 1 alles, was von der
Beauftragung Jeremias als Boten handelt, selbstverständlich jeremia-
nischer Eigenbericht, nämlich 1,4.5a.7b.9,17.19, während die Visionen
als sekundär erscheinen: „eine dem Erleben des Arnos nachempfundene
Visionsschilderung" (S. 16).

Jeremias Wirken und Reden haben ihren Niederschlag gefunden in
einem Buch. Dieses hat „eine verwickelte Entstehungsgeschichte
durchlaufen" (S. 5). Einem immer breiter werdenden forschungsgeschichtlichen
Konsensus entsprechend, unterscheidet auch Sch. (im
Anschluß an Mowinckel und andere) die drei „Quellenschichtcn"
(S. 6) A, B und C; A enthält „Sprüche Jeremias" einschließlich der
Konfessionen (S. 7); B die „Erzählungen über Jeremia in I9f. 26. 28 f.
34. 36—45.51); C „Reden Jeremias, in Stil, Sprache und Inhalt der dtn
und dtr Ausdrucksweise und Theologie teilweise verwandt" (S. 6).
Sch. sieht (im Anschluß an Hyatt und besonders Thiel), daß C (bei
Hyatt und Thiel: ,,D") nicht mehr einfach als „Quelle" neben A und
B anzusehen ist, sondern als Redaktionsschicht, die im Zuge der
Nachinterpretation grundsätzlich die gesamte überkommene Überlieferung
(Worte und Eigenberichte Jeremias, Berichte über Jeremia,
Klagen) in eine neue Situation hinein fortschreibt.
Diese Beurteilung derC-Partien stellt in einem deutschsprachigen